Pressestimmen zu Würzburg: „Terror und Amoklauf nicht immer zu trennen“
Der Gewaltexzess von Würzburg vom Freitagnachmittag (25.6.) hat auch in den heimischen Medien ein breites Echo gefunden. Im Mittelpunkt von Hintergrundberichten und Analysen standen Fragen wie jene, warum eine polizeibekannte Person, die schon einmal im Kontext erheblicher Gewaltbereitschaft psychiatrisch behandelt worden war, nicht gestoppt werden konnte. Andere beschäftigten sich mit der Frage, inwieweit persönlicher Wahn und inwieweit politische Motive hinter der Tat standen.
Der „Focus“ befasst sich mit der Frage, warum eine offenbar tickende Zeitbombe wie der 24-Jährige aus der Psychiatrie freikommen konnte. Die Ärzte, so das Blatt, hätte keine Wahl gehabt, als ihn gehen zu lassen, weil sie keine ausreichenden akuten Gefahrenmomente für ein Unterbringungsverfahren erkennen konnten. Sie hätten dem späteren Messerstecher zwar den Rat gegeben, die stationäre Behandlung weiterzuführen – dieser habe sich jedoch darüber hinweggesetzt.
„Nach dem brutalen Attentat fragen sich viele Menschen: Warum kann ein offenbar psychisch gestörter Mann frei herumlaufen und eine solche Bluttat begehen? Warum wurde er nicht in der Klinik festhalten? Die Antwort ist sehr simpel: Weil es das Gesetz nicht zulässt.“
Taz: „Allahu akbar“ ist Indiz, aber kein Beweis
Die „taz“ weist monokausale Erklärungsversuche für die Tat zurück, die auf den religiösen oder kulturellen Hintergrund des Somaliers zielen. Allerdings warnt sie auch davor, psychische Probleme als alleinige Erklärung anzusehen. Dies wäre beim Amokläufer von Hanau auch nicht ausreichend gewesen:
„Und auch wenn ein Passant den Ruf ‚Allahu Akbar‘ gehört haben will: Ein Beweis ist das nicht, nur ein Indiz. Es gibt anderseits eine Tendenz, solche Anschläge kleinreden zu wollen, weil man so vermeiden möchte, Rechtsradikalen und Populisten Futter für ihre rassistischen Vorstellungen zu liefern. Auch das ist falsch, es nährt nur die Mär von der gleichgeschalteten Öffentlichkeit. […] Psychische Probleme als alleinige Ursache heranzuziehen, ist eine Vereinfachung, die der Bedrohung nicht gerecht wird. Denn so betrachtet wären auch alle Antisemiten ein Fall für betreutes Wohnen im Heim anstatt für den Staatsanwalt. Schließlich ist Judenhass auch eine irrationale Vorstellung.“
Heise.de: Terror und Amoklauf auch bei politischem Kontext nicht immer zu trennen
Auch „heise.de“ gibt zu bedenken, dass Taten mit politischem Motiv nicht immer exakt von Amok zu trennen seien. Die bevorzugte Zielgruppe einer solchen Attacke hänge von den subjektiven Erfahrungen des Täters und dem jeweiligen Objekt des Hasses ab. Bei Robert S. in Erfurt seien es die Lehrer gewesen, in Winnenden frühere Mitschüler, in Würzburg sei es eine „trübe Melange aus Frauenhass und islamistischen Motiven“, die man vermuten könne.
Islamistische oder extremistische Parolen von links und rechts seien im Kontext solcher Taten jedoch vor allem „Chiffren, um einen namen- und subjektlosen Hass einen Namen und eine Adresse zu geben“. Leben in einer fremden Stadt bewirke den Verlust der sozialen Kontrolle und Beschränkungen durch die soziale Kontrolle und die Regeln von Familie, Religion oder Dorfgemeinschaft. Das könne eine Befreiung sein, für denjenigen, der die neu gewonnene Freiheit als nicht erfüllend erlebe, könne sich diese jedoch als Danaergeschenk erweisen – und einen umso heftigeren Rückzug in Religion und kulturelle Verhaltensmuster bewirken:
„Im Extremfall attackieren sie in ihren Namen eine Umwelt, die sie zurückgewiesen hat und die sie als bedrohlich erleben. Das entschuldigt nichts, liefert aber vielleicht einen Ansatz, das rätselhafte Phänomen des Dschihadismus zu verstehen, das sich mitten unter uns ausbreitet.“
WAZ: 35 Prozent aller Lone-Wolf-Attentäter psychisch erkrankt
Die „WAZ“ sieht Handlungsbedarf im Zusammenhang mit jungen Menschen aus Nahost und Afrika, die durch Erfahrungen im Herkunftsland und auf der Flucht traumatisiert seien und ohne professionelle Hilfe zum Sicherheitsrisiko werden könnten.
Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Sebastian Fiedler, erklärt: „Wie beim Anschlag von Hanau oder der Tat am Frankfurter Hauptbahnhof haben wir es auch im Fall von Würzburg offenbar mit einem psychisch kranken Täter zu tun. Auf vielen Ebenen haben wir erhebliche Probleme mit psychisch erkrankten Menschen.“
Dem BDK zufolge waren 35 Prozent der zwischen 2000 und 2015 allein handelnden Attentäter psychisch erkrankt. Sie kamen „aus Regionen, in denen psychische Erkrankungen und Traumata ein Tabu sind, eher verschwiegen als behandelt werden“. Das setze sich in Deutschland fort. Allerdings radikalisierten sich die meisten zugewanderten späteren Täter erst hier.
Nicht immer seien „Wahn und Terror klar voneinander abzugrenzen, oftmals greifen ein labiler Charakter und eine Anfälligkeit für radikale Ideologien sogar ineinander“. Extremistische Gruppen versuchten dort anzuknüpfen. Sicherheitsbehörden würden mit Blick auf Gefährder deshalb jetzt auch stärker auf Brüche in Lebensläufen achten.
Ruhrbarone: Würzburg war in erster Linie Femizid
Stefan Laurin spricht auf dem Blog „Ruhrbarone“ von einem „Femizid ohne Aufschrei“. Er kritisiert auch politische Instrumentalisierung auf jedweder Seite:
„Während die Rechte die Tat nutze, um zum Generalangriff auf die Asylpolitik zu blasen, sorgt sich die Linke vor allem darum, dass die Tat nicht gegen Migranten instrumentalisiert ist. Die Opfer, die Frauen interessieren kaum jemanden.“
Es werde, so Laurin, der frauenfeindliche Charakter der islamistischen Ideologie nicht ausreichend beachtet, der auf der Linken durchaus ein Thema wäre, hätte ein Neonazi die Tat begangen:
„Aber der Rassismus der niedrigen Erwartung innerhalb der linken und feministischen Szene ist so groß, dass Migranten nur als schutzbedürftige Objekte gesehen werden können, jedoch nicht als verantwortliche Täter, die man ernst nehmen muss.“
„Gefühl von Schwäche durch Militanz bewältigt“
Das Blog „renovatio“ sieht in der Bluttat eine „Form von Militanz, die sich auf islamistische Narrative stützt, aber nicht primär religiös motiviert ist“. Sogenannten islamistischen Terroristen gehe es weniger um Religion als darum, „Gefühle von Schwäche und Demütigung durch Militanz zu bewältigen“.
Die islamistische Ideologie bilde für die entsprechenden Muslime die „Grundlage einer Gegenidentität […], die sich über die Ablehnung europäischer Kultur“ definiere. In islamisch geprägten Kulturen herrsche „eine diese Tendenz verstärkende externale Kontrollüberzeugung vor, welche die Ursachen für eigenes Scheitern extern verortet“, sondern die nichtmuslimische Mehrheitsgesellschaft dafür verantwortlich mache. Islamistische Narrative stellten der beschriebenen Gruppe in Aussicht, dass sie „ihre Ehre und Selbstachtung durch Gewalt gegen europäische Gesellschaften sowie deren Repräsentanten und Symbole wieder herstellen“ könne.
Die kulturspezifische Ehrwahrnehmung der Täter erfahre „durch Gewalt gegen Frauen in ihrer Rolle als Symbol für die Ehre anderer Gruppen offenbar eine besonders deutliche Stärkung“.
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