Pistorius‘ Wehrdienstpläne: Zwischen Zustimmung und Skepsis

Verteidigungsminister Boris Pistorius' Pläne für einen „neuen Wehrdienst“ ernten Beifall und Kritik in der Politik. Aber wie sieht es mit der Akzeptanz unter den Bürgern aus?
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius kommt zu einem Termin im Verteidigungsausschuss des Bundestages, dort stellt er seine Pläne zu einem neuen Wehrdienst vor.
Boris Pistorius (Archiv) will Dienstbereitschaft aller 18-Jährigen erfragen.Foto: via dts Nachrichtenagentur
Von 19. Juni 2024

„Kriegstüchtig“ soll Deutschland werden, hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gesagt. „Man muss davon ausgehen, dass Russland ab 2029 militärisch in der Lage sein wird, einen NATO-Staat anzugreifen“, so der SPD-Politiker letzten Mittwoch, 12. Juni, in Berlin.

Auf der Website seines Ministeriums (BVMG) ist zu lesen: „Laut Militärexpertinnen und -experten könnte Russland in fünf bis acht Jahren in der Lage sein, NATO-Territorium anzugreifen.“

Pistorius‘ „neuer Wehrdienst“

Im Zusammenhang mit der Frage, ob in naher Zukunft ein Krieg zu befürchten sei, hatte Pistorius seine Pläne für einen „neuen Wehrdienst“ vorgestellt.

Dabei betont das Verteidigungsministerium, dass es sich „nicht um die Wiedereinführung der alten Wehrpflicht“ handelt.

Dazu gehört, die vor 13 Jahren ausgesetzte Erfassung von Wehrfähigen wieder aufzubauen, indem künftig 18-jährige Männer per Fragebogen verpflichtend erfasst werden. In den Fragebögen sollen diese ihre Fähigkeit und Bereitschaft zum Wehrdienst erklären. Es geht dabei um einen sechs oder 17 Monate dauernden Grundwehrdienst. 

Männer sind zur Antwort verpflichtet, Frauen hingegen nicht. Für deren Einbeziehung müsste das Grundgesetz geändert werden. Denn der Grundgesetz-Artikel 12a ermöglicht einen verpflichtenden Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband ausdrücklich nur für Männer – bis jetzt.

Strafe bei Auskunftsverweigerung

Für die jungen Männer ist bei Auskunftsverweigerung eine Strafe vorgesehen, wobei sich der Minister nicht zum Strafmaß äußerte. Von rund 400.000 Männern sollen 40.000 bis 50.000 zur Musterung eingeladen werden. Auf diese Weise will Pistorius 5.000 neue Soldaten pro Jahr gewinnen, auch wenn diese Zahl laut dem SPD-Politiker eigentlich nicht reicht. Er würde sich 20.000 wünschen, aber mehr als die 5.000 könnte die Bundeswehr aktuell schlicht nicht ausbilden. Deshalb sehe er seinen Vorschlag auch nur als Einstieg.

Die Entscheidung, zur Bundeswehr zu gehen, soll jedoch freiwillig bleiben. Die ersten Fragebögen zur Bereitschaft sollen ab dem Jahr 2025 verschickt werden.

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), betonte in einem Interview mit dem „Stern“, dass es zur Wehrpflicht kommen müsse, falls die Zahl der Freiwilligen nicht ausreicht. „Freiwilligkeit ist wichtig, aber es braucht perspektivisch auch eine Verpflichtung“, sagte die SPD-Politikerin. Allen müsse deutlich werden: „Jeder und jede in unserer Gesellschaft muss einen Beitrag leisten.“ 

Wehrpflicht nicht auszuschließen

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter (54), der Bundeskanzler Olaf Scholz immer wieder für seine Zögerlichkeit bei Waffenlieferungen kritisiert hatte, befindet in einem „Welt“-Interview Pistorius Vorschlag für gut:

„Wir werden damit mehr Personal gewinnen, auf freiwilliger Grundlage.“ Das alleine reiche aber nicht in diesen schwierigen Zeiten. Eine Wehrpflicht könne man deshalb nicht ausschließen.

Auch Unionsfraktionsvize Johann Wadephul geht das Modell von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nicht weit genug, er kritisierte: „Statt eines großen Wurfes, eine Verpflichtung auch für Frauen im Rahmen einer allgemeinen Dienstpflicht vorzuschlagen, macht er einen halbgaren Vorschlag, der die Personalprobleme der Bundeswehr nicht löst.“ Die CDU stehe zur Verfügung, auch für eine Übereinkunft zu Änderungen der Wehrverfassung oder im Artikel 12a des Grundgesetzes, der den Wehrdienst für Männer regelt. 

Jeder Zweite gegen Wehrdienstpläne

Während die Bundesregierung die Wehrtauglichkeit der kommenden Generationen erfassen möchte, sind 51 Prozent der Deutschen nicht davon überzeugt, dass die Wehrdienstpläne von Pistorius (SPD) zum Ziel führen werden. Das ergab eine Umfrage des Instituts Forsa für die RTL-Gruppe, bei der am 13. und 14. Juni 2024 Daten von 1.007 Befragten erhoben wurden. 

Mit über der Hälfte, 56 Prozent, zeigten sich demnach besonders skeptisch diejenigen, die von der Erfassung betroffen wären, nämlich junge Menschen. 55 Prozent der befragten Frauen beurteilen die Erfolgsaussichten negativ. 

Die Anhänger von SPD und FDP trauen den Plänen des Verteidigungsministers am meisten zu (59 und 60 Prozent sagen Ja, das wird gelingen). Bei den Grünen ist der Optimismus nicht ganz so groß (54 Prozent). Von den Wählern der AfD und des BSW ist lediglich ein gutes Drittel überzeugt, dass sich die Zahl der Soldaten erhöhen ließe.

Die Wehrpflicht wurde in Deutschland im Jahr 2011 nach 55 Jahren unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) als ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten ausgesetzt. Die Aussetzung der Wehrpflicht war Teil einer Streitkräftereform, bei der die Bundeswehr von über 250.000 Soldaten auf bis zu 185.000 verkleinert werden sollte. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall kann die Dienstpflicht wieder aktiviert werden. Dafür müsste der Bundestag mit einer Zweidrittelmehrheit den Weg frei machen.

(Mit Material der Agenturen)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion