Ost versus West: Die größten Bürgersorgen und wie der Staat gesehen wird

Kurz vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen zeigt eine Allensbach-Umfrage, dass Bürger in Ost und West zwar die gleichen Sorgen teilen, es aber teils massive graduelle Unterscheide gibt. Ein weiteres Ergebnis: Doppelt so viele Ostdeutsche wie Westdeutsche denken, dass sie nur scheinbar in einer Demokratie leben und dass die Bürger im Grunde nichts zu sagen haben.
Eine Woche vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen sieht eine neue Umfrage des Instituts Insa für die «Bild» die AfD in beiden Ländern vorn. (Symbolbild)
Ein ostdeutsches Phänomen? Die AfD ist in Thüringen und Sachsen laut Umfragen vorn.Foto: Marijan Murat/dpa
Von 28. August 2024

Die Bundesrepublik schaut nach Thüringen und Sachsen, wo am kommenden Sonntag ein neuer Landtag gewählt wird. Drei Wochen später, am 21. September, wird dann Brandenburg an den Wahlurnen sein.

Aktuell stehen Thüringen und Sachsen im medialen Fokus: Laut einer aktuellen INSA-Befragung liegt die AfD in beiden Ländern in Führung. In Sachsen erreicht die Partei laut einer Umfrage 32 Prozent und liegt damit vor der CDU mit 30 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kommt demnach auf 15 Prozent, die SPD auf sechs Prozent und die Grünen auf fünf Prozent.

In Thüringen liegt die AfD laut der Umfrage mit 30 Prozent weiterhin klar in Führung vor der zweitplatzierten CDU mit 21 Prozent, auf die folgt direkt das BSW mit 20 Prozent. Für die repräsentative Erhebung hatte das Institut INSA von Montag bis Freitag jeweils tausend Wahlberechtigte in Sachsen und Thüringen befragt. Epoch Times berichtete.

Bundesweit ergibt sich ein anderes Bild als in den neuen Bundesländern, bei denen die Landtagswahl ins Haus steht. Beim aktuellen Sonntagstrend (Insa-Umfrage: „Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, wie würden Sie wählen?“) liegt die Union mit 31 Prozent deutschlandweit auf Platz eins in der Wählergunst. Danach folgt die AfD auf Platz zwei mit 18 Prozent.

Die Unterschiedlichkeit der Ergebnisse solcher Befragungen kann einen Hinweis darauf geben, dass zwischen Ost und West nicht nur unterschiedlich gewählt, sondern vorwiegend auch unterschiedlich gedacht wird.

Ost versus West: Wie wird der Staat gesehen, wie das politische System?

Zu diesen Ost-West-Unterschieden hat das Institut für Demoskopie Allensbach eine Umfrage im Auftrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (hinter Bezahlschranke) durchgeführt – eine Befragung zur Einschätzung des Staates und des politischen Systems. Im Ergebnis werden laut Institut deutliche und auch systematische Unterschiede zwischen Ost und West offenbar. Konkret geht es um „die Bindung an die Demokratie und ihre Institutionen“. So stimmten in der aktuellen Umfrage 27 Prozent der Westdeutschen, aber mit 54 Prozent doppelt so viele der Ostdeutschen der Aussage zu: „Wir leben nur scheinbar in einer Demokratie, tatsächlich haben die Bürger nichts zu sagen.“

Auch die Sozialismus-Frage wurde von Allensbach gestellt: Für 43 Prozent der Ostdeutschen ist demnach Sozialismus „eine gute Idee, die nur schlecht umgesetzt wurde“. Dieser Aussage stimmen nur 18 Prozent der befragten Westdeutschen zu.

Offenbar fühlen sich immer mehr Menschen durch die Politik gegängelt, vor allem im Osten: Da bejahten 63 Prozent die Frage „Schreibt die Politik uns immer mehr vor, wie wir unser Leben zu führen haben?“ Lediglich 22 Prozent finden das nicht. Im Westen hingegen stimmen dem 53 Prozent zu und 32 Prozent finden nicht, dass die Politik immer mehr vorschreibt, wie das Leben zu führen sei.

Grafiken zur Ost-West-Umfrage von Allensbach. Quelle: Institut für Demoskopie Allensbach/ F.A.Z-Grafik Walter, via X x.com/IlkoKowalczuk/status/1826490926300016776

Hauptsorge Ukraine-Krieg: Ost und West vereint?

Die Themen, die den Menschen in Ost und West die meisten Sorgen machen, sind allerdings laut der Erhebung die gleichen. Die Reihenfolge der am häufigsten genannten Sorgen sei fast identisch. Es gebe nur graduelle Unterschiede zwischen den Antworten von West- und Ostdeutschen.

Der Krieg in der Ukraine bereitet 71 Prozent der Westdeutschen und 73 Prozent der Ostdeutschen große Sorgen. Die Inflation machte 67 Prozent der Westdeutschen und 75 Prozent der Ostdeutschen zu schaffen. Dass Deutschland in militärische Konflikte hineingezogen werden könnte, fanden 63 Prozent der Befragten im Westen und 72 Prozent im Osten sehr besorgniserregend.

Allerdings gibt es bezüglich der Ukraine unterschiedliche Lösungsvorstellungen in Ost und West. Bei der Aussage „Deutschland sollte sich darum bemühen, den Kontakt zu Russland wieder aufzubauen und zu stärken“, lag die Zustimmung unter Ostdeutschen bei 53 Prozent, unter Westdeutschen waren es mit 25 Prozent weniger als die Hälfte davon.

Flüchtlingspolitik, Krieg, abgehobene Politiker

69 Prozent aus dem Osten und 59 Prozent aus dem Westen sorgt es, „dass immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen“. In der Frage, ob die Politiker in Berlin abgehoben sind, stimmten 75 Prozent im Osten zu – im Westen 61 Prozent. Ähnlich die abgestufte Einigkeit bei der Aussage, dass in der Politik die kleinen Leute vernachlässigt werden: In Ostdeutschland stimmten 62 Prozent zu, im Westen 50 Prozent.

Einen starken Politiker an der Spitze und „Schluss mit endlosen Debatten und Kompromissen“ wollen Ost und West, wenn auch in ungleicher Gewichtung: 60 Prozent im Osten, 49 Prozent im Westen.

Dem Allensbach Institut nach sagen diese Antworten vornehmlich aus, dass Ostdeutsche etwas besorgter als Westdeutsche seien. Doch es beschäftigten sie die gleichen Themen. Von einer fundamental anderen Wahrnehmung der Lage könne keine Rede sein, so das Fazit. Ost und West seien sich ähnlicher als gedacht.

Thüringen und Sachsen deutschlandweit Vorreiter?

Die Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sind inzwischen zu einem nationalen Politikum geworden. Sie gelten als Indikatoren für tiefgreifende gesellschaftliche und politische Veränderungen, die weit über die betroffenen Bundesländer hinaus reichen könnten.

Epoch Times hatte zuvor Prof. Werner J. Patzelt um Einschätzung gebeten, was diese Wahlen auch für Gesamtdeutschland so bedeutend machen. Die Antwort des Dresdner Politikwissenschaftlers:

„Es gibt einen alten Buchtitel, der lautet: ‚Die Ostdeutschen als Avantgarde‘. Wenn man auf die neuen Bundesländer und das dortige Protestpotenzial blickt, insbesondere darauf achtet, dass der Aufstieg der AfD sich besonders in Ostdeutschland ereignet hat und das deutsche Parteiensystem umzuprägen beginnt, bekommt man ein Gefühl dafür, dass das, was in diesen drei Bundesländern geschieht, den Rest Deutschlands mit einiger Verzögerung ebenfalls prägen könnte.“

Man blicke sozusagen auf die Zukunft des bisherigen westdeutschen Parteiensystems. Das sei es, was die Sache im Osten so spannend mache, so der renommierte Politikwissenschaftler. Lesen Sie HIER die ganze Epoch-Times-Analyse.

Mit Material von dts



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