Pressekonferenz: Maas trifft chinesischen Außenminister – Heftige Proteste vor dem Auswärtigen Amt
Begleitet von Protesten gegen die Hongkong-Politik Chinas und Menschenrechtsverletzungen besucht der chinesische Außenminister Wang Yi Deutschland. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) wird ihn heute in der Villa Borsig am Rande Berlins empfangen.
Vor dem Auswärtigen Amt im Zentrum der Stadt ist gleichzeitig von 10 bis 12 Uhr eine Kundgebung von Kritikern der chinesischen Führung geplant. Auch deutsche Politiker aus Koalition und Opposition haben vor Wangs Besuch deutliche Kritik seitens der Bundesregierung an der chinesischen Führung gefordert.
Liveübertragung Pressekonferenz:
Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock verlangte, weitere Verhandlungen über ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China an Bedingungen zu knüpfen. Die Bundestagsabgeordneten Michael Brand (CDU), Margarete Bause (Grüne) und Gyde Jensen (FDP) forderten, „eine andere als die durchgängig zurückhaltende Sprache“ gegenüber China an den Tag zu legen.
An der Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt wird auch der Hongkong-Aktivist Nathan Law teilnehmen. Der Vertreter der Hongkonger Demokratiebewegung hat von Deutschland gezielte Sanktionen gegen China gefordert. Die deutsche Regierung sollte wegen des umstrittenen chinesischen Sicherheitsgesetzes in Hongkong „Sanktionen gegen Beamte der Regierungen in Peking und Hongkong erwägen“, sagte Law im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. „Wir brauchen Maßnahmen, um das autoritäre, expansionistische, chinesische System in Schach zu halten.“
Der 27-jährige Law, der wegen des Sicherheitsgesetzes nach London geflohen ist, rief Deutschland zu einem deutlichen Zeichen der Solidarität mit Hongkong auf. In seiner Heimat pralle ein autoritäres Regime auf demokratische Grundwerte. „Hongkong ist wie Berlin im Kalten Krieg.“ Alleine deshalb sei es „wichtig für die deutsche Regierung, Teil des Kampfes zu sein und die Menschen in Hongkong zu unterstützen“, sagte Law.
Das Ende Juni von China verabschiedete und international scharf kritisierte Gesetz erlaubt den Behörden ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen. Es stellt den bislang schwersten Eingriff in den Autonomiestatus der Sonderverwaltungszone dar.
Klare Position für Menschen- und Grundrechte gefordert
Anstatt sich von Handelsinteressen leiten zu lassen, müsse sich die Regierung in Berlin „klar positionieren hinsichtlich der Menschenrechte und des Schutzes der demokratischen Grundrechte“, sagte Law vor dem Treffen des chinesischen Außenministers mit Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Dienstag. Dies gelte auch für die Menschen in Tibet, die unterdrückte muslimische Minderheit der Uiguren in der chinesischen Region Xinjiang und die militärischen Drohungen Pekings gegenüber Taiwan.
Deutschland und die EU müssten sich überlegen, wie Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden können. „Bislang war Deutschland aufgrund seiner Handelsbeziehungen sehr mild gegenüber China. Doch die Regierung muss sich im Klaren sein, dass das die demokratischen Werte schädigt.“
Law schlägt vor, dass die westlichen Regierungen beim Handel mit China Menschenrechtsklauseln einführen. „China könnte diesen Regeln auch bei wichtigen Handelspartnern nicht entkommen, wenn alle danach agieren würden“, meint Law. Deutschland könnte in seinen Augen diese Verantwortung übernehmen und eine solche Maßnahme auf den Weg bringen.
Klar müsse sein, dass die bisherige Strategie gegenüber China gescheitert sei: „Die Politik der Beschwichtigung war definitiv der falsche Ansatz in den vergangenen Jahrzehnten, sie war ein völliger Misserfolg.“ Jetzt sei es wichtig, dass „wir aus den Fehlern lernen und aufhören, uns auszumalen, dass China ein nützlicher strategischer Partner für westliche Demokratien sein kann, solange es autokratisch bleibt und seine Bürger unterdrückt“.
Law wurde 2016 als bislang jüngster Abgeordneter ins Hongkonger Parlament gewählt. Wegen seiner Beteiligung an der studentischen Regenschirm-Bewegung von 2014 wurde er zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. In Hongkong wird derzeit nach Law wegen seiner Teilnahme als den teils gewalttätigen pro-demokratischen Protesten von 2019 gefahndet.
In Großbritannien, das sein Auslieferungsabkommen mit Hongkong ausgesetzt hat, fühlt sich der junge Mann nach eigenen Angaben „relativ sicher“. Mit den anderen Führungsfiguren der Demokratie-Bewegung – wie Joshua Wong und Jimmy Lai – hat Law seitdem keinen Kontakt mehr. „Das würde sie gefährden“, sagte Law. Es sei jedoch klar, welche seine Rolle sei: „Ich führe die Arbeit der Demokratie-Bewegung auf der internationalen Bühne fort.“
Hauptthemen: Hongkong, Uiguren und Taiwan
Der chinesische Außenminister beendet in Berlin seine erste Auslandsreise seit Beginn der Corona-Krise. Eine Woche ist er schon in Europa unterwegs und hat Italien, Frankreich, die Niederlande und Norwegen besucht. Die Kritik aus Europa an China hat während der Corona-Pandemie noch einmal zugenommen. Im Vordergrund stehen dabei derzeit vor allem drei Themen:
Hongkong
Der Erlass des Staatssicherheitsgesetzes Ende Juni als Reaktion auf die seit einem Jahr anhaltenden Demonstrationen in der chinesischen Sonderverwaltungsregion war international auf scharfe Kritik gestoßen. Es ist ein tiefer Eingriff in die Autonomie der früheren britischen Kronkolonie, die seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ verwaltet worden war. Es richtet sich gegen Aktivitäten, die Peking als umstürzlerisch, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch ansieht. Vor einem Monat wurde dann auch noch die eigentlich für September geplante Parlamentswahl mit Hinweis auf die Corona-Pandemie verschoben. Doch sehen die demokratischen Oppositionsgruppen darin nur einen Vorwand.
Uiguren
Nach Schätzungen von Menschenrechtlern sind Hunderttausende der muslimischen Uiguren in Umerziehungslager gesteckt worden – in der Regel für mindestens ein Jahr, wie aus den Geheimdokumenten hervorgeht. Schätzungsweise zehn Millionen Uiguren leben in China, die meisten in der Provinz Xinjiang. Das Turkvolk fühlt sich von den herrschenden Han-Chinesen unterdrückt. Nach ihrer Machtübernahme 1949 hatten die Kommunisten das frühere Ostturkestan der Volksrepublik einverleibt. Die Regierung in Peking wirft uigurischen Gruppen Separatismus und Terrorismus vor.
Taiwan
China sieht das demokratische Taiwan, das sich 1949 vom Festland abspaltete, als abtrünnige Provinz und nicht als unabhängigen Staat an und versucht es international zu isolieren. Nun sorgt ganz aktuell eine Taiwan-Reise des tschechischen Senatspräsidenten Milos Vystrcil für erhebliche Spannungen zwischen Peking und Prag. Tschechien bestellte am Montag den chinesischen Botschafter ein, um Kritik an der Reise als „unpassend“ zurückzuweisen. Gleichzeitig lud Chinas Außenministerium den tschechischen Botschafter in Peking vor, um ihm den chinesischen Protest zu übermitteln.
Außenminister Wang erklärte unmittelbar vor seinem Treffen mit Maas, Vystrcil werde für sein „kurzsichtiges Verhalten“ einen „hohen Preis“ zahlen müssen. Das Ein-China-Prinzip infrage zu stellen bedeute, sich zu einem Feind der 1,4 Milliarden Chinesen zu machen.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen, kritisierte die Äußerungen Wangs. „Dass der chinesische Außenminister während seines Besuches in Deutschland Drohungen gegen einen anderen EU-Staat und einen Parlamentarier persönlich ausspricht, ist nicht nur ein diplomatischer, sondern auch ein demokratischer Affront.“ Die EU-Mitgliedstaaten würden die Ein-China-Politik anerkennen, trotzdem müssten aber Besuche in Taiwan möglich sein. Taiwan sei „kein weißer Fleck auf der Landkarte“. (dpa/afp/sua)
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