Publikum sieht Merz vorn, Habeck am sympathischsten: Sieht so die kommende Koalition aus?
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Das „Quadrell“ der Spitzenkandidaten, das die Sendergruppe RTL und „n-tv“ am Sonntagabend genau eine Woche vor der Bundestagswahl ausgestrahlt hat, förderte inhaltlich wenig Neues gegenüber den altbekannten Positionen der Vertreter der vier größten Parteien zutage.
Endgültige Klarheit dürfte allerdings in der Frage geschaffen sein, ob es mit Friedrich Merz (CDU) als aussichtsreichstem Kanzlerkandidaten weiter eine grüne oder linke Politik geben wird. Denn Merz bestätigte sein Taktikziel, „dass wir mindestens zwei Optionen haben und nur eine brauchen“. Ob es am Ende die Grünen oder die SPD würden, liege bei den Wählern. „Bei der FDP hab‘ ich große Zweifel“, legte Merz nach. Die AfD schließt er weiter „definitiv abschließend“ als Partner aus.
Merz möchte nicht auf Söder hören
Dem Einwand, dass der CSU-Chef Markus Söder Schwarz-Grün ausschließe, entgegnete Merz: „Herr Söder schreibt mir gar nichts vor.“
Das Gleiche gilt aus Sicht von Merz für Aussagen des amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance, der vor drei Tagen auf der Münchener Sicherheitskonferenz ein Ende der „Brandmauer“ gefordert hatte: „Ich lasse mir doch nicht von einem amerikanischen Vizepräsidenten sagen, mit wem ich hier in Deutschland zu sprechen habe“, konterte Merz (Video ab ca. 1:54:50 h auf YouTube).
Eine „grüne Wirtschaftspolitik“ werde es mit ihm nicht geben, so Merz wenig später. Nach der Sendung verließ er gemeinsam mit Habeck das Fernsehstudio (Kurzvideo auf X).
Merz schweigt auf Weidel-Frage
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel ordnete Merz‘ Standpunkt wie folgt ein: „Wir haben’s gehört: Die gesamten Wahlversprechen der CDU sind nicht umsetzbar mit den Grünen oder mit der SPD oder mit beiden. Herr Merz kann nicht erklären, wie er die Forderungen, die er maßgeblich bei uns abgeschrieben hat, umsetzen will“, spielte Weidel wahrscheinlich auf die auch von der Union geforderte Migrations- und Wirtschaftswende an. „Das ist die Brandmauerpolitik, die Sie eingeführt haben. Und dementsprechend zementieren Sie sich in linker Politik ein“ (Kurzvideo auf X).
Weidels direkte Frage an Merz, wie dieser etwas von seinen Forderungen zusammen mit Grün oder Rot umsetzen wolle, ließ der Angesprochene auch im weiteren Verlauf unbeantwortet.
Die Epoch Times hatte die beiden Pressestellen von CDU und CSU bereits vor sechs Tagen um eine Stellungnahme ihrer Parteivorsitzenden zu einem möglichen Regierungsbündnis mit den Grünen gebeten. Die Antworten blieben bislang aus.
Habeck: „Müssen nach der Wahl politisch zusammenarbeiten“
Der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck bestätigte in der Schlussrunde, für eine Koalition mit der Union offen zu sein: „Nach dem Wahlkampf […] werden wir aus den Ritualen heraustreten müssen. Dafür ist die Lage zu ernst. Dafür ist der Druck, der auf Deutschland und auf Europa lastet, zu hoch. […] Wir müssen nach der Wahl politisch zusammenarbeiten. Wir müssen sehen, dass wir die Probleme lösen.“
Der alte und neue SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz brauchte sich zur Frage eines schwarz-roten Bündnisses gar nicht erst zu äußern. Auf seinem X-Account fand sich bis zum Montagmittag keine eigene Einschätzung oder auch nur ein Ausschnitt von seinem Auftritt.
Scholz verzichtet auf seinem X-Kanal auf Resümee
Anders bei den drei übrigen Kandidaten: Auf den X-Kanälen von Merz, Habeck und Weidel wurden teilweise schon während der Sendung die vermeintlich vorteilhaftesten Szenen gepostet. Sie kommentierten auch ihre einminütigen Schlussworte aus der Sendung:
- Friedrich Merz: „Wir haben ein richtig gutes Programm für Deutschland. Ich möchte eine Regierung führen, die aufhört, zu streiten, die dafür sorgt, dass Deutschlands Stimme in Europa wieder gehört wird. Dafür setze ich mich mit aller Kraft ein.“ (X-Video)
- Robert Habeck: „Deshalb am 23. Februar BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wählen.“ (X-Video)
- Alice Weidel: „Fassen Sie sich ein Herz, wählen Sie die AfD, für einen echten politischen Wandel! Das treffende Schlusswort beim #Quadrell! Herzlichen Dank fürs Mitfiebern – #TeamAlice wünscht eine gute Nacht – wir freuen uns auf die kommende Wahlwoche!“ (X-Video)
FDP mit Kritik an Scholz und Habeck
Falls die Union auf einen dritten Koalitionspartner angewiesen wäre und es die FDP doch noch ins Parlament schaffen sollte, hätte Merz eine weitere Option: Der FDP-Vorsitzende, Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner, machte auf seinem X-Kanal klar, dass er Merz für dessen Anti-Russland-Kurs unterstützen würde:
Wenn der Olaf Scholz mehr Waffen für Ukraine fordert, dann sollte er die Hilfen endlich freigeben, die der Bundestag jüngst in einem Beschluss offiziell gefordert hat. Beenden Sie diese Blockade, @Bundeskanzler! CL #Quadrell“
Ex-Bundesjustizminister und FDP-Generalsekretär Marco Buschmann nahm sich auf X dagegen Habeck vor: Weil dieser die These aufgestellt habe, „dass diejenigen, die etwas haben, begründen müssten, warum der Staat es ihnen nicht wegnehmen dürfte“, zeige, dass es richtig gewesen sei, ein Bündnis mit den Grünen dieses Mal von vorneherein zu verneinen.
Publikum sieht Merz vorn – Habeck am sympathischsten
Nach einer Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa für die „Stern“-Mutter RTL unter 2.004 Zuschauern meinten am Ende 32 Prozent, dass sich Merz am besten geschlagen habe. 25 Prozent sahen Scholz als den Sieger, jeweils 18 Prozent Weidel und Habeck.
Auch im Hinblick auf Führungsstärke (42 Prozent), Kompetenz (38) und Glaubwürdigkeit (29) lag Merz bei den Befragten vorn. Habeck bekam hier die rote Laterne (13 Prozent).
Dafür aber genießt der Bundeswirtschaftsminister den höchsten Sympathiewert aller Kandidaten (34 Prozent). In diesem Punkt folgen mit weitem Abstand wiederum Merz (23), Scholz (19) und Weidel (17).
Medien loben Angriffslust von Scholz
Für Mona Jaeger, Korrespondentin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) machte der noch amtierende Kanzler eine relativ gute Figur: Scholz sei „angemessen wach und hin und wieder angriffslustig“ gewesen, besonders in der direkten Konfrontation mit der AfD-Kandidatin. Ähnlich sieht es der „Spiegel“ (Bezahlschranke): Scholz habe sich dank der Gegenwart von Merz „deutlich leidenschaftlicher und klarer als sonst“ präsentiert.
Auch das Springer-Blatt „Welt“ bescheinigte Scholz, in „Hochform“ sowie „schnell und schlagfertig“ gewesen zu sein, auch wenn er die „Versäumnisse seiner Regierungsarbeit“ nicht habe ausgleichen können. Im Rededuell mit Weidel über die Energiepolitik habe Scholz sich sogar von seiner „sarkastischen“ Seite gezeigt.
„Tichys Einblick“-Gastautor Michael Plog schrieb angesichts einer Intervention von Moderatorin Pina Atalay gegenüber Scholz allerdings, dieser habe den Eindruck eines alten, schwachen Mannes erweckt – in der Konfrontation mit Weidel sei er dagegen „komplett auf Kurs Aggro“ gegangen.
Habeck eher „blass“
Robert Habeck wurde von FAZ-Korrespondentin Marlene Grunert als „blass und wenig angriffslustig“ wahrgenommen – „von einzelnen Momenten abgesehen“: Denn nur „vereinzelt“ habe der Grüne Weidel „Paroli“ geboten, sein Abschlusswort sei „vage“ geblieben.
Der „Spiegel“ attestierte Habeck seine fehlende „Angriffslust“ speziell gegenüber Scholz und Merz. Zwiespältig beurteilte die „Welt“ Habecks Definition des Begriffs „Zuversicht“ als „Arbeit an der Hoffnung“: Der Satz sei zwar „nahezu poetisch anmutend“, dafür aber auch „wenig konkret“.
„Tichy“-Gastautor Plog fasste Habecks Auftritt dagegen als „offensives Grübeln, Stammeln und Wohlfühl-Murmeln“ eines Politikers zusammen, der „es offenbar nicht so mit Zahlen und Fakten“ habe. Dazu noch vorgetragen im „manierierten Habitus“.
Merz als „unaufgeregter Problemlöser“
FAZ-Ressortleiter Johannes Pennekamp erkannte im Auftritt von Merz eine „solide“, aber „keine herausragende“ Vorstellung. Gefragt nach J.D. Vance, habe Merz „staatsmännisch-selbstbewusst“ reagiert. Insgesamt sei der CDU-Kandidat ihm als ein „unaufgeregter Problemlöser“ vorgekommen, „der eine wenig streitlustige, seriöse Regierungsarbeit“ verspreche.
Auch der „Spiegel“ beschrieb Merz als den „unauffälligsten Teilnehmer“, der bis zum nächsten Sonntag „einfach aufpassen“ müsse, „keine großen Fehler mehr zu machen“. Mehr Temperament gestand die „Welt“ dem wahrscheinlich nächsten Kanzler zu: Beim Thema Ukraine-Krieg sei Merz gegenüber Weidel geradezu „in Wallung“ geraten.
Weidel: von nervös bis treffsicher
Justus Bender von der FAZ stellte „unter dem Strich“ auch für Weidel „kein schlechtes Ergebnis“ fest: „Sie durfte teilnehmen, dazugehören“. Der „Spiegel“ beschrieb Weidel dagegen in erster Linie zu Beginn der Sendung als „nervös“ und „isoliert“.
„Tichys Einblick“-Gastautor Michael Plog betrachtet Weidel allerdings als die „lachende Vierte“: Trotz ihres schweren Stands in der Runde habe sie Scholz nach dessen Absage an die „extreme Rechte“ und wegen dessen Verweis auf ein älteres Zitat des AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland „sauber in die Schranken“ gewiesen. Zudem sei es Weidel mit ihrer Frage an Merz, mit welchem Koalitionspartner der Christdemokrat seine Pläne überhaupt umsetzen wolle, gelungen, einen „Volltreffer Schiffsmitte“ verpasst.
Borbe: Drei gegen Eine
Der Autor Peter Borbe brachte die von nahezu allen großen Medien geteilte Dramaturgie der Sendung auf den Punkt:
Im Grunde haben wir gestern beim #Quadrell nur ein Duell gesehen: Die zukünftige 3er-Regierungskoalition gegen die Oppositionschefin.“
Am Montagabend können die vier Kanzlerkandidaten in der zweistündigen „Wahlarena“ im Ersten noch einmal ihre Positionen darlegen: Ab 21:15 Uhr sollen sie nacheinander die Fragen eines ausgewählten Publikums beantworten.
Das „Quadrell“ von RTL und „n-tv“ können Sie mitsamt der vorausgegangenen Fragerunde, in der Sahra Wagenknecht (BSW), Gregor Gysi (Linke) und Christian Lindner (FDP) auf den Zahn gefühlt wurde, auf YouTube sehen (Quadrell circa ab 1:44:30 h).
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