Pädagogen widersprechen Bildungsministerin: „Wir sollten beginnen, uns auf den Frieden vorzubereiten“
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger sieht die Schulen in der Verantwortung, junge Menschen auf einen Kriegsfall vorzubereiten. „Die Gesellschaft muss sich insgesamt gut auf Krisen vorbereiten – von einer Pandemie über Naturkatastrophen bis zum Krieg“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagsausgaben vom 16. März). „Zivilschutz ist immens wichtig, er gehört auch in die Schulen. Ziel muss sein, unsere Widerstandsfähigkeit zu stärken.“
In anderen Ländern wie Großbritannien gehe man viel natürlicher mit dem Thema um. „Dort gehören Übungen für den Katastrophenfall an Schulen zum Alltag. Davon können wir lernen“, so die Ministerin. Sie begrüßte auch die vom Städte- und Gemeindebund angestoßene Debatte über die Schaffung neuer Schutzräume.
Die Ministerin rief die Schulen dazu auf, ein „unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr“ zu entwickeln. Sie hält es für wichtig, dass Jugendoffiziere in die Schulen kommen und berichten, was die Bundeswehr für die Sicherheit tut, sagte sie.
Die jungen Menschen müssten die Bedrohungen der Freiheit kennen und mit den Gefahren umgehen können, forderte Stark-Watzinger. Das müsse kein eigenes Schulfach, aber Lerninhalt sein. Die Schulen hätten die Aufgabe, Risiken altersgerecht aufzuzeigen. „Dabei geht es auch darum, Sorgen und Ängsten zu begegnen.“
Dafür will die Ministerin das Personal in den Schulen erweitern. „Wir brauchen multiprofessionelle Teams, denen neben Lehrkräften auch Sozialarbeiter und Psychologen angehören“, sagte sie.
Pädagogen weisen Ministerin in die Schranken
Für ihren Vorstoß erntete die Ministerin Kritik. Die ausgebildete Diplomvolkswirtin sei – abgesehen von der eigenen Schulzeit – ohne jegliche pädagogische Erfahrung oder Fachkompetenz, wenden der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, und Thomas Gottfried, abgeordneter Gymnasiallehrer am Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität Augsburg, ein.
„Abgesehen davon, dass Schule heute andere Sorgen hat – aufgrund mangelnder Lese- und Sozialkompetenz ist die Schulfähigkeit vieler Kinder fraglich –, überschreitet die Ministerin ihre vom Grundgesetz gezogenen Grenzen, die die Kulturhoheit den Ländern zuweist“, kommentieren die beiden Pädagogen in ihrem in der „Welt“ erschienenen Beitrag.
Wir sollten beginnen, uns auf den Frieden vorzubereiten, statt uns mit dem Krieg abzufinden“, finden die Pädagogen.
Schule sei dazu da, Frieden zu schaffen – und zwar mit den Waffen der Menschlichkeit. Der Vorstoß der Ministerin sei aus erziehungswissenschaftlicher Sicht unbegründet und gehe am staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen völlig vorbei. Er reduziere Schule auf eine nachgeordnete Behörde des Staates, transformiere Bildung zu Ausbildung und wandele Bildungsziele in gesellschaftspolitische Erwartungen um.
Schule sei kein „verlängerter Arm des Staates“, um nationale oder parteipolitische Interessen bei Kindern und Jugendlichen zu implementieren. „Das wäre, wie der sächsische Kultusminister Christian Piwarz (CDU) zu Recht formuliere, ‚Wehrkundeunterricht 2.0‘ mit üblen Erinnerungen an DDR-Diktatur und Nazibarbarei.“
Oberstes Bildungsziel: Gottesfurcht, Heimatliebe und Völkerversöhnung
Die beiden Pädagogen weisen darauf hin, dass Schule kein Ort für Ausbildung sei, sondern „ein Lern- und Lebensraum, in dem durch Erziehung Bildung erworben wird“. Die Ministerin hätte besser einen Blick in die Länderverfassungen, wie die von Bayern, werfen sollen, bevor sie sich als „schulpädagogische Laie outet“. Denn dort ist in Artikel 131 der Bildungs- und Erziehungsauftrag verankert – und zwar im Sinne eines ganzheitlichen Menschenbildes:
(1) Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden.
(2) Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt.
(3) Die Schülerinnen und Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinn der Völkerversöhnung zu erziehen.
(4) Die Mädchen und Buben sind außerdem in der Säuglingspflege, Kindererziehung und Hauswirtschaft besonders zu unterweisen.
Es gehe also gemäß Absatz 3 nicht um Kriegstüchtigkeit, sondern um Völkerverständigung beziehungsweise ‑versöhnung. „Damit ist alles gesagt, was jede Lehrperson wissen muss, um in ihrem Unterricht und darüber hinaus den Schülerinnen und Schülern alle Kenntnisse und Fähigkeiten, Einstellungen und Haltungen zu vermitteln, die es braucht, um in Krisen aller Art nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren“, so die Pädagogen.
Oberstes erstes Bildungsziel sei „Ehrfurcht vor Gott“. Es gehe also um „Demut und Dankbarkeit, um Verbundenheit mit der ganzen Schöpfung, um Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft und Friedfertigkeit“.
Frieden fängt im Klassenraum an
Das Instrument „Angst“ hingegen sei in pädagogischen Settings fehl am Platz. Schulen seien „keine nachstaatlichen Kaderschmieden zur Nachwuchsgewinnung von Soldaten“. In Schulen würden die Kinder und Jugendliche vielmehr lernen, dass es keinen Weltfrieden gibt, solange man sich nicht mit seinen Mitschülern versteht, fair streitet und wieder versöhnt.
Die zwei Pädagogen bezeichnen Schulen als „Keimzellen eines pazifistischen Traumes“, der die Welt jeden Tag ein Stück besser machen könnte, wenn man ihn zum Leben erwecke.
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