Potentielle Verluste von Deutschland werden verheimlicht
Am 29. Januar 2018 veröffentlichte die europäische Statistikbehörde Eurostat Daten zu den „Eventualverbindlichkeiten und notleidenden Krediten in den EU-Mitgliedsstaaten“.
Dahinter verbergen sich potentielle Verluste, die nicht in den offiziellen Schuldenstatistiken auftauchen. Eurostat unterteilt in vier Bereiche:
- Garantien des Staatssektors
- Verbindlichkeiten aus öffentlich-privaten Partnerschaften ÖPP (die nicht in der staatlichen Bilanz enthalten sind, aber vom Staat kontrolliert werden)
- Verbindlichkeiten aus öffentlichen Kapitalgesellschaften
- Notleidende Kredite (Vermögenswerte im Staatssektor, die einen Verlust für den Staat bedeuten, wenn diese Kredite nicht zurückgezahlt werden)
Vielen Bürgern und Politikern sind diese Risiken nicht bewusst. Die Statistiker schreiben:
Unter gewissen Bedingungen können diese Eventualverbindlichkeiten tatsächliche Verbindlichkeiten werden. Ähnlich können notleidende Kredite einen Verlust für den Staat bedeuten, wenn diese Kredite nicht zurückgezahlt werden.“
1. Garantien des Staatssektor
Das erste Risiko sind Garantien des Staatssektors auf Verbindlichkeiten und Vermögenswerte Dritter. Dabei steht Finnland an der Spitze mit 28,0 % des Bruttoinlandsproduktes, danach folgt Österreich mit 20,5 % und Deutschland mit 14,3 % des Bruttoinlandsproduktes.
Falls Deutschland plötzlich die Exportbürgschaften, Investitionsgarantien oder Kreditabsicherungen bei Förderbanken zahlen müsste, wären 14,5 % des BIP weg. Auch Verflechtungen mit öffentlichen Kreditinstituten spielen eine Rolle.
So übernahm Deutschland mit den sogenannten Hermes-Bürgschaften 2017 Sicherheiten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro gegenüber der Türkei.
Neben den Bürgschaften des Staates übernehmen auch die Bundesländer Bürgschaften für bestimmte Projekte. So übernahm das Bundesland Sachsen beispielsweise eine Bürgschaft für die Halbmond Teppichwerke GmbH in Oelsnitz im Vogtland. Auch der Freistaat Bayern unterstützt mit verschiedenen Arten von Bürgschaften ihre Unternehmen. Dabei können „Staatsbürgschaften für Vorhaben der gewerblichen Wirtschaft, im sozialen, kulturellen oder wissenschaftlichen Bereich, im Bereich des Wohnungswesens, für Vorhaben der Land- und Forstwirtschaft sowie im Rahmen von Hilfsaktionen bei Naturkatastrophen gewährt werden“.
2. Public Private Partnership – zu deutsch: Öffentlich Private Partnerschaften ÖPP
Bei den PPP bzw. zu deutsch ÖPP übernehmen private Auftraggeber Teile oder im gesamten Aufgaben, die sonst staatlich finanziert werden. Dabei sind hauptsächlich langfristige Bauaufträge betroffen, wobei die Vermögenswerte nicht in den Staatskosten erfasst werden.
An der Spitze liegt Portugal mit 3,2 % der BIP, gefolgt von der Slowakei (3,1 %) und Ungarn (1,7 % des BIP). Zu beachten ist dabei, dass die Schulden nicht nur im Zentralstaat auflaufen können, sondern auch auf Länderebene oder in kommunaler Ebene. Die deutschen Risiken liegen im 0,1 bis 0,2 Prozentbereich des BIP.
Zur Zeit existieren in Deutschland 176 Public Private Partnerships (PPP). Diese werden meist von der ÖPP Deutschland AG in Gang gebracht und vermittelt. Offiziell berät die ÖPP Deutschland AG Kommunen, Gemeinden und Länder über die „Wirtschaftlichkeit“ eines potentiellen PPP-Projektes. Beispiele sind die Elbphilharmonie, Arvato (Würzburg), der Ausbau der Autobahn A7 zwischen Hannover und Kassel, das Maut-System Toll Collect, die Justizvollzugsanstalt JVA Hünfeld und das Universitätsklinikum Gießen und Marburg.
Der Bundesrechnungshof stellte bereits im Juni 2014 fest, dass privat gebaute Autobahnen erheblich teurer seien als eine öffentliche Finanzierung.
3. Öffentliche Kapitalgesellschaften
Die Verbindlichkeiten öffentlicher Kapitalgesellschaften, die nicht im Staatssektor aufgenommen wurden, betreffen die vom Staat kontrollierten Banken und Finanzinstitute. An der Spitze steht Griechenland, bei dem der Staat in Höhe von 144 % des Bruttoinlandproduktes für seine Banken haftet.
An zweiter Stelle stehen die Niederlande mit 104 % des BIP, an dritter Deutschland mit 101 % des Bruttoinlandsproduktes.
Das heißt, der Staat Deutschland haftet im Falle von Pleiten von Banken, GmbHs und Aktiengesellschaften in Höhe von 101 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes. Letztendlich sind es Verbindlichkeiten von Firmen wie die Deutsche Bahn oder Banken, an denen der Staat zwar eine Mehrheitsbeteiligung hält, die offiziell jedoch nicht als Staatskonzerne klassifiziert sind.
Am geringsten sind die Verbindlichkeiten in der Slowakei (1,3 % des BIP), Litauen (5,9 %), Rumänien (7,4 %), Kroatien (10,4 %) und der Tschechischen Republik (10,8 %).
4. Notleidende Kredite
In Slowenien lauert der höchste Bestand an notleidenden Krediten (Vermögenswerte) des Zentralstaates. Dieser liegt bei 5,9 % des BIP. Darauf folgen Portugal (1,5%) und Tschechien (1,4 %). Deutschland liegt bei den notleidenden Krediten mit 0,1 % des BIP im hinteren Bereich des Ländervergleiches.
Bankkredite gelten als notleidend, „wenn der Kreditnehmer seit mehr als 90 Tagen mit den vereinbarten Zins- oder Tilgungszahlungen in Verzug ist. Notleidende Kredite bezeichnet man auch als ‚faule Kredite'“, schreibt die EU als Definition. Hat eine Bank zu viele dieser faulen Kredite, ist sie nicht mehr handlungsfähig.
Fazit: Auf Deutschland lauern potentielle Verluste in Höhe über 115 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (die die EU zugibt).
Offizielle Schulden Deutschlands
Offiziell gibt Deutschland im Jahr 2016 Schulden in Höhe von 68,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes an. Das entspricht 2.140.009,2 Millionen Euro. Im Jahr 2015 waren es 2.156.645,2 Millionen Euro.
Schulden in dieser Größenlage hat lediglich noch Frankreich mit 2.150.950,0 Millionen Euro (2016), Italien mit 2.218.471,2 Millionen Euro und das Vereinigte Königreich mit 2.022.228,9 Millionen Euro.
Zum Vergleich die Angaben in Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Deutlich wird, dass Griechenland der am höchsten verschuldete Staat ist, gefolgt von Italien und Portugal:
Ungeklärte Fragen: Pensionen, Renten und der Target 2 Saldo
Es fehlen in beiden Statistiken die Garantien des Staates für Pensionen und Renten. Der negative Zins bzw. die Null-Zins-Politik rettet zwar die „schwarze Null“ des Finanzminister, sorgt jedoch gleichzeitig für ein großes Problem: Bleiben die Zinsen so niedrig, bricht unter anderem das Rentensystem zusammen, welches über Staatsanleihen abgesichert ist. Werden jedoch die Zinsen erhöht, stehen viele EU-Staaten unmittelbar vor einer Pleite.
Neben den Bürgschaften fällt kein Wort zum Target 2 Saldo. Dabei kaufen Verbraucher der finanziell schwächeren Länder Produkte auf Kredit (z.B. Erdöl), sie reichen ihre Forderungen an die Banken weiter und diese wiederum an die EZB. Mittlerweile haftet Deutschland nahezu mit einer Billion Euro im Target 2 Bereich für andere Staaten.
Target 2 bedeutet, dass die Staatsbanken der Euro-Länder miteinander in Verrechnung gehen. Es wirkt wie eine Bürgschaft – Deutschland bürgte im April 2017 beispielsweise für Italien mit 364 Milliarden Euro, für Spanien mit 330 Milliarden und für Portugal mit 72 Milliarden – ingesamt in Höhe von 829,7 Mrd. Euro. Diese Summe erhöht sich ständig.
Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt für 2017 beinhaltet Ausgaben in Höhe von 329,1 Milliarden Euro.
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