Programm „Demokratie leben“: Krach unter Förderungsempfängern nach „Islamismus“-Vorwurf
Bereits seit 2013 gibt es in Berlin das Projekt „InterkulTOUR“. Es organisiert sogenannte interkulturelle und interreligiöse Stadtspaziergänge. Meist fanden diese bislang in Pankow statt. Schon mehrfach hatte das Berliner „Forum der Religionen“ das Projekt für Schulklassen organisiert. Und auch in diesem Jahr hat es den Auftrag dazu im Rahmen der „Partnerschaft für Demokratie“ (PfD) erhalten. Dass es nun auch als Träger Förderung unter dem Banner des Programms „Demokratie leben“ erhalten möchte, stößt anderen Begünstigten sauer auf, namentlich den Demokratielotsen von Nina Coenen.
Fördert „Demokratie leben“ Projekte mit „Verbindungen zu islamistischen Milieus“?
Die Gesellschaft für Wertedialog und interkulturelle Bildung, wie sich der Verein noch nennt, nimmt insbesondere daran Anstoß, dass Steuergeld an das „Forum der Religionen“ fließen soll. Das Projekt soll Mittel aus dem 2014 von der damaligen Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig ins Leben gerufene Programm erhalten. Diesem stehen im laufenden Jahr 182 Millionen Euro zu.
Coenen, die gemeinsam mit dem gebürtigen Syrer Sami Alkomi die Demokratielotsen leitet, sieht sich bezüglich der Entscheidung in der PfD ausgebootet. Das Forum der Religionen, so äußert sie gegenüber der „Welt“, habe den Zuschlag erhalten, weil sie krankheitsbedingt ein Koordinierungstreffen verpasst habe.
Andernfalls hätte sie ihre Einwände gegen den Verein vorgebracht, der, so Coenen, „Verbindungen zu islamistischen Milieus“ habe. Diese ergäben sich über den „Koordinierungskreis“ des Forums. Explizit nennt sie dabei den Namen des Leiters des Vereins Neuköllner Begegnungsstätte (NBS), Mohamed Taha Sabri.
Verfassungsschutz darf NBS vorerst nicht mehr im Kontext von „Islamismus“ erwähnen
Tatsächlich war der Name dreimal in Berliner Verfassungsschutzberichten im Kontext der Muslimbruderschaft zu lesen. Mittlerweile ist dies nicht mehr der Fall, seit Sabri erfolgreich dagegen geklagt hat. Der Inlandsgeheimdienst dürfe die NBS nicht mehr erwähnen, solange er keine belastbaren Erkenntnisse über die behauptete Rolle in der radikalen Vereinigung habe.
Die NBS betreibt im Berliner Brennpunktviertel die „Dar-as-Salam“-Moschee. Wie selbst Gegner Sabri zugestehen, sei dieser eine moderate Stimme, die häufig vor Antisemitismus, Frauenhass oder Homophobie warne. Auch im Kontext des Massakers der Hamas in israelischen Grenzregionen am 7. Oktober und des darauffolgenden Antiterrorkriegs in Gaza forderte er von den Gläubigen „Vernunft und reduzierte Emotionen“.
Dennoch hatten in der Moschee und vor der Jugendorganisation der NBS bereits Prediger gesprochen, die als antisemitisch oder religiös-extremistisch gelten. Sabri soll außerdem Kontakte zu Personen aus der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) haben, die den Muslimbrüdern zugerechnet wird.
Es geht um 6.000 Euro von „Demokratie leben“
Faktisch wäre es für jemanden in der Position von Sabri allerdings eine erhebliche Herausforderung, solchen Kräften vollständig aus dem Weg zu gehen. In seiner Moschee beten regelmäßig knapp 1.000 Gläubige aus der palästinensischen Gemeinde. Zudem hat die NBS auch zahlreiche Geflüchtete aus Syrien integriert.
Nun soll das Forum der Religionen etwa 6.000 Euro an Fördermitteln aus dem Anti-Extremismus-Förderprogramm von „Demokratie leben“ erhalten. Dies habe ein sogenanntes Projekteplenum am 29. Februar beschlossen. Dieses hatte im Auftrag der Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch die „Koordinierungsstelle“ namens „Moskito“ einberufen – ein „Verein gegen Rechtsextremismus, für Demokratie und Vielfalt“. Es gab allerdings auch Jahre, in denen sechsstellige Summen an Projekte geflossen seien.
Koch misst der „InterkulTOUR“ angesichts der „aktuellen, religiös aufgeladenen Konfliktlage“ auch in Berlin die Chance zu, „etwas zum gesellschaftlichen Frieden in Pankow beizutragen“. Die von Coenen und den Demokratielotsen mehrfach vorgebrachten Einwände ließ sie nicht gelten. Gegenüber der „Welt“ erklärte die Grünen-Politikerin, kein Antrag werde „schon deshalb“ abgelehnt, „weil ein, zwei Personen im Hintergrund mal auffällig geworden sind – bei keiner Form des Extremismus“.
„Islamismus“-Vorwurf mit Widersprüchen
Die Vorwürfe gegen das „Forum der Religionen“ wirken indessen konstruiert. Zum Teil erscheinen sie auch widersprüchlich mit Blick auf die Bandbreite der interreligiösen Initiativen. Die Ahmadiyya-Gemeinde, die ihre Verbundenheit mit Deutschland und ihre Staatsloyalität auch nach außen hin erkennen lässt, gilt unter strengen Muslimen als „abtrünnig“. In Pakistan ist sie massiven Repressionen ausgesetzt.
Es erscheint wenig wahrscheinlich, dass ein konstruktives Zusammenwirken mit Mohamed Taha Sabri von der NBS innerhalb der Initiative längerfristig funktionieren würde, wenn sich dieser den Vorstellungen der Muslimbruderschaft verpflichtet sähe. Beide Organisationen sind Mitglieder des Koordinierungskreises des „Forums der Religionen“. Mit ihnen versammelt sind dort Vertreter christlicher Gemeinschaften, aber auch hinduistischer, Bahá’í- und sogar paganer Gemeinden.
Vonseiten der jüdischen Gemeinde arbeitet Esther Hirsch im Koordinierungskreis mit. Sie ist eine von drei theologischen Referentinnen im House of One und Kantorin in der Synagoge Sukkat Schalom. Insgesamt gehörten mit Stand Ende November des Vorjahres 24 Personen dem Koordinationskreis an. Fünf davon können dem Islam zugerechnet werden, wenn man Ahmadiyya, die „Universelle Sufi-Bewegung“, einen Vertreter des „House of One“, mitrechnet, was Muslimbrüder nicht tun würden. Die sunnitische Lehrerin Fereshta Ludin vertritt keine Religionsgemeinschaft, sondern den „Initiativkreis Dialog der Religionen für Kinder und Jugendliche“.
Dass „Islamisten“ über Fördermittel zugunsten des „Forums der Religionen“ Zugang zu Geldmitteln aus dem Programm „Demokratie leben“ erhalten würden, ist somit wenig wahrscheinlich. Allerdings ist auch das Forum selbst nicht vor Fehlgriffen gefeit. So musste die Vereinigung die Konsequenzen ziehen, nachdem eine Diversity-Trainerin, die für sie gearbeitet hatte, durch antisemitische Instagram-Beiträge aufgefallen war.
Zielpublikum für Projekte wie Demokratielotsen begrenzt
Nicht in allen Einwanderercommunitys stoßen liberal ausgerichtete Vereine wie Demokratielotsen auf Zuspruch. Zwar wirken in ihnen selbst Personen mit Migrationsgeschichte mit. Auch erscheint, wie die Inhalte ihres Facebook-Accounts nahelegen, ihre Herangehensweise empathischer und weniger konfrontativ zu sein als jene aus Medien bekannter „Islamkritiker“ von Ahmad Mansour bis Necla Kelek.
Konservativere, aber grundsätzlich interkulturell und interreligiös ausgerichtete Initiativen wie das „House of One“ oder das „Forum der Religionen“ können einen erheblichen Teil des Einwanderermilieus erreichen. Ob konstruierte „Islamismus“-Vorwürfe Wesentliches daran ändern, ist fraglich.
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