Pistorius weist Bericht über „Geheimplan“ zurück und beschwört Unterstützung der Ukraine

In einer Regierungsbefragung hat Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius mehr „Wehrhaftigkeit“ für Deutschland gefordert. Berichte über einen „Geheimplan“ zur Beendigung des Krieges in der Ukraine wies er als „abwegigen Unsinn“ zurück.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat sich zu den Nachwuchssorgen der Bundeswehr geäußert.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat sich zu den Nachwuchssorgen der Bundeswehr geäußert. (Archivbild).Foto: Friso Gentsch/dpa
Von 30. November 2023

Am Mittwoch, 29. November, stellte sich Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius den Abgeordneten im Bundestag zu einer Regierungsbefragung. Gleich zu Beginn beschwor der Minister dabei die deutsche Unterstützung für die Ukraine gegen den „russischen Aggressor“ und dass diese nicht nachlassen werde.

Deutschland und Europa müssten, so der laut Umfragen derzeit beliebteste Politiker des Landes, „wieder wehrhafter“ werden. Gemeinsam müssten sie die „Führung in der NATO übernehmen“, um „Sicherheit und Frieden verteidigen“ zu können.

Grundgesetz laut Pistorius Garantie für lediglich defensive „Kriegstüchtigkeit“

Wenn es um die Unterstützung der Ukraine gehe, wisse er „die überbordende Mehrheit des Bundestages hinter sich“, betonte Pistorius weiter. Dies gelte auch hinsichtlich des Bekenntnisses zu intensiven Investitionen in Ausstattung und Ausbildung der Bundeswehr.

Dennoch gab es auch kritische Nachfragen an den Minister – unter anderem von der Abgeordneten der Linksfraktion, Gesine Lötzsch. Diese bezeichnete die Formulierung, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden, als „gefährlich“ und gehe außerdem nicht mit dem Grundgesetz konform. Pistorius hatte diesen Ausdruck im Oktober in einer ZDF-Sendung verwendet.

Der Minister verteidigte die Formulierung. Um einen Krieg führen zu können, müsse man „kriegstauglich, kriegstüchtig“ sein. Das Grundgesetz mache deutlich, dass es nur um Streitkräfte zur Verteidigung gehen könne.

Pistorius will immer mehr und schwerere Waffen liefern – Scholz soll ihn ausbremsen

Andere Sorgen hatte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie nahm auf einen Bericht der „Bild“ Bezug, in dem es um einen angeblichen „Geheimplan“ gehe, um die Ukraine in Friedensverhandlungen zu drängen. Pistorius erklärte dazu, er habe „selten einen abwegigeren Unsinn“ gelesen und wies auf die jüngsten Lieferungen von Luftverteidigungssystemen und gepanzerten Fahrzeugen hin.

Die „Bild“ will ihre Informationen jedoch „aus Regierungskreisen“ haben. Das Kanzleramt und das Weiße Haus würden sich dazu abstimmen. Dass Pistorius es ablehne, die Führung in Kiew in Verhandlungen mit dem Kreml zu zwingen, sei bereits eingepreist. Entscheidend sei, was der Bundeskanzler wolle.

Zwar würden weder US-Präsident Joe Biden noch Olaf Scholz den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj explizit zu Verhandlungen auffordern wollen. Allerdings, so „Bild“, wolle man dem Land „genau jene Waffen in genau den Mengen liefern, dass die ukrainische Armee zwar die aktuelle Front halten kann, zu einer Rückeroberung der besetzten Gebiete militärisch jedoch nicht in der Lage ist“.

Entscheidet am Ende tatsächlich Selenskyj über eine Verhandlungsbereitschaft der Ukraine?

Derzeit steht fast ein Fünftel des ukrainischen Territoriums – einschließlich der Halbinsel Krim – unter russischer Kontrolle. Entscheidende Territorialgewinne haben beide Seiten seit Längerem nicht mehr zu verzeichnen, was vorwiegend für Kiew zum Problem wird.

Diese Erkenntnis liege auch dem vermeintlichen „Geheimplan“ zugrunde. Einem Regierungsinsider zufolge schwebe Biden und Scholz Folgendes vor:

„Selenskyj soll selbst zu der Erkenntnis kommen, dass es so nicht weitergeht. Ohne Aufforderung von außen. Er soll sich aus freien Stücken an seine Nation richten und erklären, dass man verhandeln muss.“

Ob Selenskyj damit Erfolg hätte oder nur selbst den ultranationalistischen Kreisen im Sicherheits- und Militärapparat einen Vorwand gebe, ihn abzusetzen, ist unklar. Allerdings hätte in einem solchen Fall möglicherweise auch der Westen einen Anlass, offen auf Verhandlungen zu drängen. Immerhin wäre das Narrativ von der „demokratischen“ Ukraine, der man gegen die „Diktatur“ Russland beistehen müsse, konterkariert.

Von einem „Geheimplan“ für die Ukraine war auch schon im Februar die Rede

Immerhin gebe es dem zitierten Regierungsinsider zufolge auch einen „Plan B“, der ein „Einfrieren“ des Konflikts entlang der jetzigen Kontaktlinien vorsehe. Dabei würde es sich gleichsam um ein „Minsk, nur ohne Minsk“ handeln. Die 2014 zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs geschlossene Vereinbarung sollte den Bürgerkrieg in der Ostukraine beenden. Sie wurde jedoch nicht umgesetzt.

Die „Bild“ hatte allerdings bereits im Februar über einen vermeintlichen Geheimplan berichtet, der die Ukraine in Friedensverhandlungen bringen sollte. Die Initiative dazu soll von Großbritanniens Premier Rishi Sunak, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und wiederum Olaf Scholz ausgegangen sein.

Demnach solle die Ukraine näher an die NATO und deren Lieferketten heranrücken und im Gegenzug in Verhandlungen mit dem Kreml eintreten. Mit einem Artikel-5-Schutz solle diese Annäherung jedoch nicht verbunden sein. Im Westen soll der Unmut über die hohen Kosten und Folgeerscheinungen der Ukraine-Unterstützung immer größer werden. Ein französischer Regierungsbeamter soll zudem geäußert haben:

„Wir wiederholen immer wieder, dass Russland nicht gewinnen darf. Aber was bedeutet das? Wenn der Krieg lange genug mit dieser Intensität andauert, werden die Verluste der Ukraine unerträglich.“



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