Prozess um Loveparade-Tragödie wird nach über einem Jahr womöglich eingestellt
Der Strafprozess um die Loveparade-Tragödie mit 21 Toten könnte ohne Urteil zu Ende gehen: Nach 96 Verhandlungstagen machte das Landgericht Duisburg am Mittwoch in einem Rechtsgespräch mit Prozessbeteiligten deutlich, dass eine Einstellung des Verfahrens vorstellbar sei. Wie Teilnehmer des nicht öffentlichen Gesprächs weiter mitteilten, gab es jedoch zunächst unterschiedliche Auffassungen über mögliche Auflagen für die zehn Angeklagten bei einer Verfahrenseinstellung.
Während die Verteidigung den Angaben zufolge eine Einstellung des Verfahrens ohne Geldauflagen anstrebt, will die Staatsanwaltschaft offenbar entsprechende Auflagen für die Angeklagten in einem künftigen Einstellungsbeschluss verankert wissen. Für eine Einstellung des Verfahrens wäre die Zustimmung von Staatsanwaltschaft und Verteidigung notwendig.
In dem Prozess müssen sich seit Dezember 2017 sechs Bedienstete der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter des Loveparade-Veranstalters verantworten. Die Anklage legt ihnen fahrlässige Tötung beziehungsweise fahrlässige Körperverletzung zur Last. Bei der Loveparade in Duisburg am 24. Juli 2010 hatte es ein verheerendes Gedränge gegeben, in dem 21 Menschen getötet und mehr als 650 verletzt wurden.
An dem mit Spannung erwarteten Rechtsgespräch nahmen nach Angaben eines Sprechers des Duisburger Landgerichts 56 Juristen teil – Richter, Staatsanwälte, Verteidiger und Opferanwälte. Das Ergebnis der Unterredung will das Gericht am Donnerstag bei der Fortsetzung des Prozesses in einem Vermerk zusammenfassen. Bis dahin wollen das Landgericht und die Staatsanwaltschaft zu den Inhalten der Unterredung schweigen.
Vertreter von Verteidigung und Nebenklage äußerten sich hingegen am Mittwoch vor Journalisten im Foyer des Verhandlungssaals in der Düsseldorfer Messe zu den Gesprächsinhalten. Der Opferanwalt Julius Reiter, der insgesamt rund 80 Betroffene der Katastrophe vertritt, knüpfte eine mögliche Verfahrenseinstellung an Bedingungen: Für die Opfer müsse in diesem Fall eine Grundlage geschaffen werden, Schmerzensgeldansprüche unter anderem gegen die Stadt Duisburg und das Land Nordrhein-Westfalen durchzusetzen.
Reiter wandte sich zugleich gegen eine Einstellung des Verfahrens ohne Geldauflagen für die Angeklagten. Ein solches Vorgehen wäre „nicht angemessen“. Nebenklage wie Staatsanwaltschaft seien der Auffassung, dass das Verfahren nicht wegen geringer Schuld der Angeklagten, sondern nur wegen einer sogenannten „mittleren Schuld“ und damit unter Auflagen eingestellt werden könne.
Dagegen machte der Verteidiger Gerd-Ulrich Kapteina am Rande des Rechtsgesprächs vor Journalisten geltend, die Vorwürfe gegen seinen bei der Duisburger Stadtverwaltung beschäftigten Mandanten hätten sich im Loveparade-Prozess nicht bestätigt. Gleichwohl sehe die Verteidigung „den Zeitpunkt gekommen, das Verfahren einzustellen“. Zugleich seien alle Verantwortlichen aufgerufen, Sicherheitslücken wie bei der Duisburger Loveparade vor knapp neun Jahren zu schließen.
Bislang wurden in dem Mammutprozess 58 Zeugen vernommen. Nach dem Rechtsgespräch werden die Anwälte nun mit ihren Mandanten dessen Ergebnis erörtern. Zunächst soll die Beweisaufnahme in dem Verfahren, das aus Platzgründen in einem Kongresszentrum der Düsseldorfer Messe stattfindet, wie geplant fortgesetzt werden. Sollte Einvernehmen über eine Verfahrenseinstellung erzielt werden, dürfte mit einem entsprechenden Beschluss der Duisburger Strafkammer erst in mehreren Wochen zu rechnen sein. (afp)
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