„Operationsplan“ für den Kriegsfall: Bayerns Kliniken bereiten sich vor

Nicht nur die Bundeswehr, auch der zivile Sektor benötigt einen umfassenden „Operationsplan“ für den Kriegsfall. Diese Auffassung vertritt Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“.
Die Politikerin verweist auf die angebliche militärische Bedrohung durch Russland und die zurückhaltendere militärpolitische Ausrichtung von US-Präsident Donald Trump. Diese bedeuteten auch „massiven Handlungsbedarf für das deutsche Gesundheitssystem und die ganze Zivilgesellschaft“, so Gerlach. Die „Stärkung der Verteidigungsbereitschaft“ dürfe sich nicht allein auf die Bundeswehr beschränken. Auch der zivile Sektor sei gefragt.
Gesundheitsministerin drängt auf schnelles Vorgehen
Die wahrscheinliche künftige Bundesregierung aus Union und SPD möchte noch diese Woche im alten Bundestag eine Grundgesetzänderung erwirken. Diese soll die Bildung kreditfinanzierter Sondervermögen im Umfang von mehr als 1 Billion Euro für Infrastruktur, Verteidigung und Klimaschutz ermöglichen.
Neben dem militärischen „Operationsplan Deutschland“, den die Bundeswehr derzeit erarbeitet, bedürfe es auch eines zivilen Pendants. Neben der Versorgung im Allgemeinen müsse man auch das Gesundheitssystem im Besonderen auf alle Arten von Krisen vorbereiten – „auch auf kriegerische Angriffe aller Art“.
Trotz bereits bestehender struktureller Probleme wie des Fachkräftemangels müsse die Versorgung von „weitaus mehr Menschen als in Friedenszeiten“ gewährleistet sein. Eine intakte Gesundheitsversorgung sei „für die Verteidigung eines Landes ebenso wichtig wie die Bundeswehr“. Die Aufgabe sei es, „die medizinische und pflegerische Versorgung von mehr als 80 Millionen Menschen unter Kriegsbedingungen aufrechtzuerhalten“. Zusätzlich müsse man auch verletzte Soldaten versorgen können, so Gerlach.
Kliniken in Bayern optimieren derzeit ihre Planungen
In diesem Sinne sei es erforderlich, Standards, Infrastruktur und das Vorratswesen anzupassen. Um dies zu gewährleisten, müsse man „mutige Entscheidungen treffen“. In Mangellagen könne auf „Berichtspflichten über Standards und Prüfungen bis hin zu Personalvorgaben“ verzichtet werden.
Es könne dann einzig darum gehen, Leben zu retten. Deutschland und Europa müssten wieder zu einem stärker gefragten Standort für die Pharmaindustrie werden. So lasse sich die Versorgung mit Arzneimitteln absichern. Außerdem gehöre der Schutz der IT-Infrastruktur gegen äußere Angriffe zu den Prioritäten.
Bayern sei bereits mit gutem Beispiel vorangegangen. Der Freistaat habe seine Kliniken bereits dazu angehalten, Auskunft über den Stand der Planung von Alarm und Einsätzen zu geben. Das Thema sei, so Gerlach, bereits in den Einrichtungen angekommen:
„Viele optimieren gerade ihre Planungen.“
Allgemeine Dienstpflicht für Gesundheitsministerin Gerlach ebenfalls ein Thema
Die CSU-Politikerin erneuert die Forderung ihrer Partei nach einer allgemeinen Dienstpflicht. Man solle dabei nicht nur über eine mögliche Wehrpflicht sprechen, sondern auch über einen „Zivildienst, der personell angespannte Einrichtungen unterstützt“. Angesichts der „realen Bedrohungslage“ sei es erforderlich, den Zivilschutz mit dem gleichen Engagement voranzutreiben wie die militärische Aufrüstung.
Bereits in der Vorwoche hatte der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Ralph Tiesler, erklärt, es bleibe „keine Zeit“, um das Gesundheitswesen auf einen möglichen Verteidigungs- oder Bündnisfall vorzubereiten. Auf einer Fachtagung in Berlin äußerte er:
Alles, was wir jetzt tun müssen, müssen wir schnell tun – und dafür brauchen wir viel Geld.“
Das deutsche Gesundheitswesen, so äußerte Tiesler vor hochrangigen Bundeswehrkommandeuren und Klinikleitern, sei ein „nicht sehr reaktionsschnelles, wenig anpassungsfähiges Schönwettersystem“. Es fehle an medizinischem Personal, an Betten, dabei vor allem an Spezialbetten. Zudem gebe es kein belastbares System zur Verteilung und zum Transport von Patienten und nicht die ausreichenden rechtlichen Rahmenbedingungen, die Handlungsfähigkeit gewährleisten.
Wie weit kann das Sondervermögen herangezogen werden?
Der zuständige Generalstabsarzt Johannes Backus äußerte gegenüber der „Welt“ Kritik, dass ein möglicher Ernstfall auch in der Krankenhausreform von Minister Karl Lauterbach nicht vorkomme. Das Szenario eines möglichen militärischen Konflikts bleibe unerwähnt:
„Wenn wir von einem Bündnisfall an der NATO-Ostgrenze ausgehen, rechnen wir mit zusätzlich bis zu 1.000 Verwundeten pro Tag.“
Der Minister hingegen betont, seine Reform stelle die Weichen für ein „modernes Krankenhausnetz“. Zudem könnten Mittel aus dem geplanten Sondervermögen zu deren Finanzierung eingesetzt werden.
Bislang war geplant, die Hälfte der Kosten von 50 Milliarden Euro für die Krankenhausreform über zehn Jahre aus den Mitteln der Krankenkassen zu finanzieren. Dies hätte steigende Beiträge zur Folge. Mit den Sondervermögen stehen nun zusätzliche Optionen im Raum, die auch Nachbesserungen im Sinne eines zivilen „Operationsplans“ erleichtern könnten.
Der Gesundheitssprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, erklärte ebenfalls, das Gesundheitswesen müsse sich „erstmals seit dem Kalten Krieg wieder für den Ernstfall wappnen“. Notfalls könnten „Krankenhäuser und andere zivile Strukturen unter die Erde verlagert werden, um vor Luftangriffen geschützt zu sein“. Auch ein effektives Gesundheitssystem gehöre zur „Abschreckung“.
Russland in mehrere Kriege verwickelt – fast alle haben mit dem Zusammenbruch der UdSSR zu tun
Die Russische Föderation, die nach Darstellung deutscher politischer Entscheidungsträger Angriffe auf Mitgliedstaaten der NATO und EU erwägt, war seit Erlangung ihrer Unabhängigkeit in mehrere bewaffnete Konflikte verwickelt. In Abchasien und Südossetien unterstützte Russland Autonomiebewegungen gegen die Politik des nationalistischen georgischen Präsidenten Swiad Gamsachurdia.
Im Jahr 2008 kam es zu einer erneuten Eskalation der Spannungen zwischen Russland und Georgien. Georgiens Präsident Micheil Saakaschwili hatte versucht, entgegen dem Waffenstillstandsabkommen von 1992 die abtrünnige Provinz militärisch zurückzuerobern, und dabei auch russische Friedenstruppen beschossen.
Auch in Transnistrien unterstützte Russland Kräfte, die sich gegen nationalistische Tendenzen und die Zurückdrängung der russischen Sprache in der Republik Moldau wandten. In Tschetschenien kam es von 1994 bis 1996 und von 1999 bis 2009 zu zwei blutigen Kriegen. Diese richteten sich gegen dschihadistische Milizen, die eine Abspaltung der Teilrepublik anstrebten. In der Ukraine führte ein vom Westen unterstützter irregulärer Machtwechsel 2014 in Kiew zu einem Bürgerkrieg und 2022 zu einer russischen Invasion in mehrere Landesteile.
In Syrien intervenierte Russland ab 2015 auf Ersuchen der damaligen Regierung unter Baschar al-Assad. Mit Ausnahme dieses Bürgerkrieges standen damit alle Kriege, in die Russland involviert war oder ist, in ursächlichem Zusammenhang mit dem Zerfall der Sowjetunion – und dem dadurch begünstigten Aufkommen nationalistischer oder dschihadistischer Bestrebungen. Demgegenüber hatte Russland seit Beginn des 19. Jahrhunderts zwei groß angelegte militärische Angriffe aus Europa erlebt.
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