Niedersachsen entlässt wegen Coronavirus-Pandemie Häftlinge aus Abschiebehaft

Niedersachsen sieht geringe Chancen, aufgrund der Coronavirus-Pandemie Abschiebung in der vorgeschriebenen Drei-Wochen-Frist umzusetzen. Daher entlässt das Land Abschiebehäftlinge und hofft auf deren selbstständige Ausreise.
Titelbild
Polizisten bringen einen jungen Mann aus Afghanistan zur Abschiebung zum Frankfurter Flughafen (Archivbild).Foto: Boris Roessler/dpa
Epoch Times20. März 2020

Für viele Menschen in Deutschland gibt es durch den Coronavirus zahlreiche Einschränkungen bei den gewohnten Freiheiten. Mehrere Abschiebehäftlinge der Justizvollzugsanstalt Langenhagen (Niedersachsen) können sich jedoch über mehr Freiheiten freuen. Da die Einhaltung der Auflagen aufgrund des Coronavirus durch die deutschen Behörden schwer umzusetzen sind wurden sechs Abschiebehäftlinge entlassen. Das verkündete der Niedersächsische Flüchtlingsrat und forderte die anderen Bundesländer auf, Niedersachsens Beispiel zu folgen.

Die betreffende Gruppe von sechs Männern bestehend aus vier Albanern, einem Serben und einem Gambier erhielten teilweise Tickets und müssen binnen zwei Wochen selbstständig in ihr Heimatland zurückkehren. Sollte die Polizei sie nach den zwei Wochen noch in Deutschland antreffen werden sie wieder inhaftiert.

Die Albaner und Serben sollen freiwillig ausreisen, der Gambier hingegen soll einer Flüchtlingsunterkunft zugeteilt worden sein, schreibt die „Bild“-Zeitung.

Hintergrund ist, dass in der Regel die Bundesländer drei Wochen Zeit haben, um die Häftlinge abzuschieben. Dies erklärte Matthias Bormann Leiter der Justizvollzugsanstalt Hannover (JVA) gegenüber der „Bild“. Weil man aber nicht genau wisse, wie lange die Corona-Pandemie-Beschränkungen beibehalten werden, würden die Haftbefehle von Richtern dann wohl aufgehoben werden.

Denn aktuell gibt es durch die Pandemie wenig Flugverbindungen, dafür bestehen aber in vielen Ländern Einreisestopps. Zudem dürften deutsche Beamte, die die Abschiebehäftlinge normalerweise begleiten, nicht mehr einreisen. Auch Rückführungen innerhalb der EU (nach dem Dublin-Abkommen), zum Beispiel nach Italien, sind praktisch unmöglich. Es sei denn, es könne ein negativer Corona-Test vom Abzuschiebenden nachgewiesen werden, so Bormann.

Pro Asyl fordert Aufschub der Abschiebungen

Die Menschenrechtsorganisation „Pro Asyl“ hatte einen Tag zuvor (19.3.) ein Moratorium für Abschiebungen und die Ablehnung von Asylanträgen von Flüchtlingen und Migranten gefordert. „Pro Asyl“ wies am Donnerstag in Berlin darauf hin, dass wegen der Corona-Krise ein effektiver Rechtsschutz für die Betroffenen nicht mehr gegeben sei. Beratungsstellen und auch viele Anwaltskanzleien wären bereits geschlossen.

Betroffene seien in dieser Situation nicht in der Lage, von ihrem individuellen Recht Gebrauch zu machen und wirksam gegen behördliche Entscheidungen vorzugehen, argumentierte die Organisation. Daher sollten auch alle Menschen entlassen werden, die sich derzeit in Abschiebehaft befinden.

Unterstützt wird die Forderung von zahlreichen weiteren Organisationen. In einem offenen Brief verlangten „Pro Asyl“ sowie „medico international“, das Komitee für Grundrechte und Demokratie, die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche und das „Ökumenischen Netzwerk Asyl“ in der Kirche NRW ebenfalls einen Abschiebestopp. Verwiesen wurde dabei auch darauf, dass Abschiebungen das Risiko der Verbreitung des neuartigen Coronavirus erhöhten.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) änderte bereits ihre Arbeitsabläufe aufgrund der Coronavirus-Pandemie. Asylanträge können vorerst in der Regel nur noch schriftlich gestellt werden. „Diese Maßnahmen wurden zum Schutz aller Beteiligten und zur Unterbrechung der Ansteckungskette ergriffen“, heißt es darin. Antragssteller erhielten auf „dieser Grundlage eine Aufenthaltsgestattung“.

Die eigentlich vorgesehenen persönlichen Anhörungen würden auf die Zeit nach der Corona-Pandemie verschoben, berichtete die „Welt“. Das gilt allerdings nicht für Asylbewerber, bei denen ein Sicherheitsrisiko bestünde.

Riexinger: Überfüllte Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln sollen evakuiert werden

Ebenfalls mit Blick auf die Corona-Krise drängte Linken-Parteichef Bernd Riexinger darauf, die überfüllten Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln zu evakuieren. Er warnte vor einer „kaum auszumalenden Katastrophe“, sollte sich das Virus dort verbreiten. Zudem stünden in Deutschland Aufnahmekapazitäten zur Verfügung.

„Gerade in diesen Zeiten muss alles Menschenmögliche getan werden, um den besonders schutzbedürftigen und gefährdeten Menschen zu helfen“, erklärte mit Blick auf die griechischen Camps Anja Sportelli von der Organisation „Seebrücke“.

Da es in den Camps keine Möglichkeiten der Quarantäne gebe, seien die Lager für die Flüchtlinge nicht nur menschenunwürdig, sondern auch lebensgefährlich.

Bundespolitikerin fordert Notfallpläne für griechische Asyllager

Die Vorsitzende des Bundestags-Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Gyde Jensen (FDP), rief Bundesregierung und EU auf, Notfallpläne für den Fall eines Corona-Ausbruchs in griechischen Flüchtlingslagern vorzubereiten. „Die in diesen Zeiten notwendige Großzügigkeit des Staates darf nicht an unserer Landesgrenze enden“. Dies sagte sie den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“.

Die „Seebrücke“ kritisierte zudem die Aussetzung der Resettlement-Programme für Flüchtlinge durch die Bundesregierung. „Humanitäre Korridore müssen offen bleiben“, verlangte Sportelli. Die Regierung hatte ihre Entscheidung mit logistischen Problemen begründet. „Grundrechte und Humanität dürfen nicht ausgesetzt werden“, erklärte dazu auch die Linken-Politikerin Ulla Jelpke. (afp/dts/er)



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