Pistorius kandidiert für den Bundestag: Neue Debatte um mögliche Kanzlerambitionen

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius plant seine Kandidatur für den Bundestag im Wahlkreis Hannover II. Diese Ankündigung befeuert Spekulationen über eine mögliche Kanzlerkandidatur des Politikers, der in Umfragen regelmäßig Spitzenwerte erreicht. Die offizielle Nominierung soll im März 2025 erfolgen.
Titelbild
Verteidigungsminister Boris Pistorius am 4. September 2024 in Panker, Deutschland. Dort fand die operative Einführung des ersten IRIS-T SLM-Luftverteidigungssystems der Bundeswehr auf dem Militärstützpunkt Todendorf statt.Foto: Gregor Fischer/Getty Images
Von 1. Oktober 2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat bis dato noch kein Bundestagsmandat. Dies soll sich im nächsten Jahr ändern. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf Parteikreise schreibt, soll er im Wahlkreis Hannover II kandidieren.

Der Stimmkreis war bislang so stabil in SPD-Hand, dass sogar bekannte CDU-Kandidaten wie Friedbert Pflüger und Ursula von der Leyen ihn mit deutlichem Abstand verloren. Zuletzt hielt ihn Yasmin Fahimi, die aufgrund ihres Wechsels an die Spitze des DGB nicht mehr antreten will. Bei den Zweitstimmen hatten die Grünen 2021 die SPD überholt.

Kandidatur befeuert erneut Debatte über Kanzlerposten

Dem „Stern“ zufolge soll die offizielle Nominierung am 21. März 2025 stattfinden. Bei der Bundestagswahl 2021 hatte Pistorius nicht kandidiert. Seit 2013 war er in Niedersachsen als Innenminister im Kabinett von Stephan Weil tätig. Im Januar 2023 trat er die Nachfolge der glücklosen Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht an.

Anders als diese genoss er von Beginn an einen parteiübergreifenden Vertrauensvorschuss und einen starken Rückhalt sowohl in linksliberalen als auch bürgerlichen Medien. Bis heute finden sich darin kaum kritische Anmerkungen über den Minister. Wohl auch deshalb ist Pistorius in sämtlichen Umfragen mit deutlichem Abstand der beliebteste Politiker des Landes.

Dass er nun offiziell für den Bundestag kandidiert, lässt erneut die Debatte aufflammen, ob nicht Pistorius anstelle von Olaf Scholz Kanzlerkandidat der SPD werden soll. Zwar hieß es aus der Parteiführung bislang immer, man wolle an Scholz festhalten. Dennoch werden – mit Blick auf die Umfragen – die Stimmen für einen Wechsel zu Pistorius regelmäßig laut.

Ist Pistorius so beliebt – oder sind nur die anderen noch unbeliebter?

Auch im September hatte Pistorius beim ZDF-„Politbarometer“ die beste Bewertung aller Politiker. Auf einer Skala von minus fünf bis plus fünf kam er auf eine durchschnittliche Bewertung von 1,8. Eine Bewertung im positiven Bereich wies außer ihm nur NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst mit 1,1 auf. Olaf Scholz hingegen lag lediglich bei minus 0,7. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz kam auf minus 0,5.

Der Wahlsieg der SPD unter Ministerpräsident Dietmar Woidke in Brandenburg dürfte die Position von Olaf Scholz gestärkt haben. Auf Führungsebene könnte jedoch in letzter Minute noch eine Kandidatendebatte Platz greifen, sollten die Sozialdemokraten in der Scholz-Heimat Hamburg Anfang März ein schlechtes Ergebnis bei der Bürgerschaftswahl einfahren.

Bereits im Februar 2024 hatte Forsa für ntv/RTL eruiert, wo die hohe Beliebtheit von Pistorius in der deutschen Bevölkerung herrührt. So sagten unter anderem 62 Prozent aller Befragten – und sogar 57 der AfD-Anhänger –, dass der Minister „verständlich redet“. Zwischen 50 und 56 Prozent schreiben ihm auch Vertrauenswürdigkeit, Kompetenz und Führungsstärke zu. Bei der Führungsstärke hängt er Olaf Scholz am weitesten ab.

Bürger schätzen „Klartext“ – Umfrage sagt jedoch wenig über Inhalte

Auffällig ist, dass die Umfragen zur Beliebtheit von Pistorius sich auf Faktoren wie Auftreten, Kommunikationsstil und Führungsstärke beziehen. Pistorius spreche „Klartext“, so fassen Medien das Meinungsbild der Mehrheit zusammen, er sei kompetent. Vieles spricht dafür, dass die hohen Zustimmungswerte für den Politiker daher rühren, dass man dies alles Olaf Scholz nicht zubilligt. Die Inhalte, für die Pistorius steht, kommen dabei hingegen selten zur Sprache.

Allerdings haben die jüngsten Landtagswahlen kaum erkennen lassen, dass Forderungen wie jene nach „Kriegstüchtigkeit“ der Bundeswehr und einem Siegfrieden für die Ukraine Gewinnerthemen sind. Je stärker diese Positionen von Pistorius im Wahlkampf thematisiert würden, umso labiler könnten dessen Beliebtheitswerte werden.

Sosehr es auch „Klartext“ sein mag, wenn Pistorius eine erhebliche Aufstockung des Wehretats und den Ausbau des Sondervermögens für die Bundeswehr fordert: Es ist ungewiss, wie viele Wähler tatsächlich bereit wären, dafür auf Rentenerhöhungen, Familienleistungen oder Steuervergünstigungen zu verzichten. Bereits beim Klimaschutz war die abstrakte Zustimmung zu dessen Notwendigkeit stets hoch – was sich jäh änderte, sobald damit einhergehender Verzicht und Belastungen individuell spürbar wurden.

Pistorius löst in der Union teilweise mehr Begeisterung aus als in der eigenen Partei

Mit einem konfrontativen Zugang zur Politik gegenüber Russland hätte Pistorius zudem kein Alleinstellungsmerkmal. Es geht aus den bisherigen Umfragen hervor, dass seine Beliebtheitswerte damit zu tun haben, dass er deshalb von Anhängern der Union, der FDP und der Grünen positiv bewertet wird. Unter Anhängern der Union bescheinigten Pistorius im Januar 73 Prozent, er sei „kompetent“ – sechs Prozent mehr als Anhänger der eigenen Partei.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese seinetwegen auch den Sozialdemokraten ihre Stimme geben würden. Stattdessen könnten sich SPD-Wähler, die Angst vor einer weiteren Eskalation des Ukrainekrieges haben, von der Kriegsrhetorik verunsichert fühlen und zu BSW, Linkspartei, AfD oder Nichtwählern abwandern. Olaf Scholz tritt demgegenüber, was die militärische Eskalation anbelangt, regelmäßig auf die Bremse – etwa mit Blick auf die „Taurus“-Lieferungen.

Möglicherweise ist das auch ein Faktor, der dazu führt, dass Pistorius die geringste Zustimmung bezüglich der Zuschreibung „weiß, was die Menschen bewegt“ erhält. Dies bescheinigten ihm nur 36 Prozent aller Befragten. Außerdem hatten schon bei der Forsa-Umfrage im Februar 48 Prozent aller Befragten erklärt, sie hätten lieber ihn als Scholz im Kanzleramt. Unter den SPD-Wählern waren es jedoch nur 45 Prozent.

Ehemaliger Oberbürgermeister in Osnabrück

Möglicherweise ist Pistorius in seiner eigenen Partei also nicht annähernd so unumstritten und beliebt, wie er es in den Reihen bürgerlicher Parteien und der Medien ist. Darauf deutet auch die Debatte hin, die im Vorfeld um die Modalitäten seiner Kandidatur geführt worden war.

Der Minister hatte in seiner Zeit als Innenminister von Niedersachsen in Hannover gelebt und gearbeitet. Gebürtig stammt er jedoch aus Osnabrück – und war dort von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister. Eigentlich lag die Überlegung daher nahe, ihm diesen Stimmkreis anzutragen, und Pistorius soll diesbezüglich auch angefragt haben.

Den Stimmkreis Osnabrück-Stadt vertritt derzeit jedoch Manuel Gava. Dieser hatte sich bei seiner ersten Kandidatur mit gerade einmal 30,28 Prozent und einem Prozentpunkt Vorsprung gegen Mathias Middelberg durchgesetzt. Der 33-jährige Deutsch-Italiener, der zuvor als Vertriebsleiter für Gastrobetriebe und Eiscafés tätig war, weigerte sich jedoch, dem Minister Platz zu machen. Pistorius ließ es auf eine Kampfkandidatur nicht ankommen – und tritt nun in der Landeshauptstadt an.



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