Polizist Karl Hilz: Die Politik entfaltet eine Macht, die es sonst nur in Diktaturen gibt – und das Volk schaut zu
ET: Sie engagieren sich als pensionierter Beamter auf den Kundgebungen von Querdenken und treten dort mit Redebeiträgen auf. Warum?
Karl Hilz: Ich habe 1974 meinen Diensteid auf das deutsche Grundgesetz und die bayerische Verfassung geleistet. Jetzt sehe ich aber, dass meine Regierung die freiheitlich demokratische Grundordnung abschafft und die Grundrechte immer mehr beeinträchtigt, obwohl das unserer Regierung nicht zusteht. Deshalb gehe ich auch auf die Straße, weil ich geschworen habe, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu schützen. Einmal Polizist, immer Polizist.
Mir ist die Würde des Menschen ganz wichtig und die wird im Wesentlichen angetastet von unseren Regierungsverantwortlichen. Dabei ist sie in keiner Weise einzuschränken. Weder durch andere Grundrechte noch durch Gesetz darf die Würde des Menschen in unserem Staat angetastet werden. Trotzdem werden gesunde Menschen zum Tragen von Masken verpflichtet, was meines Erachtens extrem würdelos macht. Man kann sich nicht mehr nonverbal über Mimik mitteilen. Man sieht nicht, ob die Mitmenschen sauer oder lustig sind oder was sonst mit ihnen los ist. Das wird einfach unterbunden. Damit wird das normale Leben, insbesondere die nonverbale Kommunikation, im Wesentlichen unterbunden.
ET: Aus Politik und auch in Reihen der Polizei wird Ihr Auftreten auf Kundgebungen kritisiert. Inwieweit darf sich ein Polizist politisch äußern, wenn er pensioniert ist? Wie sind die rechtlichen Grundlagen?
Karl Hilz: Über das Beamtenrecht, das auch für pensionierte Beamte gilt, ist geregelt, dass ich mich politisch nur gemäßigt äußern darf. Das tue ich ja. Ich bin weder links- noch rechtsradikal und auch kein Reichsbürger, sondern ich bin ganz normal auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung und fühle mich meinem Diensteid als Polizeibeamter weiterhin verpflichtet.
ET: Gibt es für Polizisten überhaupt eine Möglichkeit, der Weisung des Dienstherrn zu widersprechen? Was müssten die Beamten in einem solchen Fall machen?
Karl Hilz: Es gibt die Remonstrationspflicht und das Remonstrationsrecht. Das ist eine ziemlich ausgehöhlte Angelegenheit geworden. Bundesweit steht zwar fest, dass der Beamte sich dagegen wehren muss, etwas Rechtswidriges aufgrund einer Anweisung des Vorgesetzten zu tun – das ist die Remonstrationspflicht. Sie beinhaltet auch die Beratungspflicht gegenüber dem Vorgesetzten. Also der Mitarbeiter muss seinen Vorgesetzten beraten. Dann kann der Beamte sagen: „Das, was Sie mir jetzt anordnen, ist rechtswidrig. Das will ich nicht tun. Überlegen Sie sich bitte, ob Ihnen etwas anderes einfällt.“ Damit hat er seiner Remonstrationspflicht und seiner Beratungspflicht bereits genüge getan. In der Regel möchte der Polizist aber dann auch von dieser Handlung freigestellt werden und diese nicht durchführen, weil er sie für rechtswidrig hält.
ET: Wie sieht das in der Praxis aus?
Karl Hilz: Die Gerichte haben beschlossen und auch geurteilt, dass der Polizist die Handlung ausführen muss, wenn derselbe Vorgesetzte oder ein höherer Vorgesetzter sie erneut anordnet. Ansonsten würde er eine sogenannte Dienstpflichtverletzung begehen. In diesem Fall würde der Polizist mit einer Geldstrafe belegt oder man würde das Ziel verfolgen, den Beamten aus dem Dienst zu entfernen.
Das Remonstrationsrecht ist ein sehr stumpfes Schwert. Man hat das mit Gerichten so ausgestaltet, dass es sogar eine Art Befehlsnotstand dadurch gibt. Der Beamte muss die Handlung, die seine Vorgesetzten anordnen, ausführen, wenn sie diese Anordnung wiederholen – trotz Remonstration.
ET: Welche Möglichkeit hat dann der Beamte, die rechtswidrige Handlung nicht auszuführen?
Karl Hilz: Er kann seinen Dienst beenden, indem er sein Amt niederlegt. Oder er befolgt den Auftrag nicht und lässt sich deshalb disziplinär verfolgen. Dann muss das Gericht prüfen, ob er mit Recht diesen Befehl verweigert hat. Aber das dauert ein paar Jahre, wenn er Pech hat. In dieser Zeit ist er als Befehlsverweigerer dienstlichen Repressalien verschiedenster Art ausgesetzt. Das ist eine sehr unangenehme Situation, auch für den Beamten. Er wird sicherlich auch innerhalb der eigenen Kollegen kein großes Ansehen mehr genießen.
ET: Wie ist es den anderen Polizisten ergangen, die bei den Querdenken-Kundgebungen aufgetreten sind?
Karl Hilz: Die sind noch in Amt und Würden. Der eine Kollege aus Mittelfranken wurde abgeordnet zu einer anderen Dienststelle. Man hat ihn von seiner bisherigen Position abgeordnet, sodass er keine Vorgesetztenfunktion mehr hat und er auch keine Berührung mit Bürgern mehr hat. Der ist praktisch an einem Schreibtisch versteckt. Dies ist eine schon sehr tief in das Selbstbewusstsein eines Führungsbeamten eingreifende Maßnahme.
Von dem weiteren Kollegen aus Augsburg weiß ich aktuell nicht, was sein Dienstherr gemacht hat. Da habe ich nur gehört, dass man ihn suspendieren wollte.
Dann gibt es noch einen Kollegen aus der Gegend von Hannover, der Michael Fritsch. Den hat man suspendiert. Sein Polizeipräsident hat ihm unterstellt, er würde zu den sogenannten Reichsbürgern gehören. Man hat ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet, sodass man sein gesamtes Haus durchsucht hat. Alle Computer, Handys, Unterlagen wurden mitgenommen, um zu prüfen, ob man ihm nachweisen kann, ob er zur Reichsbürgerszene gehört. Zu denen gehört er aber auch nicht. Er ist ein ganz normaler deutscher Bürger in der Mitte der Bevölkerung, wie man es sich von einem Polizisten wünscht. Nun wird er entsprechend unter Druck gesetzt von seinem Polizeipräsidenten und den Ermittlungsbehörden. Wie das ausgeht, kann man natürlich noch nicht sagen.
ET: Wie schätzen Sie die Einstellung der Polizisten zu den Querdenken-Demos ein?
Von Berlin weiß ich zum Beispiel, dass Beamte, die zuerst in der Polizeikette standen und ihren Dienst verrichtet haben, nach Dienstende auf unsere Demonstrationen gekommen sind – privat. Das allein ist schon eine nette Information.
Auf der anderen Seite ist es so, dass natürlich eine Polizei in einem demokratischen Staat so funktionieren muss, dass sie zu jeder Zeit Recht, Ordnung und Sicherheit für die Bürger gewährleisten kann. Da gehört einfach dazu, dass die Polizei straff organisiert ist. Denn jeder, der in diesem Bereich arbeitet, weiß, dass er sich auf seinen Kollegen verlassen können muss. Wir stehen ja als Polizisten eigentlich an der Front gegen das Verbrechen. Wir haben es also dort prinzipiell mit Menschen zu tun, die unsere Gesundheit und unser Leben nicht wirklich respektieren. Das ist bei so einer Demonstration mit lauter friedlichen Versammlungsteilnehmern aus der Mitte der Bevölkerung etwas ganz anderes.
Dass man das dann schön aneinanderhält, ist manchmal schwierig, weil man ausschließlich mit den Informationen der Vorgesetzten in den Einsatz gehen muss. Was die Vorgesetzen den Kolleginnen und Kollegen erzählen, das weiß von uns ja keiner. Jedenfalls waren in Berlin teilweise die eingesetzten Beamten der Meinung gewesen, dass der Demonstrationszug verboten sei. Die waren nicht auf dem Laufenden. Die wussten nicht, dass per Gericht der Demonstrationszug erlaubt worden war. Damit ist selbstverständlich die Einstellung der Polizeibeamten vor Ort zu den Versammlungsteilnehmern der Demonstration nicht mehr auf dem Boden der Realität. Da geht man schon von vornherein polizeilicherseits davon aus, dass die Versammlungsteilnehmer etwas Verbotenes tun. So kommt ein ganz anderer Drive in die Sache, der dann aber von den Demonstranten nicht wieder richtig gestellt werden kann.
Das könnte nur von der Polizeiführung richtiggestellt werden. Wenn aber die politische Führung kein Interesse daran hat, dies richtig stellen zu lassen, und die politische Ebene schon im Vorfeld die Polizeiführung falsch informiert hat und mit falschen Unterlagen ausgestattet hat, dann kann so ein Polizeieinsatz nicht mehr auf dem Boden des Rechtes, also nicht grundgesetzkonform stattfinden, sondern er findet zumindest aus der Sicht der Versammlungsteilnehmer und aus der Sicht objektiver Betrachter willkürlich statt. Dieser Konflikt zwischen Polizei und Bevölkerung wird durch die politischen Spitzen verursacht.
Deshalb habe ich in Berlin auch den Rücktritt von dem dortigen Innensenator Geisel und dem Oberbürgermeister Michael Müller verlangt, weil diese offenbar nicht in der Lage sind, ihren Exekutivapparat so zu führen, dass dieser rechtmäßig arbeiten kann. Solche Politiker kann sich ein demokratischer Staat wie unserer nicht leisten. Das ist bereits ein totalitärer Umgang mit der Bevölkerung.
Die Polizei hat die Versammlungsfreiheit und die Friedlichkeit bei solchen Versammlungen zu gewährleisten. Sie kann nicht grundlos mit Gewalt gegen Veranstaltungsteilnehmer vorgehen. So etwas ist in unserem Rechtssystem nicht vorgesehen. Wenn eine Demonstration länger dauert, müssen halt die Beamten ausgewechselt und die Versammlung auch über Nacht betreut werden – warum denn nicht?
Das Versammlungsrecht ist ein sehr hohes Gut, genau wie die Meinungsfreiheit. Für das Ausland verlangen unsere Spitzenpolitiker, dass das gewährleistet wird – wie zum Beispiel in Weißrussland. Bei uns benehmen sich aber unsere Spitzenpolitiker genauso, wie diese totalitären Staaten sich ihren Bürgern gegenüber benehmen. Somit ist bei uns offenbar alles in Schieflage geraten.
ET: Wie kann es nach Ihren Einschätzungen dazu kommen, dass Polizisten gegen friedliche Demonstranten vorgehen und sie beispielsweise gegen ihren Willen wegschleppen?
Karl Hilz: Das sind ganz offenbar politische Entscheidungen. Im Hintergrund wird durch die Innenminister, die regelmäßig oberste Ansprechpartner der Polizei sind, ein entsprechender Einfluss auf die Polizeiführung genommen. Die Innenminister werden ihrerseits von ihren Kabinettskollegen und meistens vom jeweiligen Ministerpräsidenten aufgefordert, die Polizei mit der entsprechenden nach außen wirkenden Härte einzusetzen.
Der Innenminister gibt die Anweisungen an seinen jeweils leitenden Polizeipräsidenten weiter. Dem geht es als Spitzenbeamten dann so ähnlich, wie es dem kleinen Beamten auf der Straße auch geht. Er kann remonstrieren, ist dann aber ziemlich sicher am nächsten Tag sein Amt los, in Frühpension oder anderweitig aus diesem Führungsamt entfernt. Das funktioniert in unserem Staat leider aktuell genau so.
Das hat man beispielsweise bei der Amtsenthebung des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen gesehen, den die Kanzlerin ganz plötzlich abgesetzt hat, nur weil er richtig gestellt hat, was die Kanzlerin zu einer Demonstration in Chemnitz gesagt hatte. Das ist nicht rechtsstaatlich. Es steht einer Bundeskanzlerin auch nicht zu, einen Beamten seines Amtes zu entheben, bloß weil er feststellt, dass sie Unsinn geredet hat. Aber das ganze Volk schaut zu und lässt sich bieten, dass die Politik hier eine Macht entfaltet, die es sonst nur in totalitären Staaten gibt.
ET: Vor der Querdenken-Demo am 29. August in Berlin wurde gesagt, dass die Demonstranten bleiben, bis die Regierung weg ist. Wie ist die Situation aktuell?
Karl Hilz: Wir verlangen nach wie vor, dass die Grundrechte der Bevölkerung respektiert und eingehalten werden, wie sie in der Verfassung, also im Grundgesetz stehen, und dass die Regierungen ihren Auftrag, den sie aus der Verfassung bekommen, auch so umsetzen, wie es in der Verfassung steht. Es steht unseren Spitzenpolitikern nicht zu, nur ihren persönlichen Ideologien und ihren Hobbys nachzugehen. Dafür sind sie nicht gewählt worden. Im Gegenteil.
Sie sind als Vertreter der Bürger gewählt und haben dann auch umzusetzen, was die Bürger faktisch wollen. Unsere Bürger wollen sich ganz sicher nicht einsperren lassen. Eine Quarantäne ist nichts anderes. Das kann also nicht Recht sein. Deshalb wollten die Versammlungsteilnehmer am 29. August auch in Berlin bleiben, bis die Regierung, die sich aktuell nicht an den Rahmen unseres Grundgesetzes hält, zurückgetreten ist.
Herr Michael Ballweg von Querdenken 711-Stuttgart, der Versammlungsleiter also, hatte angekündigt, die 30-jährige Untätigkeit der Regierungsverantwortlichen jetzt dadurch zu neutralisieren, dass er mit den verbliebenen Versammlungsteilnehmern eine Verfassungsgebende Versammlung durchführt, um den ursprünglichen Auftrag des Grundgesetzes – dort damals sowohl in der Präambel als auch im Artikel 146 fixiert – zu neutralisieren, also diese Verfassungsgebende Versammlung auch ohne Auftrag der Regierung zu beginnen.
Das empfanden die Spitzenpolitiker als so gefährlich, dass sie die verbliebenen Versammlungsteilnehmer mit unverhältnismäßig angewandter Polizeigewalt entfernen ließen. Somit konnte auch eine Verfassungsgebende Versammlung dort nicht begonnen werden. Jetzt liegt die Verantwortung erneut bei den Regierungen, diesen Auftrag des Grundgesetzes ernst zu nehmen und eine gesamtdeutsche Verfassung ausarbeiten zu lassen.
ET: Wir bedanken uns für das Gespräch.
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