Protokolle des Corona-Expertenrates: Regierung hat Angst, Peking zu verärgern
In der Streitsache um die Entschwärzung der 33 Protokolle des Corona-Expertenrates vor dem Berliner Verwaltungsgericht ist es am Montag, 13. Mai, zu keiner Entscheidung gekommen.
Aber der Vorsitzende Richter James Bews zeigte eine Tendenz auf, in die sein Urteil gehen könnte. So könnten die Aussagen weiter geschwärzt bleiben, mit denen das Bundeskanzleramt die Beziehungen zu China schützen will.
Bei der namentlichen Zuordnung der Experten zu den einzelnen Stellungnahmen hat der Richter allerdings an die Beklagtenseite, die Bundesrepublik Deutschland mit ihren vier Anwälten gerichtet, dass sie ein Drittbeteiligungsverfahren anstrengen sollten. Bei diesem Verfahren werden die Experten gefragt, ob ihr Name neben ihrer Stellungnahme veröffentlicht werden darf.
Allerdings kündigte der Richter auch an, dass bei Verweigerung der Entschwärzung des Namens trotzdem das Informationsbedürfnis höher durch das Gericht bewertet werden könnte als der Schutz personenbezogener Daten. Somit könnte auch hier eine Entschwärzung in Betracht kommen.
Regierung will Pharmahersteller schützen
Im dritten Schwärzungsbereich geht es um Pharmahersteller, Pharmapräparate (Medikamente oder Impfstoffe) und Bezugsquellen von Medikamenten gegen SARS-CoV-2. Dort sieht der Richter keine Gründe, diese nicht entschwärzen zu lassen.
Hier argumentierten die Vertreter des Kanzleramts, dass bei einer neuen Pandemie der Bund erneut zur Besorgung von Medikamenten gezwungen sein könnte und er durch die Veröffentlichung von Aussagen zur Wirksamkeit von Coronavirus-Pharmazeutika dann mit Preisaufschlägen rechnen müsse.
Der Richter zeigte sich nicht überzeugt von dieser Argumentation. Er sieht keine Anzeichen für eine Notwendigkeit zur zentralen Beschaffung durch den Bund.
Man könne weder sagen, ob es in der Zukunft einen Bedarf an Medikamenten gebe und ob dann die genannten Medikamente überhaupt noch relevant seien, weil die wissenschaftliche Entwicklung nicht abzusehen sei.
Kanzleramt fürchtet Verschlechterung der Beziehung zu China
Das Kanzleramt hat in dem Protokoll Stellen geschwärzt, die Aussagen von Experten enthalten, wo diese die Maßnahmen und die Strategie des chinesischen Regimes zur Bekämpfung der Corona-Pandemie einschätzen und bewerten. „Es geht dabei um Informationsweitergabe von chinesischer Seite und die wird bewertet“, so die Verteidiger.
Dabei ging es aber auch um den Ursprung des Coronavirus. Das Kanzleramt argumentierte in dem Verfahren damit, dass die Grundsätze der bilateralen Beziehung zwischen Deutschland und China mannigfaltig seien. China sei Partner, ein Wettbewerber, aber auch systemischer Rivale. Alle globalen Herausforderungen seien nur mit China bewältigbar.
„Unsere Strategie ist daher, in der Kommunikation mit China sehr bedacht zu sein.“ Die Beziehung sollte nicht belastet werden, so die Vertreter vor Gericht. Die Schwärzung enthalte eine Bewertung, deren Bekanntwerden die Beziehung zu China schädigen könnte.
„Wir gehen davon aus, dass die chinesische Seite die Aussage, obwohl sie von einem Gutachter getroffen wurde, als Aussage einer offiziell eingesetzten Person wahrnimmt.“ Auch sei die Bundesrepublik die Stelle, die diese Information herausgeben würde.
Die Klägerseite in Person des Rechtsanwalts Patrick Heinemann von der Kanzlei Bender Harrer Krevet zeigt sich über diese Argumentation verwundert. Er vertritt den Frankfurter Allgemeinmediziner Christian Haffner vor Gericht.
Die Bewertungen eines diktatorischen Systems können nicht den Maßstab bilden, um nach dem Informationsfreiheitsgesetz Auskunft zu erhalten, sagte er vor Gericht.
„Gefahr muss nicht rein körperlich sein“
Als Begründung für die Schwärzung von personenbezogenen Daten der Experten argumentierten die Anwälte des Kanzleramts, dass es, wenn man die Stellungnahmen den Gutachtern zuordnen kann, zu Bedrohungen gegenüber diesen kommen könnte. Mit den Schwärzungen wolle man diese Personen schützen.
Auch zeigten die E-Mail-Postfächer mancher Experten, dass die Gefahr nicht abstrakt sei. „Gefahr muss nicht rein körperlich sein, sondern kann auch psychisch sein“, so die Verteidiger.
Auf die Frage des Richters, ob man die Experten gefragt habe, ob sie einer Veröffentlichung ihrer Namen zu ihrer Stellungnahme zustimmen würden, erklärte die Beklagtenseite, dass man dies nicht getan habe.
Die Klägerseite argumentiert dagegen, dass jeder der Teilnehmer als Experte davon ausgehen müsse, dass die Äußerung von Gutachtern in einer Anhörung oder Expertensitzung auch an Dritte weitergegeben werden können. Zudem sehe man die Aussagen als persönliche Stellungnahme der Personen und nicht der Regierung. Auch ginge es nicht um eine konkrete Gefahr, sondern eine rein abstrakte.
Die Beklagtenseite hingegen erklärt, dass die Experten davon ausgingen, dass der Expertenrat ein geschützter Raum sei und einzig eine gemeinsam abgestimmte Stellungnahme an die Öffentlichkeit ginge. „Sonst hätten sie womöglich nicht daran teilgenommen.“
Schon jetzt gebe es Anfeindungen zu entschwärzten Aussagen, wie man am Beispiel von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bereits sehen könne. Der Richter erwähnte Anfeindungen gehen den Virologen Christian Drosten.
Die Klägerseite argumentiert dagegen, dass die Regierung wissenschaftliche Expertise mit dem Expertenrat anzapfen wollte. In der Wissenschaft sei es üblich, dass man mit seinem Namen für die eigene Aussage stehe. Das sei wissenschaftlicher Standard. Sein Mandant sei Mediziner, so Anwalt Heinemann. Dadurch, dass man wisse, wer Aussagen getroffen habe, werden diese Aussagen überhaupt erst diskutabel und Kritik kann adressiert werden.
Der Anwalt Haffners liest dann eine E-Mail des Virologen Hendrik Streeck vor, der Mitglied im Corona-Expertenrat war. Er schrieb, er habe kein Problem damit, dass sein Name entschwärzt würde. Er sei bis jetzt dazu jedoch nicht gefragt worden.
Komplette Entschwärzung ist weiter das Ziel
Haffners Anwalt zeigt sich nach der Verhandlung abwartend. Man müsse sehen, ob das Kanzleramt selbst Rechtsmittel einlege.
Welche Rechtsmittel das sein werden, würde auch davon abhängen, ob das Gericht die Berufung selbst zulasse oder ob man einen Berufungszulassungsantrag des Antrags selbst stellen müsse. „Herr Dr. Haffner schließt das grundsätzlich nicht aus.“
Ob er diesen Schritt gehen werde, würde auch maßgeblich davon abhängen, was letztlich im Urteil stehe. „Und darüber kann man heute nur spekulieren.“
Mit dem Urteil ist in den nächsten Tagen zu rechnen. Dies wird dann schriftlich an den Kläger und den Beklagten geschickt. Erst dann möchte die Klägerseite Stellung nehmen, wie es weitergehe. Ziel seines Mandanten sei weiterhin die komplette Entschwärzung der Protokolle.
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