Prozess gegen mutmaßlichen BND-„Maulwurf“: Das sagen Angeklagter und Verteidiger

Ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes soll Staatsgeheimnisse über den Ukraine-Krieg an Russland übermittelt haben. Vor dem Berliner Kammergericht wurde er durch den mitangeklagten Geschäftsmann belastet. Sein Verteidiger vergleicht die aktuellen Haftbedingungen für beide Angeklagten mit Folter. Beide sind, nachdem ein Kassiber aufgetaucht sein soll, über den sie innerhalb des Gefängnisses kommuniziert haben sollen, seit Ende November in Einzelhaft isoliert.
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Der Prozessauftakt im Fall der mutmaßlichen BND-Spione Carsten L. und Arthur E., Berlin, 12. Dezember 2023 (Archivbild).Foto: Odd Andersen/Pool/AFP via Getty Images
Von 16. Januar 2024

Im Prozess gegen einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendiensts wegen mutmaßlicher Russland-Spionage hat der mitangeklagte Geschäftsmann nun auch vor dem Berliner Kammergericht ausgesagt.

Der 32-jährige Artur E. wiederholte vor dem Berliner Kammergericht, dass er für den BND-Mitarbeiter Carsten L. (53) Informationen des Bundesnachrichtendiensts nach Moskau transportiert und übergeben habe. Im Gegenzug brachte E. nach eigenen Angaben „Umschläge“ mit. E. wirkte während seiner Aussagen unruhig. Er hielt sich am Tisch fest und wackelte mit den Beinen.

Allerdings werfen die Aussagen von E. Fragen auf und es fehlen wichtige Details. Eine Befragung durch die Verteidiger des mitangeklagten BND-Mitarbeiters L. lehnt der Geschäftsmann E., der auch in Afrika tätig ist, ab.

Durch Partnergeheimdienste hat es nach Medienberichten bereits seit Längerem Hinweise auf einen Maulwurf innerhalb des BND gegeben. L. sei dabei auch in Verdacht geraten, aber man habe bei Untersuchungen nichts gefunden. Nachdem E. dann gegenüber den Behörden ausgesagt und L. belastet habe, erfolgte die Festnahme von beiden.

Sitzungsteilnehmer werden auf Abhöreinrichtungen untersucht

Die beiden Angeklagten stehen seit Dezember vor dem für Staatsschutzsachen zuständigen 6. Strafsenat des Kammergerichts Berlin unter Vorsitz von Richter Detlev Schmidt. Aufgrund von Fluchtgefahr findet die Verhandlung in einem besonders gesicherten Sitzungssaal statt.

Die Angeklagten sitzen in einem Glaskasten. Es wurde besondere Vorkehrung gegen das Abhören getroffen. Alle Teilnehmer der Sitzung werden auf versteckte Abhöreinrichtungen am Körper untersucht. Die Anklageschrift wurde nur teilweise öffentlich verlesen.

BND-Mitarbeiter Carsten L. soll laut Anklage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022 Informationen, die er im Zuge seiner Arbeit beim BND erlangt hat, über den Mitangeklagten E. an den russischen Geheimdienst FSB übermittelt haben.

Angeklagte sollen „Agentenlohn“ bekommen haben

Bei den ausspionierten Informationen handelt es sich nach Angaben der Bundesanwaltschaft um ein Staatsgeheimnis im Sinne des Strafgesetzbuchs.

Laut dem „Spiegel“ gehe es dabei auch um Material, das der BND durch das Abhören der Kommunikation der russischen Söldnertruppe Wagner erlangte.

Denn durch L. sollen die Wagner-Kommandeure erfahren haben, dass ihr interner Nachrichtendienst von westlichen Geheimdiensten gehackt worden war. Das soll zur Verlegung der Kommunikation in ein anderes Forum und somit zum Verlust einer Informationsquelle mit „herausragender Bedeutung“ geführt haben.

Den beiden Angeklagten wird Landesverrat vorgeworfen. Sie sollen laut Anklage einen „Agentenlohn“ von 450.000 Euro beziehungsweise 400.000 Euro bekommen haben. Beide sind deutsche Staatsbürger und sitzen seit ihrer Festnahme in Untersuchungshaft in Berlin Moabit.

E. wollte V-Mann des BND werden

Anders als Carsten L. – der jede Aussage verweigert – hat der Geschäftsmann E. schon vor Ermittlern von FBI, CIA, BKA und Staatsanwälten des Bundesgerichtshofs ausgesagt. Bei seiner Erklärung am Mittwoch, 10. Januar beschrieb er, wie er L. auf einem Sportplatz in Bayern kennengelernt und sich mit ihm angefreundet habe. Ursprünglich ging es nach Aussage des Angeklagten darum, einem russischen Geschäftsmann einen Aufenthaltstitel in Deutschland zu verschaffen und einzelne russische Geschäftsleute von der EU-Sanktionsliste herunterzubekommen.

E. wollte nach eigenen Angaben V-Mann des BND werden und erhoffte sich angeblich dafür Unterstützung von L. Auch ging es um Geschäfte und Einfluss in Afrika. Laut E. war die russische Seite daran interessiert zu erfahren, welche westlichen Nationen in der Ukraine aktiv sind und was für Waffensysteme dort eingesetzt würden.

Der Angeklagte E. bestätigte vor Gericht, dass er mehrmals nach Moskau gereist sei und Dokumente an mutmaßliche Geheimdienstmitarbeiter übergeben habe.

Arthur E. sagte aus, dass er Ende 2022 privat in die USA nach Miami flog. Dort wurde er vom FBI und CIA aufgehalten und vernommen. „Ich wurde mehr oder weniger unter Druck gesetzt von denen“, erklärte er knapp. Im Januar 2023 flog er dann in Begleitung von FBI-Agenten zurück nach Deutschland. Am Flughafen empfing ihn das Bundeskriminalamt und nahm ihn fest.

Verteidiger erhebt Vorwürfe

Einer der beiden Verteidiger von L. der Berliner „taz“-Rechtsanwalt Johannes Eisenberg erhebt im Gespräch mit Epoch Times Vorwürfe gegenüber dem Strafsenat und der Bundesanwaltschaft. „Ich beanstande die Art und Weise, wie das Verfahren geführt wird.“

Das Verfahren ist seit 10. Oktober eröffnet. Zu dem Zeitpunkt habe das Gericht gesagt, es halte die Sache für entscheidungsreif, so Eisenberg weiter. Seitdem würden jedoch „ständig“ neue Ermittlungsergebnisse auftauchen, die das Ermittlungsergebnis nicht verfestigen würden.

Für ihn sei auch jetzt nicht zu erkennen, dass sein Mandant Landesverrat begangen habe. „Nach den heutigen Aussagen des Mitangeklagten E. muss man davon ausgehen, dass er Listen übergeben hat, von denen seine [russischen] Gesprächspartner gesagt haben, dass sie völlig uninteressant sind.“

Tatsächlich erklärte E. heute in seiner Einlassung, dass er den vermeintlichen russischen Geheimdienstmitarbeitern auch „öffentlich zugängliche Informationen“ aus dem Internet über Waffensysteme ausgehändigt habe, nachdem er von ihnen einen Fragenkatalog bekommen habe.

„Beweislage ausgesprochen dünn“

Eisenberg erklärt gegenüber Epoch Times, dass aus den Ermittlungsergebnissen nicht hervorgehe, wer angebliches Verratsmaterial in Russland gefunden habe, das an den BND weitergegeben worden sein soll. „Denn das wird uns nicht gesagt.“ Es hieße immer nur, dass es irgendeinen Partnergeheimdienst gebe, der so was behaupte. Eine belastbare Quelle, mit der man so einen Beweis führen könne, gebe es seines Wissens allerdings nicht.

Er sieht durch die heutige Stellungnahme des Mitangeklagten E. „sehr viele“ Fragen aufgeworfen, die offensichtlich nicht beantwortbar seien. „Deswegen glaube ich, dass die Beweislage nach wie vor ausgesprochen dünn ist.“

Er hält offen, ob es durch seinen Mandanten L. überhaupt eine Stellungnahme in dem Fall geben wird. „Warum sollte er eine Erklärung abgeben?“ Es gebe doch das gute Recht seines Angeklagten, nichts zu sagen. Er habe den Eindruck, gegen seinen Mandanten würde seitens der Staatsanwaltschaft eine Ranküne, also eine heimliche Feindschaft, geführt.

Verteidiger vergleicht Haftbedingungen mit Folter

Eisenberg kritisierte die Haftbedingungen seines Mandanten, aber auch des Mitangeklagten E., und setzte sie mit Folter gleich.

Beide sind seit Ende November in Einzelhaft isoliert. Zuvor tauchte ein Kassiber, ein heimliches Schreiben, auf, das L. als Urheber zugeschrieben wird und über das beide unter Mithilfe von anderen Gefangenen kommuniziert haben sollen.

Nach den Aussagen von Eisenberg stamme jedoch der Kassiber nicht von L.

„Das ist eine absolut unangemessene, lang andauernde Einzelhaft.“ Sie wirke zerstörerisch auf L., da er durch sie keine menschliche Interaktion habe. „Spätestens“ nach der Aussage von E. vor Gericht hält er die Einzelhaft für überflüssig.

23 Stunden allein in einer Zelle und in der einen Stunde im Freien im ‚Hasenstall‘ hat er auch keinen Gesprächspartner.“

Besuche zweimal alle zwei Wochen möglich

„Hasenstall“ sei eine interne Bezeichnung für einen rund 80 Quadratmeter großen eingezäunten und teils gepflasterten Bereich in der Haftanstalt Moabit, in dem man sich unter Aufsicht im Freien bewegen kann, erläutert Eisenberg im Gericht.

Die Mahlzeiten bekomme sein Mandant vor die Zellentür gestellt. Besuchsrecht habe er zweimal alle zwei Wochen – mit Trennscheibe und Sonderbewachung. Einmal die Woche gebe es die Möglichkeit, für zehn Minuten ein mitgehörtes Telefonat zu führen.

Der Fall ist komplex. Verhandlungstage sind bis zum Sommer festgelegt. Das Gericht stellte erste Nachfragen an E. Die Befragung soll nun in den nächsten Verhandlungstagen fortgesetzt werden.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



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