Patzelt weist Dolchstoßlegende zurück: „CDU-Verluste in Sachsen lagen nicht an WerteUnion“
Die Analyse zur Landtagswahl in Sachsen, die am vergangenen Sonntag (8.9.) in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) erschien, las sich wie eine moderne Dolchstoßlegende. Ausgehend von der Beobachtung, dass die CDU-Verbände in einigen Stimmkreisen den früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen eingeladen hatten, zog man aus den Niederlagen der entsprechenden Kandidaten gegenüber den Erststimmenkandidaten der AfD den Schluss, dass diese Einladungspraxis der entscheidende Faktor für die Stimmenverluste der Union gewesen wären.
Der Umkehrschluss daraus wäre, dass nur ein weiterer konsequenter Linkskurs der CDU und am Ende gar eine noch stärkere Orientierung an der Politik der Bundespartei auch in Sachsen eine Erfolgsgarantie böten – und lediglich die konservative Kritik daran einen solchen verhindert hätte.
Korrelation begründet noch keine Kausalität
So weit wollte die FAS-Analystin Livia Gerster dann doch nicht gehen. Dass sie am Ende aber gar den – wie Maaßen in der „Werte-Union“ organisierten – Politikwissenschaftler und CDU-Wahlkampfberater Werner Patzelt als Kronzeugen für ihre Einschätzung benennt, hat diesen nun zu einer Erwiderung auf seinem Blog veranlasst.
Patzelt verwahrt sich dagegen, aus der Korrelation zwischen Maaßen-Auftritten und CDU-Niederlagen in den entsprechenden Stimmkreisen – es waren sechs an der Zahl – eine Kausalität herzuleiten:
Anhand der Korrelation von Maaßen-Auftritten und CDU-Wahlkreisniederlagen einen Kausalzusammenhang zu konstruieren, ist ebenso sinnvoll, wie aus der Häufigkeit von Störchen und Geburten im ländlichen Raum sowie der Seltenheit von Störchen und Geburten im städtischen Raum zu schließen, Störche brächten die Kinder.“
Der Vorwurf, den man Maaßen allenfalls machen könne, wäre allerdings allenfalls, dass dieser sich „eher in den Dienst der eigenen Sache als in den der sächsischen CDU“ gestellt habe, was medial sowie von der CDU skandalisiert worden wäre.
Leihstimmen von links
In einer Situation, in der auf der Linken die Losung ausgegeben wurde, es gelte, notfalls durch Stimmen für aussichtsreichere CDU-Direktkandidaten Wahlkreismandate für die AfD zu verhindern, war die Bereitschaft linker Wähler, ihre Erststimme den CDU-Kandidaten zu geben, dort entsprechend höher, wo diese nicht auf Konfrontationskurs gegenüber linken Ideen gingen. Wo CDU-Direktkandidaten auf Maaßen als Wahlkampfhelfer setzten und damit offenkundig um Stimmen potenzieller AfD-Sympathisanten warben, gaben Zweitstimmenwähler von SPD, Linken und Grünen auch ihre Erststimmen eher den Kandidaten ihrer Partei.
Ein Hans-Georg Maaßen, der Abrechnungen in eigener Sache und bundespolitische Themen in den Vordergrund stellt, hatte zweifellos das Potenzial, die grundlegende Wahlkampfstrategie der sächsischen CDU zu unterlaufen, die darauf setzte, ausschließlich Landesthemen in den Mittelpunkt des Wahlkampfes zu stellen.
Die Person des Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und die Regierungsbilanz der Union im Freistaat zum Wahlkampfargument zu machen, widerlegt jedoch gerade nicht die Einschätzung, dass es vor allem die Politik der Bundes-CDU war, die der sächsischen Partei geschadet hat. Immerhin hatte die CDU zuvor bei bundesweiten Urnengängen wie der Bundestags- oder EU-Wahl im Freistaat noch deutlich schlechtere Resultate erzielt als bei der Landtagswahl – und war dabei jeweils landesweit hinter die AfD zurückgefallen.
Merkel und AKK wurden gar nicht erst angefordert
Die Bürger in Sachsen waren also offenbar vor allem mit dem Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer Nachfolgerin an der Parteispitze, Annegret Kramp-Karrenbauer unzufrieden – deutlich weniger mit der Art und Weise, wie sie von der CDU in Sachsen regiert werden. Auch deshalb hatte die Parteiführung in Sachsen diese von vornherein mit Bedacht aus dem Wahlkampf herausgehalten.
In einer Situation, da die Sachsen-CDU ihre Botschaft auf die von der Bevölkerung überwiegend als positiv empfundene Regierungsbilanz im Freistaat selbst beschränken wollte, birgt die Einladung von bundespolitischen Exponenten, die explizit auf eine falsche Politik der Bundespartei hinweisen, unabänderlich ein Risiko. Das Argument, es mache Sinn, die CDU zu wählen, weil sie im Land selbst eine gute Politik mache, ist als positive Aussage naturgemäß stärker als jenes, dass die CDU zwar im Bund eine falsche Politik mache, aber dass der Wähler doch bitte im Freistaat darüber hinwegsehen möge, weil eine Protestbotschaft die falschen treffe.
Der Unmut der Bürger über die politischen Weichenstellungen der Bundes-CDU steht dennoch weiterhin als Elefant im Raum. Jene CDU-Direktkandidaten, die sich in einer akuten Bedrohungslage befanden, ihr Mandat an die AfD zu verlieren und deshalb Maaßen als Verstärkung einluden, versuchten auf diese Weise diesem Umstand proaktiv entgegenzusteuern.
Können der CDU in Sachsen dauerhaft 32 Prozent ausreichen?
Damit gelang es ihnen jedoch nicht, Wähler umzustimmen, die aus Protest gegen die Politik der Bundes-CDU im Land AfD wählen wollten. Maaßen wurde mit seiner Botschaft offenbar eher als bestärkend im Protestverhalten wahrgenommen – anders als beispielsweise der unterlegene Gegenkandidat Kramp-Karrenbauers für den CDU-Bundesvorsitz, Friedrich Merz. Dieser war beispielsweise im Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 1 aufgetreten, der als AfD-Hochburg gilt – am Ende konnte die CDU dort aber wieder ausreichend Boden gutmachen.
Die Analyse der FAS erhebt Unterschiede in den Ergebnissen, die vorwiegend taktischem Wahlverhalten zuzurechnen sind, zu entscheidenden Faktoren für eine inhaltliche und strategische Ausrichtung. Das mag ein möglicher analytischer Zugang sein, wenn man das Verhindern von Erststimmenmandaten für die AfD als primäre Aufgabe der CDU in Sachsen betrachtet. In einer Situation, in der eine Partei 32,1 Prozent der Zweitstimmen als Achtungserfolg feiert, die 20 Jahre zuvor noch 56,9 Prozent erzielt hatte, greift dieser Ansatz aber möglicherweise etwas kurz.
Dies betont auch Patzelt, der darauf hinweist, dass das größte strategische Problem der sächsischen CDU bleibe, dass sie fast die Hälfte ihrer früheren Wähler an die AfD verloren habe – und dieser Verlust ein dauerhafter sein könnte:
Die AfD hat weiterhin viele Stimmen von der CDU gewonnen und wird diese Wähler in der kommenden CDU/Grüne/SPD-Koalition wohl dauerhaft an sich binden, während die CDU-stärkenden Leihstimmen von Grünen und Linken sich nicht der Zuneigung zur CDU verdanken, sondern allein dem Wunsch, die AfD nicht stärkste Partei werden zu lassen. Im Grunde hat sich die CDU in die Falle ihrer Gegner von links begeben. Derzeit ist sie jedenfalls ein Scheinriese: Das x von ‚29 % plus x‘ verdankt sie Leihstimmen, und die meisten Direktmandate wurden auch nur mit hauchdünnem Vorsprung gewonnen.“
Patzelt will weiterhin lieber die AfD überflüssig machen
Die klare Abgrenzung der Union von der AfD habe sich zwar insofern gelohnt, als der AfD gezeigt worden sei, dass „ihr bequemer und selbstgefälliger Radikalisierungskurs sie gerade nicht an die Seite der CDU bringt“ – und dass die Linke keine Basis fand, um glaubhaft die Drohkulisse einer schwarz-blauen Koalition im Wahlkampf zu nutzen.
Allerdings helfe diese Entwicklung der CDU, die nun linke Politik mitermöglichen müsse, die vom sächsischen Wähler nicht nachgefragt wurde, nicht weiter. Patzelts Fazit lautet weiterhin:
„Nur wenn wir der AfD Wähler abnehmen, werden wir wieder stark. Und leider nahm die CDU ihrerseits die Auftritte von Maaßen zum Anlass, weitere Wähler lieber zur AfD zu komplementieren als ihnen zu sagen: ‚Eine Wahl der AfD ist fortan unnötig, denn die verlässliche und vernünftige CDU ist wieder da!‘“
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