„Pandemiebürokratie“, Corona-Jugend und Schuldkult(ur)

Während sich die hohe Politik noch um die Aufarbeitung der Corona-Pandemie drückt, fängt man im „Ländle“ bereits damit an, aus den Fehlern zu lernen. Der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden lud zur alljährlichen Dialog-Runde ein.
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Menschen.Foto: iStock
Epoch Times20. Oktober 2021

Am 18. Oktober trafen sich Armin Schuster, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, der Ex-Wirtschaftsweise und Direktor des Walter Eucken Instituts in Freiburg, Lars Feld sowie Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) in der Aula der Universität Freiburg zu einer Podiumsdiskussion unter dem Motto „Flickenteppich Föderalismus“.

Moderiert wurde die Veranstaltung zur Corona-Nachlese von Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Industrieller Unternehmen Baden (wvib), Sprachrohr und Dienstleister für insgesamt 1.049 familiengeprägte, mittelständische Industrieunternehmen in Baden-Württemberg.

Die Mitglieder des 1946 von Unternehmern für Unternehmer gegründeten Verbandes beschäftigen rund 384.000 Mitarbeiter und erwirtschaften einen Umsatz von weltweit 75 Milliarden Euro.

Rückblickend auf die Pandemie und Maßnahmen meinte Lars Feld, Professor für Wirtschaftspolitik an der Freiburger Universität, zu Beginn der Veranstaltung, dass die Wissenschaft nur beraten könne, entscheiden müssten aber andere, da Entscheidungen immer Verteilungsinteressen berührten, so der Ex-Wirtschaftsweise. Im demokratischen Prozess müssten diese abgestimmt und auch rechtsstaatlich geprüft werden.

Katastrophenschutz-Chef Armin Schuster erklärte, dass Deutschland eigentlich ein krisenarmes Land sei. Man habe immer wahnsinniges Glück gehabt, weshalb man auch nicht auf eine solche Überraschung vorbereitet gewesen sei. Schusters Ansicht nach passe die derzeitige „schroffe Trennung zwischen Bund und Ländern“ nicht mehr zu den aktuellen Krisen. Er brachte dazu die Idee eines kooperativen Föderalismus ins Gespräch. Man brauche eine nationale Resilienzstrategie.

Professor Feld sieht weiterhin die Stärken im Föderalismus. Er verwies auf Frankreichs zentralisiertes System, das auch nicht effizienter auf Krisen reagiere. Mache ein zentrales System einen Fehler, dann machen diesen alle, habe Lars Feld der Meldung nach gesagt.

„Pandemiebürokratie“ und Corona-Jugend

Boris Palmer, der schon frühzeitig und trotz Kritik mit seinem schnelltestbasierten Tübinger Modell von „Öffnen mit Sicherheit“ zu Lockerungen des Lockdowns in der Pandemie übergegangen war, kritisierte die „Pandemiebürokratie“:

„Würde man uns mehr machen lassen, dann würde auch vieles besser laufen“, wobei Palmer beispielsweise auf die Verteilung der FFP2-Masken an über 65-Jährige in Apotheken anspielte. Die Kosten für diesen Aufwand hätten den Wert der Masken um den Faktor zehn übertroffen, so der Grünen-Politiker.

Kritisch sah Palmer auch die Folgen der Maßnahmen bezüglich Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen: „Was wir der jungen Generation angetan haben, ist völlig inakzeptabel, völlig unverhältnismäßig“. Man hätte von Anfang an in den Schulen mit Tests den Schulbetrieb aufrechterhalten können. Aufgrund der Bürokratie sei dies nicht gelungen.

Palmer erinnerte auch, dass die Todeswahrscheinlichkeit durch Corona bis 50 Jahre nicht gefährlicher sei als bei einer Influenza. Lockdowns habe man da aber nie gemacht. Es seien Entscheidungen getroffen worden, „die bei korrekter Bewertung von Risiken so nie hätten getroffen werden dürfen“. Während die Tests in den Altersheimen vielerorts zu spät gekommen seien, sperrte man anderswo pauschal ab, so der Tübinger Stadtchef.

Problemfall Schuldkultur

Alle drei Teilnehmer, Feld, Schuster und Palmer, waren sich einig, dass das größte Problem im guten Zusammenspiel liege – zwischen dem Rechtssystem, der Bürokratie und einer im Wirrwarr überforderten Politik. Denn das eigentliche Problem, das man habe, sei laut Boris Palmer „eine bürokratiesklerotische, risikoaversionsgetriebene Schuldkultur“. (sm)



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