Pikante Fälle zeigen: Wie das Informationsfreiheitsgesetz Skandale ans Licht brachte

Ein sogenanntes zivilgesellschaftliches Bündnis aus 44 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hat sich mit einem offenen Brief an die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken gewandt. Zudem haben bislang mehr als 240.000 Personen eine Petition des Vereins Campact“ unterzeichnet. In beiden Fällen geht es um das Informationsfreiheitsgesetz (IFG).
Die Organisationen befürchten, dass das seit 2006 in Kraft befindliche Gesetz in seiner aktuellen Form abgeschafft werden könnte. Die Union hat im Rahmen der Koalitionsverhandlungen offenbar einen solchen Schritt angeregt. Sie will im Wege der „Stärkung der repräsentativen Demokratie“ zwar Journalisten, nicht aber NGOs oder einzelnen Bürgern Auskunftsrechte einräumen, die dort vorgesehen sind. Ansonsten solle in erster Linie das Parlament Kontrollaufgaben wahrnehmen.
Zahlreiche in Unionsanfrage genannte NGOs hinter offenem Brief
Die Initiatoren des offenen Briefes haben den Vorstoß der Union bezüglich des Informationsfreiheitsgesetzes „mit Entsetzen“ aufgenommen. Unter ihnen befinden sich zahlreiche Organisationen, die Gegenstand der Unionsanfrage über Fördermittel für NGOs im Umfeld der Bundestagswahl waren. Neben Campact finden sich in der Unterzeichnerliste Namen wie die Amadeu Antonio Stiftung, Foodwatch, der BUND, das Netzwerk Klimajournalismus Deutschland, Greenpeace, Oxfam, die Bürgerbewegung Finanzwende, SeaWatch oder die Neuen deutschen Medienmacher*innen.
Nun fordern sie die SPD dazu auf, sich in den Koalitionsverhandlungen gegen Veränderungen des Gesetzes zu sperren. Dieses sichere seit fast 20 Jahren das Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen und sei „zu einem wichtigen Grundpfeiler unserer Demokratie geworden“.
Es sei das Informationsfreiheitsgesetz gewesen, das die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit staatlicher Entscheidungen für die Allgemeinheit gestärkt habe. Die damit verbundenen Auskunftsverpflichtungen hätten geholfen, Skandale wie die Plagiatsaffären um die Minister Karl-Theodor zu Guttenberg oder Franziska Giffey zu enthüllen.
Informationsfreiheitsgesetz trug zur Enthüllung mehrerer Skandale bei
Tatsächlich erwies sich das Informationsfreiheitsgesetz in unterschiedlichen Zusammenhängen als Instrument zum Einblick in politisch durchaus pikante Akten und Dokumente. Die sogenannte Maskenaffäre über Lobbykontakte von Abgeordneten in der Anfangsphase der Corona-Pandemie kam über Anfragen nach dem IFG ins Rollen.
Gleiches gilt für die „Augustus-Intelligence-Affäre“ über Lobbykontakte, die der politischen Karriere der CDU-Nachwuchshoffnung Philipp Amthor einen Dämpfer verpasste. Die Gegner der geplanten Veränderungen am Informationsfreiheitsgesetz sehen es als besondere Pikanterie, dass ausgerechnet Amthor diese nun nachdrücklich einfordert.
Auf Grundlage des IFG erzwangen Medien auch die Offenlegung von Konvoluten wie den sogenannten RKI-Files. Aus diesen ließ sich unter anderem ableiten, wie stark das staatliche Robert Koch-Institut in seiner Forschungs- und Publikationsarbeit zur Corona-Pandemie von der Politik unter Druck gesetzt wurde. Dies ging so weit, dass auf politische Intervention hin unerwünschte Inhalte aus Stellungnahmen gelöscht wurden.
DFJV hält IFG für „unverzichtbares Mittel gegen intransparentes Staatshandeln“
Eine weitere Klage nach dem Informationsfreiheitsgesetz erzwang im vergangenen Frühjahr die Herausgabe von Akten des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesumweltministeriums. Das Magazin „Cicero“ hatte damals Dokumente über die Art und Weise der Gutachtertätigkeit zu den Möglichkeiten des Weiterbetriebs von Kernkraftwerken veröffentlicht.
Beide Ministerien sollen ihre Erkenntnisse in parteilicher statt in ergebnisoffener Weise aufbereitet haben. Der 20. Bundestag hatte dazu sogar einen Untersuchungsausschuss einberufen. Allerdings gingen im Abschlussbericht die Einschätzungen bezüglich der Qualität der Arbeit der Expertenstäbe deutlich auseinander.
Insgesamt sind Angaben der Bundesregierung zufolge in den Jahren 2015 bis 2022 insgesamt 105.423 Anträge zu Informationsersuchen nach dem IFG eingegangen. In 9.610 Fällen seien Auskunftsersuchen vollständig und in 16.201 Fällen teilweise abgelehnt worden. Verbände wie der Fachjournalistenverband DFJV bezeichnen das IFG als „unverzichtbares Mittel gegen intransparentes Staatshandeln“.
Informationsfreiheitsgesetz im internationalen Vergleich zahnlos?
Der DFJV betont, dass der Erfolg vieler Investigativrecherchen etwa zu politischen Skandalen und behördlichen Missständen auf dem Informationsfreiheitsgesetz beruhe. Zwar habe es in der Vergangenheit mehrfach Versuche von Behörden gegeben, Anfragen nach dem IFG zu verzögern. Ohne das Gesetz wären jedoch die Möglichkeiten der Behörden, Auskünfte grundsätzlich abzulehnen, deutlich größer.
Auch die Initiatoren des offenen Briefes an die SPD-Spitzen sehen in den Unionsplänen eine „Gefahr für die Demokratie und ein fatales Signal an alle Bürger*innen“. Stattdessen sei eine Weiterentwicklung hin zu einem Transparenzgesetz erforderlich, das staatlichen Behörden sogar proaktive Pflichten zur Offenlegung und Digitalisierung von Dokumenten auferlege.
Das deutsche IFG sei nicht einmal besonders weitreichend, erklären die NGOs. Der Antikorruptionszusammenschluss GRECO im Europarat beurteile es immer noch als mangelhaft. Auch im Right to Information Ranking der UNESCO liege Deutschland nur auf Platz 127 von 140.
Union befürchtet Bürokratie und Überlastung von Behörden
Die Union hatte die Befürchtung geäußert, zu weitreichende Auskunftsrechte auch für Einzelpersonen würden zu mehr Bürokratie führen und die Behörden überlasten. Dieser Effekt ist nach Überzeugung der Transparenzwerber nicht eingetreten.
Das IFG räumt jedermann gegenüber Behörden des Bundes den Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen ein, soweit diese öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Auf Landesebene gibt es ebenfalls Informationsfreiheitsgesetze. In Fällen, die das Gesetz aufzählt, darf die Herausgabe von Informationen verweigert werden. Im Zweifel müssen Gerichte die Interessen bezüglich Transparenz und Geheimhaltung gegeneinander abwägen.
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