Prozess in Waren: Pöbeleien gegen Drosten auf Campingplatz könnten ungeahndet bleiben
Am Dienstag, 19. März, fand vor dem Amtsgericht Waren ein Verhandlungstermin rund um einen Vorfall statt, der sich im Juni 2022 auf einem Campingplatz bei Wesenberg ereignet hatte. Drei Dauercamper sollen dort in Gegenwart seines damals vierjährigen Sohnes den bekannten Charité-Virologen Christian Drosten beschimpft und bedroht haben.
Angeklagt sind ein Mann im Alter von 49 und zwei Frauen im Alter von 51 Jahren und Mitte 30, die offenbar dem Milieu der Querdenker zuzuordnen sind. Zumindest haben sie sich im Anschluss an den Vorfall offenbar mit ihrem Vorgehen gebrüstet und in einer einschlägigen Telegram-Gruppe Fotos von Drosten veröffentlicht.
Drosten mehrfach belästigt und angepöbelt
Die Anklage lautet jedoch nur auf Beleidigung und teilweise Verleumdung und versuchte Nötigung. Eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Drosten sagte am Dienstag selbst zur Sache aus. Er sei insgesamt dreimal auf dem Campingplatz angepöbelt worden, auf dem er lediglich einmal genächtigt habe.
Die Beschimpfungen, so der Virologe, seien „mit großem Hass gegen seine Person einhergegangen“. Neben Bezeichnungen als „Massenmörder“ und Vorwürfen, Drosten sei „Transhumanist“ und habe „Kinder auf dem Gewissen“, sei er vorwiegend mit einem „Redeschwall aus Fäkalwörtern“ bedacht worden. Er habe sich „bedroht und beleidigt gefühlt“ und nach mehrmaligen Vorfällen die Polizei eingeschaltet.
Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet, hat der Pflichtverteidiger eines der Angeklagten sein Bedauern über den Vorfall geäußert, insbesondere vor dem Hintergrund der Anwesenheit des Kindes. Gleichzeitig habe er jedoch den Verhandlungstermin für den Versuch genutzt, um Drosten unter Rechtfertigungsdruck wegen seiner Rolle in der Corona-Politik zu setzen.
Virologe wegen exponierter Position Zielscheibe des Unmuts
Drosten galt als einer der in der Öffentlichkeit präsentesten Wissenschaftler in der Zeit der Corona-Pandemie. In der Diagnostik des Coronavirus kam ein von ihm mitentwickelter Test zum Einsatz. Drosten äußerte sich regelmäßig in diversen Medienformaten zur Corona-Situation im Land. Beim NDR war er Dauergast in einem teilweise täglichen Podcast. Außerdem beriet er die Politik in Sachverständigengremien und war ab Dezember 2021 Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung.
Kritiker nahmen ihm vor allem eine Ende April 2020 veröffentlichte Studie übel, an der Drosten mitgewirkt hatte. In der als Preprint veröffentlichten Arbeit wurde davon ausgegangen, dass Kinder in gleicher Weise das Coronavirus verbreiten könnten wie Erwachsene.
Diese Aussage hatte dazu geführt, dass mehrfach Schließungen von Kindergärten und Schulen verfügt oder bestehende verlängert wurden. Später stellte sich heraus, dass das von Kindern ausgehende Infektionsrisiko gering war und die Schulschließungen eine folgenschwere Überreaktion darstellten. Drosten selbst betonte, nicht in Entscheidungen wie jene über Ausgangssperren eingebunden gewesen zu sein. Die primäre Rolle bei der medizinischen Beratung der Bundesregierung in der Corona-Zeit habe das Robert Koch-Institut (RKI) innegehabt.
„Tagesspiegel“: Erinnerungen an Zeit der Bitterkeit
Unterdessen könnten die angeklagten Dauercamper möglicherweise ohne Verurteilung davonkommen. Wie bereits am ersten Verhandlungstag deutete Richter Roland Traeger eine mögliche Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit an. Die Sache sei zwar „sicher nicht schön“ gewesen, aber auch nicht als allzu hoch einzustufen.
Der Staatsanwalt erklärte, einem solchen Vorgehen maximal im Fall der jüngeren Frau zuzustimmen. Am 2. April soll es einen sogenannten Schiebetermin zur Fristwahrung geben und am 18. April einen Termin zur Befragung mehrerer Zeugen.
Unterdessen hat Malte Lehming im „Tagesspiegel“ den Prozess als Aufhänger für die Forderung genommen, um die Corona-Politik doch noch politisch aufzuarbeiten. Nicht nur das Verfahren in Waren sei nicht erledigt, sondern „auch die Zeit, aus der der Vorfall stammt“. Diese rufe Erinnerungen wach „an Empörung und Wut, an Einsamkeit und Überlastung, an Verbitterungen und Verleumdungen“.
Es tue Not, sich an diese Zeit zu erinnern, „weil die Wunden, die damals geschlagen wurden, noch längst nicht vernarbt sind“.
„Gesundheit stärker gewichtet als Menschlichkeit“
Insbesondere, so Lehming, sei es erforderlich, die „Rhetorik der Alternativlosigkeit zu bilanzieren“. Eine „Corona-Diktatur“ habe niemand errichten wollen, allerdings sei die Politik „im Panikmodus“ gewesen und habe „zum Paternalismus tendiert“. Durch eine vorschnelle und pauschale Etikettierung von Kritikern habe man diese mundtot gemacht und vielfach eine Radikalisierung gefördert.
Ex-Innenminister Horst Seehofer räume mittlerweile selbst ein, man habe „Entscheidungen getroffen, denen ich heute nicht mehr zustimmen würde“. Die von der FDP geforderte „Enquetekommission Pandemie“ sei ein Schritt, dem sich Grüne, SPD und Union nicht verweigern sollten. Immerhin habe es ähnliche Vorgehensweisen auch schon in Großbritannien, Frankreich oder Italien gegeben.
Dabei habe etwa der Chef des französischen Corona-Rates mit Blick auf die hermetische Isolierung der Altenheime geäußert:
„Wir haben manchmal die Gesundheit stärker gewichtet als die Menschlichkeit.“
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