Prozess gegen NRW-Rape-Gang: Mädchen in den Wald gelockt und mehrfach vergewaltigt

Sie sagten den Mädchen in Essen und Gelsenkirchen, dass sie zusammen was unternehmen würden, in die Shisha-Bar gehen, mit dem Auto herumfahren würden, wie Oberstaatsanwältin Milk ausführte. Doch die Reise endete in waldigen Gegenden des Ruhrgebietes. Brisant: Die meisten der Angeklagten sind Mitglieder von Sinti-Familien und mehrere ihrer Verwandten wurden in einem ähnlichen Fall von Gruppenvergewaltigungen um 1990 verurteilt.
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Symbolbild.Foto: istockphoto/FOTOKITA

Wegen mutmaßlichen Gruppenvergewaltigungen und sexuellen Nötigungen müssen sich seit Freitag, 13. Juli, fünf junge Männer vor dem Landgericht Essen verantworten. Die Angeklagten im Alter  von 17 bis 24 Jahren sollen zwischen August 2016 und dem vergangenen Januar insgesamt sieben Mädchen im Auto an abgelegene Orte gebracht und dort in wechselnder Tatbeteiligung Sexualdelikte begangen haben. Vier der fünf mutmaßlichen Täter sitzen in Untersuchungshaft.

Ausschluss der Öffentlichkeit abgelehnt

Zum Prozessauftakt beantragte die Verteidigung des 17-jährigen Angeklagten den Ausschluss der Öffentlichkeit, wie ein Gerichtssprecher mitteilte. Die Kammer wies diesen Antrag zurück.

Die sieben Opfer waren demnach Mädchen und junge Frauen aus dem Umfeld der mutmaßlichen Täter. Die Staatsanwaltschaft legt den aus Wuppertal, Gelsenkirchen und Essen stammenden Angeklagten Dean Martin L. (18), Joshua E. (20), Gianni H. (19), Enrico F. (24) und dem 17-Jährigen je nach Tatbeteiligung Vergewaltigung, Nötigung und Körperverletzung zur Last.

Erstes Geständnis

Ein Angeklagter hat inzwischen ein Geständnis abgelegt. Er ließ über seinen Verteidiger erklären:

Ich stehe zu meinen Taten und möchte mich in aller Form entschuldigen.“

(Angeklagter, 20)

Darüber hinaus bot er allen betroffenen Schülerinnen ein angemessenes Schmerzensgeld an. Er schäme sich für seine Taten.

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Traumatisierte Mädchen

Die Masche war, dass einer der jungen Männer als Lockvogel fungierte, die Mädchen aus dem Bekanntenkreis besorgte, ihnen Liebesbotschaften per WhatsApp schickte. Dann wurden sie abgeholt. Kurz darauf stiegen die Kumpanen zu und man fuhr an eine entlegene Stelle. Manche von den Mädchen wurden gar mit dem Tod bedroht.

Was diesen Fall so erschreckend mache, sei das gezielte und skrupellose Vorgehen, erklärte Rechtsanwalt Jan Czopka im „Kölner Stadtanzeiger“.

Meine Mandantin ist schwer traumatisiert, sie konnte lange nicht einmal das Haus verlassen. Für die Familie ist nichts mehr so, wie es vorher war.“

(Jan Czopka, Opfer-Anwalt)

Am 29. Dezember 2017 saß die 16-Jährige auf der Rückbank eines Autos in einem Waldstück bei Essen. Die Türen waren verriegelt. Vier junge Männer waren bei ihr. Sie tranken Wodka und Energy-Drings. Ihr Handy musste die Schülerin abgeben. Als sie versuchte, an dieses zu gelangen, boxte ihr einer der Täter in den Bauch. Das Mädchen musste mit allen schlafen. Man drohte ihr, sie sonst „grün und blau“ zu schlagen. Sie weinte, sie flehte die Peiniger an, von ihr abzulassen, klagte über Schmerzen während der Taten. Doch das interessierte die Täter nicht. Einer nach dem anderen vergewaltigte die 16-Jährige im Auto. Dann fuhren sie ihr Opfer nach Hause.

Im Chat der Rape-Gang

Die Jagd nach den Mädchen nannten die Täter in ihrer offenbar eigens für die Taten gegründeten WhatsApp-Gruppen „Scorpions MC 1 %“ und „Spinnen GE“.

Hier stellten sie auch Bilder, Namen und Telefonnummern ihrer potenziellen Opfer ein. Hier tauschten sie sich aus.

Hast Du klar gemacht die Eine. Äh, was Du Bild geschickt hast, heute ist die dran. Schreib die mal. Hast Du die klar gemacht. Mach schon mal klar so für 17/18 Uhr.“

(Chat der Rape-Gang)

In einer Sprachnachricht brüstete sich einer: „Bei mir kommen die Frauen aus mein Auto wieder raus die müssen erstmal Therapie.“ Lachen folgt.

Aufgrund der Auswertung der Protokolle geht die Polizei von weiteren Opfern und weiteren Mittätern aus.

Dem Essener Psychologen Christian Lüdke nach sei es das Ergebnis familiärer Prägung, dass Frauen nur als Objekt wahrgenommen würden.

Fake-Suche mit dem „Correctiv“

Auf der Suche nach sogenannten „Fake-News“ war das „Correctiv“, die Wahrheits-„Experten“ oder „Fake-News-Polizisten“ des Facebook-Unternehmens auch in diesem Fall tätig, den es auf „Rapefugees.net“ sichtete.

Dort wurde behauptet, dass es sich bei der „Lauenburger-Gang“ um einen „Muslimclan“ handele. Man fragte bei der Polizei Essen nach. Die bestätigte zwar, dass sich einer der Männer als Sinti bezeichnet hätte, gab aber an, dass über ethnische Hintergründe der anderen Verdächtigen nichts bekannt sei, ebenso wenig wie über ihre religiöse Zugehörigkeit. Auch hätten sie unterschiedliche Nachnamen. Damit galt im Fazit der muslimische oder familiäre Hintergrund der Täter als widerlegt.

Tatsächlich waren die Täter keine Muslime.

Vom Vater zum Sohne?

Jedoch schreibt der „KStA“: „Zusätzliche Brisanz verleiht dem Fall in einer politisch aufgeladenen Zeit folgender Umstand: Die meisten Angeklagten sind Mitglieder von Sinti-Familien.“ Laut der „Westfälischen Allgemeinen Zeitung“ seien zudem offenbar einige Männer aus den Familien der Tatverdächtigen um 1990 herum wegen ähnlicher Fälle verurteilt worden. Es müsse sich um Väter oder Großväter der heutigen Angeklagten handeln, mutmaßt die „WAZ“. Auch sie hatten Mädchen aus dem Bekanntenkreis in ihren Autos in den Wald gefahren und sie dort vergewaltigt.

Wie die Zeitung „Der Westen“ berichtet, wurden zwei der Angeklagten in der U-Haft in der JVA erwischt, wie sie sich Briefe in einer Sinti-Geheimsprache zuschickten, offenbar, um die Inhalte ihrer Geständnisse abzusprechen. Ein Mitarbeiter fing einen der Briefe ab, in dem es um ein Teilgeständnis ging, um die Hauptschuld auf die anderen drei Angeklagten abzuwälzen.

Erste Opfer schon 2016

Auch hätte eines der früheren potenziellen Opfer in 2016 damit gedroht, der Sinti-Gemeinde über den Vorfall zu berichten, worauf man sie nach Hause brachte. Ein anderes Mädchen aus dieser Zeit sprang aus dem fahrenden Auto und versuchte seinen Vater anzurufen, worauf die Täter anhielten, der Jugendlichen ins Gesicht schlugen und sie zurückließen. Ein weiteres Mädchen entging der Gang nur durch das Versprechen, ihnen eine Schulfreundin zu besorgen. Wie die Anklage informierte, wurde dieses Mädchen laufen gelassen. Dafür wurde noch am Abend ihre Klassenkameradin vergewaltigt.

20 Verhandlungstage geplant

Die Gruppenvergewaltigungen im Ruhrgebiet waren im Februar bekannt geworden. Nach einem tatverdächtigen 18-Jährigen hatte die Polizei damals mit dessen Bild gefahndet. Der zunächst flüchtige 18-jährige Dean Martin Lauenburger aus Gelsenkirchen stellte sich daraufhin der Polizei.

Vermutlich aufgrund des enormen Fahndungsdrucks suchte der 18-Jährige heute Abend (15. Februar) in Begleitung eines Anwalts eine Polizeiwache in Gelsenkirchen auf und stellte sich.“

(Polizei Essen)

Bei dem Kopf der Bande handelt es sich möglicherweise um einen zur Tatzeit 23-Jährigen, der bereits wegen Körperverletzung und Raub vorbestraft ist. Gegen ein zur Tatzeit 16-jähriges Bandenmitglied, wegen Körperverletzung polizeibekannt aber nicht vorbestraft, wurde der Haftbefehl erlassen, aber von der Staatsanwaltschaft wegen seines jugendlichen Alters nicht umgesetzt. Fluchtgefahr bestehe keine, sagte eine Essener Polizeisprecherin Mitte Februar dazu.

Für den Prozess beraumte die Essener Strafkammer zunächst 20 weitere Verhandlungstage bis Mitte November an.



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