Nach der Wahl das „Pokerspiel“: Grüne haben beste Karten für Koalitionsverhandlungen

Die Grünen werden höchstwahrscheinlich Teil der neuen Bundesregierung werden und in einer der Koalitionen – Ampel, Jamaika oder Rot-Grün-Rot – eine wichtige Rolle spielen. Für die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen haben sie eine ausgezeichnete Ausgangslage.
Titelbild
Annalena Baerbock und Robert Habeck von den Grünen.Foto: Lukas Schulze/Getty Images
Epoch Times26. September 2021

Am Freitagabend haben in Düsseldorf Annalena Baerbock und Robert Habeck die Wahlkampagne der Grünen mit einem gemeinsamen Auftritt beendet.

Mit einem Doppeldeckerbus tourte die Kanzlerkandidatin durch Deutschland und legte dabei mehr als 14,000 Kilometer zurück. Der Bus machte in 45 Ortschaften halt; Annalena Baerbock gab Interviews, hatte TV-Auftritte und nahm an den Triellen teil.

Trotz aller Bemühungen: Die Grünen werden wahrscheinlich nicht ins Kanzleramt einziehen. Baerbock gab am Freitagabend zu bedenken: „Wir können auch auf Zahlen blicken und wissen: Für einen echten Aufbruch braucht es noch ein paar Stimmen mehr.“

Doch viele Stimmen wanderten zu SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Die „Welt“ bezeichnete den Umstand, dass die Grünen wahrscheinlich das beste Ergebnis bei einer Bundestagswahl seit jeher erzielen werden – aber dennoch den Sprung ins Kanzleramt nicht schaffen und auch nicht stärkste Kraft der Parteien des linken Lagers werden – als „Paradoxon“.

Der Zeitung zufolge läge dies daran, dass die Grünen „Opfer ihrer eigenen Ambitionen“ geworden seien. Einem echten Wahlkampf wäre die Partei nicht gewachsen gewesen, dafür habe es zu viele „Fehler“ und „Schludrigkeiten“ geben. Jetzt, nachdem die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit offensichtlich geworden sei, bemühe sich die Partei auch wieder um Geschlossenheit. So sollen Baerbock und Habeck sich nach der Wahl wieder „aneinanderheften“ und einheitlich auftreten.

Egal ob Ampel-Koalition (SPD, Grüne, FDP), Jamaika-Bündnis (Union, Grüne, FDP) oder eine rot-grün-rote Regierung: Die Grünen sind in diesen Planspielen immer dabei. Mit welcher Koalition ein Dreier-Bündnis eingegangen wird, bestimmt am ehesten das Wahlergebnis der Union.

FDP und Grüne – ein Verhältnis mit Vorgeschichte

Als 2017 die Gespräche zwischen FDP und Grünen platzten, trauten Teile der Grünen und der FDP untereinander nicht mehr. Damals gründete Konstantin von Notz (Grüne) die Lebensstern-Runde (Berliner Bar), bei der sich FDP- und Grünen-Politiker zu informellen Gesprächen trafen und dort ein kollegiales Verhältnis aufbauen konnten. Auf den Treffen konnte offen und verbindlich miteinander gesprochen werden.

FDP-Politiker Stephan Thomae äußerte sich positiv über die Kooperationsbemühungen. Gegenüber der „Welt“ sagte er, die beiden Parteien hätten inhaltliche Unterschiede deutlich herausgearbeitet, teilweise aber auch überraschende Gemeinsamkeiten entdeckt. Es sei Vertrauen aufgebaut worden. Dies könne bei den anstehenden Verhandlungen ein Baustein sein, so Thomae.

Das Verhältnis zwischen Grünen-Chef Robert Habeck und FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki wird seit jeher als gut angesehen. Die beiden Politiker kennen sich aus Kubickis Kieler Regierungszeit. Die Grünen hätten laut „Welt“ auch gute Verbindungen zu FDP-Generalsekretär Volker Wissing. Er war in Rheinland-Pfalz Wirtschaftsminister einer Ampel-Koalition.

Grüne haben Zugänge zu allen wichtigen Entscheidungsträgern

Die Grünen sind in Bund und Ländern bestens vernetzt und regieren in zehn Landesregierungen. Sie tun dies in jeder erdenklichen Koalition mit CDU, SPD, FDP und den Linken – vor Koalitionsgesprächen gleich welcher Kombination bräuchten sich die Grünen also nicht zu fürchten, schreibt das Blatt. Da es von den Grünen vertrauliche Zugänge zu fast allen wichtigen Entscheidungsträgern in den Parteien gäbe, werden die Kontakte sich in den kommenden Wochen auszahlen. Der Wahlkampf sei zwar vorbei, dann aber starte ein politisches „Pokerspiel“, das sich über Monate hinziehen könnte. (nw)



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