Pistorius „den Vortritt lassen“: Erste SPD-Vertreter drängen auf Scholz-Rückzug
Eine halbe Woche, nachdem Olaf Scholz das Ende der Ampelkoalition verkündet hatte, gehen zwei SPD-Bürgerschaftsabgeordnete aus seiner Heimatstadt Hamburg auf Konfrontationskurs.
Auf Instagram erklären Markus Schreiber und Tim Stoberock, der Bundeskanzler habe „in der Sache in den vergangenen drei Jahren gute Politik gemacht“. Allerdings, so heißt es weiter, habe er es „nicht geschafft, die Menschen mitzunehmen und Führungsstärke zu kommunizieren“.
Die Abgeordneten schreiben, „das negative Bild, dass [sic] die Menschen im Land“ von Scholz hätten, „nicht mehr zu reparieren“ sei. Der Kanzler solle deshalb Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius „den Vortritt lassen, um die Wahl nicht zu verlieren“.
Beliebtester Politiker als Kanzlerkandidat
Scholz habe sich, so heißt es in dem Beitrag, darauf konzentriert, interne Kompromisse auszuhandeln. Diese habe er „anschließend in technokratischer Sprache“ verkündet, „kurz bevor sie von den Koalitionspartnern von hinten wieder zerschossen“ worden seien. Währenddessen sei „nach außen hin eine große kommunikative Lücke entstanden, die er nicht mehr wird schließen können“.
Pistorius hingegen könne „neue Zuversicht“ vermitteln und stehe „für ein Machen und eine klare Sprache“. Er sei bereits seit Längerem der beliebteste deutsche Politiker. Mit ihm wären „unsere Chancen, stärkste Partei zu werden oder jedenfalls deutlich besser abzuschneiden, sehr viel größer“.
Dass Pistorius die „Kriegstüchtigkeit“ propagiert, schadet aus Sicht der beiden Abgeordneten nicht. Immerhin habe er „Recht damit“ und mit der Erklärung, dass „ohne Sicherheit alles nichts ist“. Sollte Pistorius Kanzlerkandidat werden, müsse er „auch an dieser Stelle unsere volle Rückendeckung haben“.
Schreiber und Stoberock: Scholz‘ Kandidatur würde schaden
Dies alles könne aber „nur funktionieren, wenn Olaf Scholz einsieht, dass er mit seinem Verzicht der Sozialdemokratie hilft und mit einer weiteren Kandidatur uns allen schadet“. Viele kannten Scholz „aus seinem langjährigen verdienstvollen Wirken in Hamburg“, heißt es von Stoberock und Schreiber weiter.
„Jetzt gilt es klarzumachen, dass sein Verzicht die beste Lösung für unser Land und unsere Partei ist.“
Auch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter äußerte gegenüber dem „Tagesspiegel“, der „beliebteste Politiker Deutschlands“ komme zweifellos als Kanzlerkandidat infrage. Reiter fügte hinzu:
„Wenn jemand wie Boris Pistorius ein solches Ansehen hat, muss die SPD auch darüber nachdenken, ob er die beste Wahl für die Kanzlerkandidatur ist oder ob man mit dem amtierenden Bundeskanzler ins Rennen geht.“
Münchens OB: Scholz muss entscheiden
Reiter sagte, Pistorius sei hauptsächlich deshalb so beliebt, weil „er entscheidet, er erklärt, er hat klare Botschaften, er redet mit der Truppe“. Er sage, was er denke, und das mache ihn „authentisch“.
Scholz hingegen, so Reiter, treffe „zu 99 Prozent“ die richtigen Entscheidungen. Allerdings sei sein Eindruck, dass der Kanzler „eigentlich immer zu lange braucht, um zu entscheiden, und er seine Entscheidungen kaum bis gar nicht erklärt“. Benötige er Zeit zum Nachdenken, solle er dies „offen kommunizieren“.
Die Initiative für einen solchen Wechsel müsse jedoch von Kanzler Scholz selbst ausgehen. Dieser hatte jedoch bereits im Sommer mehrfach deutlich gemacht, die Wiederwahl anzustreben. Die gesamte Führungsriege der SPD – inklusive Pistorius selbst – hatte Scholz dafür mehrfach Rückendeckung zugesichert. Der Bundesverteidigungsminister selbst hatte jüngst erklärt, keine Ambitionen zu haben, Scholz abzulösen:
„Ganz ehrlich: Wir haben einen Bundeskanzler und der ist der designierte Kanzlerkandidat. Ich sehe niemanden in der Partei, der daran etwas verändern möchte.“
Würden Anhänger von Union, FDP und Grünen wegen Pistorius SPD wählen?
Tatsächlich hatten jüngst in einer Forsa-Umfrage 57 Prozent der befragten Deutschen erklärt, Pistorius als Kanzlerkandidat Scholz vorzuziehen. Für diesen sprachen sich bei dieser Auswahl nur 13 Prozent aus. Auch unter den SPD-Anhängern selbst bevorzugten nur 30 Prozent den amtierenden Kanzler.
Allerdings würden unter den SPD-Anhängern selbst nur 58 Prozent Pistorius bevorzugen – und damit nur unwesentlich mehr als im Gesamtdurchschnitt. Besonders hohe Zustimmung erhielt Pistorius unter Anhängern von Grünen (66 Prozent), Union (70 Prozent) und FDP (71 Prozent).
Auch sind es vor allem bürgerliche und konservative Medien, die in den vergangenen Tagen einen möglichen Wechsel von Scholz auf Pistorius zum Thema gemacht hatten. Je stärker Befragte zur Unterstützung der Ukraine tendieren, umso vehementer sprechen sie sich für Pistorius aus. Ob sie im Fall eines Wechsels in der Person des Kanzlerkandidaten deshalb auch SPD wählen würden, bleibt unterdessen fraglich.
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