Politische Schieflage – Bürgerrat mit linker Agenda?
Voller Tatendrang war Stefan Staudenecker noch im September. Als Mitglied des ersten Bürgerrates in der Geschichte der Bundesrepublik freute er sich auf seine ehrenamtliche Tätigkeit. Mit 159 anderen Bürgern wollte Staudenecker in Berlin über das Thema Ernährung diskutieren. Der Mann aus Ehningen bei Stuttgart „wird Geschichte schreiben“, titelte damals die „Schwäbische Zeitung“.
Die Mitglieder des Bürgerrates sollen dem Bundestag Impulse geben und mit einem Abschlusspapier eine neue Form der politischen Beteiligung ausprobieren – ohne jedoch etwas zu entscheiden. Der Auftrag kommt vom Deutschen Bundestag, ebenso wie das Thema des ersten Bürgerrates „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“.
Für Staudenecker war klar, dass er beim ersten Bürgerrat unbedingt mitmachen möchte, sagte er im September der „Schwäbischen Zeitung“. „Wenn ich am Bürgerrat teilnehme, dann mache ich das richtig.“ Er wollte deshalb auch über seine Arbeit informieren. Zwei Monate später ist bei Stefan Staudenecker die Luft raus. Den Bürgerrat hat er inzwischen wieder verlassen, gleich nach dem Auftaktwochenende in Berlin. „Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn, mit solchen Personen ein Arbeitspapier zu erarbeiten“, begründet Staudenecker seine Entscheidung.
„Eher linke und grüne“ Richtung
Seine Kritik richtet er vor allem an die Moderatorinnen und Moderatoren der Veranstaltung. Diese hätten bei der Auftaktveranstaltung nicht neutral agiert und Diskussionen in eine von ihnen favorisierte Richtung gelenkt. Konkret spricht er von einer „eher linken und grünen“ Richtung.
Die Personalauswahl der Moderatorinnen und Moderatoren empfindet Staudenecker „unglücklich“. So habe beispielsweise die Hauptmoderatorin des Bürgerrates, Jana Peters, noch 2021 für die Grünen im Wahlkreis Wetterau I für den Bundestag kandidiert.
Peters ist Beraterin beim Beratungsunternehmen ifok, das auch am Bürgerrat beteiligt ist. Weiter erzählt Staudenecker, dass eine der sogenannten Tischassistentinnen während der Veranstaltung eine Schwägerin eines der Sprecher der „Letzten Generation“ ist. Auch andere Betreuer sind laut des ehemaligen Bürgerratsmitglieds mit der „Letzten Generation“ in Verbindung zu bringen. „Das ist keine Form des Dialogs, die ich mit meinen Werten teilen kann und möchte, daher möchte ich mit solchen Betreuern nicht an einem Tisch sitzen“, sagt der Ehninger.
Zwar seien die Moderatorinnen und Moderatoren angehalten, ihre Meinung nicht in den Prozess einfließen zu lassen, diese wäre aber trotzdem immer wieder durchgekommen, sagt Staudenecker. Auch mit gezielten Fragen hätten die Moderatorinnen und Moderatoren versucht, die Diskussionen an diesem Tag zu lenken.
Von politischer Beeinflussung nichts bekannt
Die Stabsstelle Bürgerräte beim Bundestag widerspricht auf Medienanfrage der Darstellung Staudeneckers. Dass politische Beeinflussung während des Forums stattgefunden hat, sei der Stelle nicht bekannt. Im Anschluss an die Bürgerratssitzungen hätten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anonym Feedback gegeben – auch zur Neutralität von Moderatorinnen und Experten.
„Diese Umfragen zeigen, dass die meisten Teilnehmenden mit der Moderation zufrieden waren“, heißt es auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. „Da die Neutralität der Moderation für uns ein zentraler Bestandteil des Prozesses ist, werden wir die Angaben trotzdem zum Anlass nehmen, der Sache noch einmal nachzugehen.“
Auch mit dem politischen Engagement der Hauptmoderatorin bei den Grünen hat die Stabsstelle kein Problem. „Das Engagement in und für politische Parteien ist notwendiger Bestandteil unserer parlamentarischen Demokratie. Ein solches auch verfassungsrechtlich geschütztes demokratisches Engagement führt nicht dazu, dass eine Person ihren Beruf etwa als Richterin oder Beamter nicht neutral und unparteiisch ausüben könnte.“
Die Mitgliedschaft in einer Partei oder die Kandidatur für eine solche sei deshalb auch kein Ausschlusskriterium für die Moderation eines Bürgerrates. Es komme ausschließlich auf die inhaltliche Neutralität bei der Moderation an, bei der die Stabsstelle keine Anhaltspunkte sehe, diese anzuzweifeln.
Auch den ausgewählten Experten aus der Wissenschaft unterstellt der Ehninger, eine politisch einseitige Richtung zu verfolgen. Auf den Vorwurf angesprochen, erwiderte die für den Bürgerrat zuständige Stabsstelle des Bundestages, „individuelle politische Präferenzen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ seien für die Erfüllung ihrer Expertenrolle unerheblich.
Wie gecastete Scheinparlamente sozialistischer Volksrepubliken
Kritik an den Bürgerräten gibt es allerdings schon länger. Die Mehrheit des Bundestages hatte sich für die Einsetzung von Bürgerräten entschieden. Damit, so das Ziel, sollen die Bundestagsabgeordneten bei einer konkreten politischen Fragestellung eine direkte Rückmeldung aus der Mitte der Gesellschaft bekommen – jenseits von Meinungsumfragen und Lobbyismus. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden zufällig ausgelost, und zwar bundesweit aus allen Einwohnerinnen und Einwohnern ab 16 Jahren. Dadurch soll die Vielfalt der Gesellschaft abgebildet werden. Entscheiden dürfen die Bürgerräte allerdings nichts. Lediglich eine Zuarbeit von Arbeitspapieren an den Bundestag ist ihnen zugestanden.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hatte in einer „Bürgerlotterie“ im Juli 160 Bürgerinnen und Bürger nach dem Zufallsprinzip gezogen. Zuvor waren 20.000 zufällig ausgesuchte Männer und Frauen von der Bundestagspräsidentin zur Mitarbeit in dem Gremium eingeladen worden.
Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) schrieb in einem Kommentar zur Bürgerlotterie, dass diese an „die gecasteten Scheinparlamente sozialistischer Volksrepubliken“ erinnern würden. Man bemühe sich bei der Auswahl, einen repräsentativen Schnitt der Gesellschaft zu repräsentieren. Nur können diese Menschen am Ende, wenn man diese Kriterien ansetzt, nur für sich selbst sprechen. Und die NZZ weiter:
„Wie im Realsozialismus ist es allerdings, zweitens, ganz egal, wie so ein Rat zusammengesetzt ist – er hat ohnehin keine Entscheidungskompetenz. Er darf dem Bundestag Dinge vorschlagen, die die ‚Ampel‘-Mehrheit dann, je nach Bedarf, als höchstlegitimierten Volkswillen vermarkten oder diskret unter den Tisch fallen lassen kann.“
Tatsächlich ist es schon problematisch, dass die Themen der Bürgerräte nicht von diesen bestimmt werden, sondern vom Bundestag vorgegeben werden. Kontroverse Themen, so ist zu befürchten, werden in diesem Gremium nicht angesprochen. „Das ist Malen nach Zahlen, Beschäftigungstherapie, Scheindemokratie“, fasst die NZZ zusammen.
Ideologisch-verzerrte Bürgerräte schaden der Demokratie
Die Union hatte damals im Bundestag gegen die Einsetzung solcher Bürgerräte gestimmt. Durch die Kritik von Stefan Staudenecker fühlt sie sich nun bestätigt. „Mein Eindruck vom Bürgerrat ist bislang, dass dort viele normale Bürger eine klarere Sicht auf die Ernährungspolitik haben als linke Ampel-Ideologen. Wenn diese Bürger wegen vermeintlich parteiischer Moderatoren jetzt kein Gehör finden können, steht das gesamte Projekt infrage“, so der CDU-Bundestagsabgeordnete, Philipp Amthor gegenüber der „Bild“.
Deutlicher wird die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) in der CDU, Gitta Connemann. „Diese Bürgerräte sind nur eine Alibi-Veranstaltung der Ampel. Statt Bürger aus dem Volk zu Wort kommen zu lassen, geben grüne Parteigänger den Ton vor. Klima-Chaoten der Letzten Generation und grüne Moderatoren reden sich die Welt zurecht“, so die Bundestagsabgeordnete.
Connemann möchte daher am liebsten diese Bürgerräte wieder abschaffen. „Wir brauchen keine Alibi-Parlamente, die durch Los zusammengewürfelt werden. Die ideologisch-verzerrten Bürgerräte schaden unserer Demokratie.“
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