Petition gestartet: Ballweg will 100.000 Stimmen für Gefangenenrechte sammeln
Deutschlandweit sind sämtliche Corona-Maßnahmen offiziell zum 8. April 2023 beendet worden. Auch in den Haftanstalten: „Seit dem Auslaufen der Maßnahmen nach der CoronaVO“ gebe es keinerlei „Coronabedingte Maßnahmen“ mehr, erklärte Matthias Nagel, Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stuttgart-Stammheim, auf Anfrage der Epoch Times.
Es existiere lediglich noch ein „geregeltes Zugangsverfahren […] bis zum Abschluss der Eingangsdiagnostik in isolierten Bereichen“. Das sei schon in der Vor-Corona-Ära so gehandhabt worden. Dabei spiele auch TBC eine Rolle.
Auch das Justizministerium Baden-Württemberg bestätigte, dass der offizielle „Handlungsleitfaden“ vom Juni 2021 zum Umgang mit der SARS-CoV-2-Herausforderung mit Ablauf des 7. April 2023 aufgehoben worden sei.
Ballweg sieht keinen Grund, Petition zu ändern
Der kürzlich aus der U-Haft entlassene Querdenken-Begründer Michael Ballweg war noch von einem anderen Szenario ausgegangen, als er seine Petition für bessere Haftbedingungen verfasst hatte: Gespräche mit Inhaftierten aus verschiedenen Haftanstalten hätten ihm nahegelegt, dass in den Gefängnissen auch weiter an den Maßnahmen festgehalten würde, erklärte er im Interview mit der Epoch Times.
„Die Petition ist meines Erachtens seit Ostern obsolet“, meint nun der JVA-Leiter Nagel. Wird Ballweg seine Petition nun ändern oder gar zurückziehen? „Nee, natürlich nicht“, sagte er am Telefon. Auch abgesehen von Corona-Regeln gebe es genügend Gründe, auf die Zustände in deutschen Gefängnissen hinzuweisen. Der Schriftsatz ist auf der Onlineplattform „Change.org“ einsehbar.
Entschädigung erschwerten Corona-Haftbedingungen
Der Stuttgarter Unternehmer wollte unter anderem erreichen, dass die Justizvollzugsanstalten spätestens zum 1. Juli 2023 „mindestens“ auf den Stand vor dem 12. März 2020 zurückkehren. Sprich: Die Corona-Maßnahmen sollten ersatzlos gestrichen, die Palette an Freizeitmöglichkeiten erweitert werden.
Im zweiten Teil seines Gesuchs fordert Ballweg eine „Entschädigung für die erschwerten Haftbedingungen aufgrund der Corona-Maßnahmen“: Ein Tag im Gefängnis soll für U-Häftlinge bei erwiesener Unschuld künftig 2,5 bis 3 Tage „zu entschädigende Haft“ bedeuten, für Strafhäftlinge sollen immerhin zwei Tage angerechnet werden.
„Andere europäische Länder berücksichtigten eine Untersuchungshaft während der Pandemie durch eine Faktor-Anrechnung“, argumentiert Ballweg. Immerhin seien die Bedingungen in der U-Haft noch strenger als in „normaler“ Strafhaft, um vor allem die Verdunklungsgefahr zu minimieren.
Der JVA-Leiter wollte sich dazu nicht näher äußern: Dies sei „eine Angelegenheit der Gerichte und Vollstreckungsbehörden“, nicht der Vollzugsbehörden.
Rechtsanwalt will Druck im Landtag machen
Seine Petition sei allerdings „nur der erste Schritt“, um Verbesserungen im Strafvollzug zu erreichen, betonte Ballweg. Einer seiner Rechtsbeistände, Dr. Reinhard Löffler, säße für die CDU auch im Rechtsausschuss des Landtags Baden-Württemberg. Dort werde er bald eine „Kleine Anfrage“ im Sinn der Petition starten.
Stimmen erhoffe er sich auch von den Familien der Gefangenen. „Ich habe an einige meiner Mitinsassen davon geschrieben. Wenn sie meine Nachricht in vielleicht zwei Wochen in Händen halten, können Sie ihren Angehörigen beim nächsten Besuchstermin davon erzählen“, sagte Ballweg. Auch einige Strafverteidiger habe er informiert, damit sich sein Engagement unter den Inhaftierten herumsprechen könne.
Bis die Petition das angestrebte Ziel von 100.000 Stimmen erreicht habe, könnten wohl sechs Monate ins Land gehen, meint Ballweg.
„Gefangene haben keine Lobby“
Was trieb den Querdenken-Gründer dazu, kaum zehn Tage nach seiner neunmonatigen U-Haft wieder sozial aktiv zu werden? „Gefangene haben keine Lobby“, erklärte Ballweg im Lauf des Gesprächs mit der Epoch Times immer wieder, „demokratische Prozesse finden im Gefängnis nicht statt“. In den Gefangenenvertretungen säßen meist Leute, die eher „nicht so kritisch“ seien. Ihr Einfluss sei gering, Gefangene hätten so gut wie keine Rechte mehr.
So hätten sämtliche Inhaftierte in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim vom 12. März 2020 bis zum 24. Juli 2022 durchgehend unter Einschränkungen gelitten, die den Gefängnisalltag noch schwieriger als ohnehin gestalteten. Vor allem die Möglichkeit zur Pflege sozialer Kontakte seien erheblich gekürzt worden: „Familienbesuche waren bis 24.07.2022 nur online per Skype möglich. Anwaltsbesuche mussten hinter einer Trennscheibe stattfinden. Für Ungeimpfte hätten die Einschränkungen noch länger angedauert.“
Unmut nach gebrochenen Zusagen
Allzu viele Ungeimpfte aber wird es in Stammheim nicht gegeben haben, denn die Gefängnisleitung hatte bei einem Ja zur Spritze laut Ballweg Privilegien in Aussicht gestellt: Wer sich zum Impftag am 9. Juni 2021 bereit erklärt habe, den Oberarm freizumachen, dem seien „wieder persönliche Besuche, Sportangebote und Spielegruppen“ oder auch „verringerte Einschlusszeiten“ versprochen worden.
Doch „von den versprochenen Freiheiten wurde keine einzige umgesetzt, das haben mir Mitgefangene bestätigt“, sagte Ballweg. Das habe einigen Unmut bei den Betroffenen ausgelöst – vor allem bei jenen, die sich nur wegen der Versprechungen hatten impfen lassen.
„Die Behauptungen sind nicht nachvollziehbar“, schrieb das Justizministerium. „Die Immunisierung hatte zwar Auswirkungen auf Hygieneanforderungen, beispielsweise beim Erfordernis einer Zugangsquarantäne, die Differenzierungen orientierten sich aber an den Maßstäben, die auch außerhalb des Justizvollzugs galten. Dass es in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart zu ‚Versprechungen‘ im Zusammenhang mit der Impfung gekommen sein soll, kann auch die Anstaltsleitung nicht einordnen. Insbesondere hat im Sommer 2021 Präsenzbesuch stattgefunden, womit bereits die Behauptung ,von Freiheiten wurde keine einzige umgesetzt‘ nicht zutreffend ist.“
Zwischen Lockerungen und Verschärfungen
Erst ab dem 25. Juli des vergangenen Jahres hätten wenigstens zwei leichte Lockerungen Einzug hinter den Hochsicherheitsmauern gehalten, nämlich „eine Stunde Sport pro Woche“ und die Möglichkeit zum „Besuch eines christlichen Gottesdienstes von 30 Minuten“, wie Ballweg auch in seiner Petition erwähnt.
JVA-Leiter Nagel erklärte, dass „die Dauer der werktäglichen Freizeit leicht erhöht“ worden sei. Zurzeit aber habe die JVA „Schwierigkeiten […], ehrenamtlich geleitete Gruppenangebote wieder anzubieten, da derzeit noch nicht wieder genügend ehrenamtliche Mitarbeiter ‚an Bord‘“ seien. Man bemühe sich, dem abzuhelfen.
Ballweg hält das für wenig plausibel. Es habe in der JVA Plakate gegeben, die sich beispielsweise an Sportinteressierte gerichtet hätten. Doch etwa zwei Wochen vor seiner Freilassung seien diese kommentarlos abgehängt worden. Er frage sich auch, wozu man dafür Ehrenamtliche benötige.
Ballweg berichtet davon, dass er und seine Mitgefangenen 21,5 Stunden pro Tag in ihrer Zelle („Haftraum“) eingesperrt gewesen seien, samstags und sonntags sogar 23 Stunden. Für „Neu-Insassen und Häftlinge mit positivem Test“, die in Quarantäne mussten, sei sogar eine Einschlusszeit von 24 Stunden pro Tag möglich gewesen, und das bis zu sechs Wochen lang.
Der Leiter der JVA bestätigte, dass die Quarantäne anfänglich 14 Tage gedauert habe, dann aber Zug um Zug „nach den jeweiligen Empfehlungen des RKI sowie den fortschreitenden Testmöglichkeiten“ gekürzt worden sei. Zuletzt habe man die Insassen bei positivem PCR-Test nur noch für 48 Stunden isoliert. Unter Verweis auf Paragraf 25 Abs.1 JVollzGB II und das Infektionsschutzgesetz (IfSG) „in Verbindung mit den Hygieneplänen der Gemeinschaftseinrichtungen“ beabsichtige die JVA aber, den Empfehlungen zur Absonderung „zum Schutz der Gefangenen“ weiter zu folgen.
„Sämtliche Einschränkungen bzw. Schutzmaßnahmen waren Ausfluss der staatlichen Verpflichtung, das Leben und die Gesundheit der in den Justizvollzugsanstalten untergebrachten Gefangenen zu schützen“, stellte eine Sprecherin des Justizministeriums fest. „Etwaige Lockerungen wurden, sobald sie vertretbar und möglich erschienen, zügig umgesetzt.“ Außerdem habe es auch Erleichterungen gegeben: Unter anderem sei Videotelefonie ermöglicht und für finanzielle Entlastung der Insassen gesorgt worden.
Nach neun Monaten auf freiem Fuß
Michael Ballweg selbst hatte vom 29. Juni 2022 bis zum 4. April 2023 in Untersuchungshaft gesessen. Dann hob der zuständige Haftrichter am Oberlandesgericht Stuttgart im Rahmen der regulären Neun-Monats-Haftprüfung den Haftbefehl auf.
Das OLG war zu der Erkenntnis gelangt, dass „das zu erwartende Strafmaß die Dauer der U-Haft“ nicht übersteigen werde, selbst wenn es noch zu einer Anklage und Verurteilung kommen sollte.
Ballweg soll mit Spendengeldern für die Querdenker-Bewegung nicht gesetzestreu umgegangen sein. Der Beschuldigte beteuert seine Unschuld. Ob es überhaupt noch zu einem Hauptverfahren kommen wird, ist derzeit unklar.
Neues Konzeptpapier: „Querdenken 2023-2030“
„Mit meiner Verhaftung haben sie sich ein Eigentor geschossen“, erklärte Ballweg nach Informationen der Zeitung „Welt“ bereits am vergangenen Sonntag auf einer Demonstration. Sein neues Konzept „Querdenken 2023-2030“ habe er schon im Gefängnis geschrieben, sagte Ballweg. Ansonsten habe er seine Zeit hinter Gittern vor allem zum Meditieren, zum Lesen und für private Korrespondenz genutzt.
Im Gespräch mit dem Homeoffice-Team des Leipziger Onlinesenders „NuoViso“ hatte Ballweg von Tausenden Briefen erzählt, die ihn in seiner Zelle erreicht hätten. Jeden Tag habe er bis zu sechs Stück beantworten können. „Ich würde wieder alles genauso machen“, gab der Ex-Häftling zu Protokoll.
Schon wieder auf Demos unterwegs
Nun also ist er wieder auf der Straße aktiv: Während seines Telefonats mit der Epoch Times war Ballweg auf der Autobahn in Richtung Erfurt unterwegs, um an einer Demonstration für den suspendierten und angeklagten Weimarer Familienrichter Christian Dettmar teilzunehmen.
„Die Demo war erfolgreich“, sagte Ballweg bei einem zweiten Telefonat auf dem Nachhauseweg. Es seien „in der Spitze“ zwar nur 200 bis 300 Leute da gewesen, doch das sei angesichts des Wochentags und des mäßigen Wetters nicht schlecht. Nun freue er sich auf weitere Aktionen.
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