Partizipationsgesetz soll noch 2024 in den Bundestag – Ministerium dementiert Meldungen über Migrationsquote

Die SPD-Fraktion soll ein Partizipationsgesetz mit einer Migrantenquote für den öffentlichen Dienst geplant haben. Ziel ist es, eine höhere Repräsentation der Einwanderungsgesellschaft in den Behörden zu erreichen. Kritiker warnen vor gesellschaftlicher Spaltung und positiver Diskriminierung. Das Innenministerium dementiert.
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 2. Oktober 2024

Mit einem Partizipationsgesetz will die SPD-Fraktion Menschen mit Migrationsgeschichte eine stärkere Repräsentanz im öffentlichen Dienst ermöglichen. Im Juni hatte Innenministerin Nancy Faeser erste Eckpunkte dazu skizziert.

Meldungen zufolge sollte es auch Überlegungen in Richtung einer Quote geben. Dies stieß auf Kritik und warf Fragen nach Fairness und gesellschaftlicher Spaltung auf.

Bereits in einem Bericht aus dem Jahr 2021 wies die Integrationsbeauftragte des Bundes darauf hin, dass Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst in Deutschland unterrepräsentiert seien. Im Rahmen ihrer sogenannten Diversitätsstrategie beabsichtigt die Bundesregierung, diese Lücke zu schließen. Mittlerweile soll vonseiten der SPD-Fraktion im Bundestag ein Entwurf für ein Partizipationsgesetz vorliegen. Einem Bericht von „Bild“ zufolge sei in diesem von einer Quote die Rede.

Ein Einwohner der Bundesrepublik Deutschland weist dann einen „Migrationshintergrund“ auf, wenn er entweder selbst nach 1949 hierher eingewandert ist oder einen Elternteil hat, auf den dies zutrifft. Der 17. Kinder- und Jugendbericht des Bundesfamilienministeriums zieht den Wert dieses Begriffs in Zweifel. Dieser, so heißt es dort, werde der diversen Lebensrealität gerade junger Menschen nicht mehr gerecht.

Partizipationsgesetz bereits im Koalitionsvertrag verankert

Der „Bild“ liegt eigenen Angaben zufolge eine „Arbeitsplanung für das 2. Halbjahr 2024“ vor. Diese spricht auch das geplante Gesetz an, das die „Partizipation der Einwanderungsgesellschaft“ stärken soll. In diesem Zusammenhang ist zu lesen, dass dies „durch eine Quote von Personen mit Migrationsgeschichte oder Diskriminierungserfahrung bei Bundesgerichten und Behörden“ geschehen solle.

Genaueres gebe es bisher nicht. Die Schaffung eines Partizipationsgesetzes ist Teil des Koalitionsvertrags der Ampel. Die geplante Stärkung der Einwanderungsgesellschaft soll unter anderem mit einem „Partizipationsrat“ einhergehen.

Die „ganzheitliche Diversity-Strategie“ soll einen „Kulturwandel“ in der Bundesverwaltung und in Unternehmen mit Bundesbeteiligung bewirken. Dafür seien „Fördermaßnahmen, Zielvorgaben und [weitere] Maßnahmen“ verbunden. Die SPD wolle mit der Verankerung des Vorhabens in der Arbeitsplanung ihren „Willen zur Umsetzung bekunden“, teilte die SPD-Fraktion dem Blatt mit.

Faeser-Entwurf reichte weniger weit

Eine verbindliche Quote für Menschen mit Migrationsgeschichte im öffentlichen Dienst ginge über das hinaus, was bereits im Juni Ministerin Faeser hinsichtlich des Partizipationsgesetzes angekündigt hatte. Bereits damals kündigte sie Maßnahmen an, um den Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst an den Anteil in der Gesamtbevölkerung anzugleichen.

In der Leitungsvorlage für ihren Entwurf war eine solche noch nicht genannt. Generell enthielt dieses Papier keine Ansätze in Richtung einer sogenannten positiven Diskriminierung. Stattdessen sollen Stellenausschreibungen für den öffentlichen Dienst künftig den Hinweis enthalten, dass „Bewerbungen von Personen mit Einwanderungsgeschichte ausdrücklich erwünscht sind“.

Außerdem soll es alle vier Jahre einen Fortschrittsbericht über den Stand und Erfolg der Bemühungen um mehr Diversität im öffentlichen Dienst geben. Zu diesem sollen migrantische Organisationen Stellung nehmen können. Zudem soll es regelmäßige Mitarbeiterbefragungen und ein statistisches Monitoring der Erfolge geben.

Ministerium stellt klar: „Es wird keine Quote geben“

Die Epoch Times hat bei der SPD-Fraktion angefragt, inwieweit der Entwurf für das Partizipationsgesetz, das sie in den Bundestag einbringen möchte, von den Ankündigungen Faesers abweiche. Diese hat jedoch bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht geantwortet.

Unterdessen hat das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser gegenüber der „Welt“ (Mittwochsausgabe) klargestellt, dass der anstehende Entwurf zum Partizipationsgesetz keine gesetzliche Quote enthalten werde.

Es sei zwar eine verstärkte Einstellung von Menschen mit Migrationsgeschichte in der Bundesverwaltung und in Unternehmen mit Bundesbeteiligung angedacht. Dabei werde man jedoch, so ein Sprecher der Behörde, „auf allen Ebenen den Vorrang von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gemäß Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes beachten“.

Letzte Erhebung: 12 Prozent der Beamten und Bundesangestellten haben Migrationsgeschichte

Laut der Integrationsbeauftragten des Bundes lag der Anteil der Beamten und Bundesangestellten mit Migrationsgeschichte bei etwa 12 Prozent (2018). Seither könnte sich dieser Anteil nach oben bewegt haben.

Demgegenüber wiesen laut „Statista“ im Jahr 2023 etwa 24,9 Millionen Menschen oder 29,7 Prozent der deutschen Wohnbevölkerung einen sogenannten Migrationshintergrund auf. Etwa die Hälfte davon besaß zu diesem Zeitpunkt die deutsche Staatsangehörigkeit.

Dem Mikrozensus 2023 zufolge besaßen mindestens 2,9 Millionen Deutsche eine weitere Staatsbürgerschaft. In mehr als 70 Prozent der Fälle war dies eine europäische. Der Zugang zum öffentlichen Dienst setzt eine deutsche oder die Staatsbürgerschaft eines EU- oder EWR-Staates voraus.

Bezüglich einzelner Bereiche des öffentlichen Dienstes sind EU-Bürger deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt. Im sogenannten Kernbereich hoheitlicher Tätigkeit wie dem Richteramt oder dem Polizeidienst ist in jedem Fall eine deutsche Staatsangehörigkeit erforderlich.

Mehrere Faktoren können zu unterdurchschnittlichem Anteil beitragen

Unter den befristeten Beschäftigten in der Bundesverwaltung sind Menschen mit zumindest einem nach 1949 zugewanderten Familienmitglied mit 19,6 Prozent relativ überrepräsentiert. Dies geht aus dem Bericht von 2021 hervor. Im einfachen Dienst liegt ihr Anteil bei 17,6 Prozent, im höheren lediglich bei 10,5.

Immerhin ist der Anteil von Staatsbediensteten mit Migrationsgeschichte im höheren Dienst (13,3 Prozent) mittlerweile höher als im mittleren (12,7 Prozent). Dies weist auf eine gestiegene Durchlässigkeit hin. In der Privatwirtschaft entsprach der Beschäftigungsanteil zum Erhebungsstichtag hingegen weitgehend dem Gesamtanteil an der Wohnbevölkerung.

Die Gründe für die Unterrepräsentanz können vielfältig sein. Bewusste Diskriminierung oder Vorurteile müssen dabei nicht der ausschlaggebende Faktor sein – auch wenn Gesetze wie das Berliner Neutralitätsgesetz beispielsweise Frauen mit Kopftuch benachteiligen. Ein möglicher Faktor ist auch eine geringere Anbindung von Bürgern mit Migrationsgeschichte an politische Netzwerke oder informelle Zusammenschlüsse wie Studentenverbindungen oder Thinktanks. Diese können hilfreich sein als Türöffner für Karrieren im öffentlichen Dienst.

In vielen Bereichen dürfte ein Verzögerungseffekt Platz greifen, der erst der dritten oder vierten Generation Zugewanderter steilere Karrieren ermöglicht. Ähnliche Phänomene waren zuvor schon in der Privatwirtschaft zu beobachten.

INSA: Partizipationsgesetz könnte mehrheitlich zu Irritationen führen

Kritik am geplanten Partizipationsgesetz kommt unter anderem vom Bremer Migrationsforscher Stefan Luft. Er bezeichnete das Vorhaben „Bild“ gegenüber als „schädlich“. Eine solche Politik erwecke „den Eindruck der Bevorzugung von Migranten und der Benachteiligung der angestammten Bevölkerung“. Dies spalte die Gesellschaft und könnte sich „wie eine große staatliche Werbekampagne für die AfD“ auswirken.

Auch Hermann Binkert, Chef des Meinungsforschungsinstituts INSA, sieht mögliche Probleme einer positiven Diskriminierung jenseits des Leistungsprinzips. Diese würde „sicher mehrheitlich kritisch“ gesehen. Maßnahmen dieser Art, so Binkert, führten „oft eher zum Gegenteil dessen, was man erreichen will“.



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