Petra Nicolaisen siegt gegen Habeck – er bleibt im Bundestag, sie draußen

Mehrere prominente Grünen-Politiker unterlagen bei der Bundestagswahl ihren CDU-Herausforderern – und ziehen dennoch ins Parlament ein. Dagegen verlieren 18 direkt gewählte CDU- und CSU-Kandidaten ihr Mandat aufgrund der umstrittenen Zweitstimmendeckung. CDU-Chef Merz kündigt an, die Wahlrechtsreform rückgängig zu machen.
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Die Union sieht massive Schwächen in der Wahlrechtsreform der einstigen Ampel.Foto: Michele Tantussi/Getty Images
Von 25. Februar 2025

Gleich mehrere grüne Promipolitiker verloren am Sonntag, 23. Februar, bei der Bundestagswahl ihre Wahlkreise gegen Herausforderer von der CDU. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte in Flensburg-Schleswig gegen Petra Nicolaisen das Nachsehen, seine enge Vertraute Franziska Brantner in Heidelberg gegen Alexander Föhr. Habeck und Brantner werden dennoch dem nächsten Bundestag angehören – Nicolaisen und Föhr nicht.

Die Union schießt sich deshalb jetzt auf die Wahlrechtsreform ein. Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz hat am Montag in einer Pressekonferenz angekündigt, diese im März 2023 verabschiedete Neuregelung wieder rückgängig zu machen.

Warum vor allem CDU und CSU Verlierer der Wahlrechtsreform sind

Petra Nicolaisen und Alexander Föhr fielen der sogenannten Zweitstimmendeckung zum Opfer. Gleiches gilt für die im Sommer des Vorjahres von den Grünen zur CDU gewechselte Melis Sekmen, die in Mannheim die meisten Erststimmen auf sich vereinte. Auch beide in Frankfurt am Main siegreichen CDU-Wahlkreiskandidaten werden nicht im nächsten Bundestag vertreten sein.

Nach Angaben der Bundeswahlleiterin (PDF) haben 23 Kandidaten aus den Reihen von CDU, CSU, AfD und SPD über die Erststimme ihres Wahlkreises zwar Direktmandate gewonnen, dürfen wegen der Wahlrechtsreform aber nicht in den Bundestag einziehen.

Grund für die verlorenen Mandate ist, dass das Bundeswahlgesetz explizit vorsieht, dass dem Bundestag nur 630 Abgeordnete angehören. In jedem Land erhält eine kandidierende Partei die Sitzzahl zugeteilt, die „von den auf die Partei entfallenden Zweitstimmen gedeckt ist“. Zwar haben Wahlkreisbewerber auch nach der neuen Regelung grundsätzlich den Vorrang bei der Sitzzuteilung, allerdings ist dieser durch die Zweitstimmendeckung begrenzt.

Hat eine Partei nun in dem betreffenden Bundesland mehr Wahlkreise gewonnen, als ihr Sitze gemäß ihres Zweitstimmenanteils zustehen, kommen die Wahlkreissieger mit dem höchsten Erststimmenanteil zum Zug. Die Wahlkreissieger der Partei werden „nach fallendem Erststimmenanteil“ gereiht. Dabei geht es nach dem Prozentanteil an Erststimmen in dem entsprechenden Wahlkreis.

Gegen Habeck gewonnen – an der Zweitstimmendeckung gescheitert

In Schleswig-Holstein standen der CDU aufgrund des Zweitstimmenergebnisses acht Sitze zu, der SPD fünf, der AfD fünf, den Grünen vier, der Linken zwei und dem SSW einer. Das Land verfügt über elf Wahlkreise. Von diesen gewann die CDU neun sowie Grüne und SPD je einen. Da die SPD nur einen Wahlkreis gewann, aber Anspruch auf fünf Sitze hatte, konnte sie die verbleibenden vier über die Landesliste auffüllen.

Gleiches galt für die Grünen, wobei der Listenerste Robert Habeck war, der deshalb trotz des Verlusts des Direktmandats in den Bundestag einziehen kann. AfD, Linke und SSW haben in Schleswig-Holstein keine Wahlkreise gewonnen, weshalb allein die Landesliste relevant ist für die Besetzung der Mandate.

Demgegenüber hat die CDU neun Wahlkreise gewonnen, aber nur Anspruch auf acht Sitze nach dem Zweitstimmenergebnis. Aus diesem Grund fällt ein Direktmandat aufgrund der Zweitstimmendeckung weg, und zwar jenes, das den geringsten Erststimmenanteil aufweist.
Acht Stimmkreise gewannen Erststimmenkandidaten der CDU mit Ergebnissen zwischen 32,3 und 35 Prozent. Petra Nicolaisen gewann ihren mit einem Erststimmenanteil von 26,5 Prozent. Deshalb ging sie leer aus. Ihre Absicherung über Platz 2 der Landesliste half ihr nicht, da dieses Ermittlungsverfahren nicht mehr zum Zug kam.

CDU und CSU sehen Entdemokratisierung durch Schwächung des Direktmandats

Ähnlich sah es in sechs Wahlkreisen von Baden-Württemberg und fünf in Hessen aus. In Bayern gewann CSU-Kandidatin Volker Ullrich mit 31,1 Prozent und zehn Punkten Vorsprung den Stimmkreis Augsburg-Stadt vor Claudia Roth (Grüne). Jedoch kam auch er nicht zum Zug – mangels Zweitstimmendeckung. Roth hingegen war über die Landesliste abgesichert. Ullrich warf Roth daraufhin vor, „keine Demokratin diesbezüglich“ zu sein, und verweigerte ihr offenbar am Wahlabend den Handschlag. Später äußerte er sein Bedauern über dieses Verhalten.

Insgesamt fielen 23 Erststimmenmandate aufgrund der Zweitstimmendeckung durch den Rost. Mit 18 nicht besetzten Wahlkreisen sind CDU und CSU die Hauptbetroffenen dieser Regelung, die direkt vom Bürger gewählte Abgeordnete zugunsten von Listenkandidaten benachteiligt. Kritiker sehen darin eine Entdemokratisierung, da die Listen von Parteifunktionären bestimmt werden und Wähler keinen Einfluss darauf haben. Systeme mit Vorzugsstimmen wie in Österreich gibt es in Deutschland nicht.

Neben 15 von der CDU und drei von der CSU gewonnenen Wahlkreisen waren auch vier von der AfD und ein von der SPD gewonnener Wahlkreis von der Zweitstimmendeckung betroffen. Im Vorjahr hatte es jedoch in der AfD Sachsen-Anhalt selbst Bestrebungen gegeben, auf die Aufstellung von Erststimmenkandidaten zu verzichten. Argumentiert wurde mit Vetternwirtschaft, die bei der Nominierung zum Tragen kommen könne. Der Vorstoß wurde jedoch nicht weiterverfolgt.

Bundesverfassungsgericht hat Wahlrechtsreform abgesegnet

Mithilfe der Wahlrechtsreform wollte die damalige Ampelregierung ein Ausufern der Abgeordnetenzahl im Bundestag verhindern. Zuvor wurden Überhangs- und Ausgleichsmandate vergeben. Aufgrund der steigenden Anzahl im Bundestag vertretener Parteien führte dies dazu, dass statt ursprünglich vorgesehener 598 zuletzt 736 Abgeordnete im Parlament saßen. Nun soll es definitiv nur noch 630 Sitze geben.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Wahlrechtsreform in weiten Teilen für verfassungskonform erklärt – auch die Zweitstimmendeckung. Aufgehoben wurde nur das Aus für die Grundmandatsoption, der zufolge Parteien mit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen an der Mandatsverteilung teilnehmen, wenn sie mindestens drei Direktmandate erreichen. Auf diese Regelung hatten CSU und Linke gepocht.



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