Olaf Scholz und die Vertrauensfrage: Wie schnell kann es zu Neuwahlen kommen?

Bundeskanzler Olaf Scholz plant, noch vor dem Jahreswechsel die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Doch CDU und CSU drängen auf ein schnelleres Vorgehen, während die Bundeswahlleiterin und Druckereien vor organisatorischen Unwägbarkeiten bei zu knappen Terminen warnen.
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Kanzler Scholz will Neuwahlen im März, die Union so früh wie möglich.Foto: GERGELY BESENYEI/AFP via Getty Images
Von 12. November 2024

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Noch vor Weihnachten, aber definitiv noch nicht am Mittwoch: Das ist der aktuelle Stand bezüglich der Frage, wann Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag die sogenannte Vertrauensfrage stellen möchte. Nach dem Ampel-Aus am vergangenen Mittwoch, 6. November, deutet wenig darauf hin, dass es dem Kanzler gelingen wird, die Union für die Unterstützung zentraler noch offener Gesetzesvorhaben zu gewinnen.

CDU und CSU drängen ihrerseits den Kanzler, möglichst zeitnah den Weg für Neuwahlen des Bundestags freizumachen. Die Bundeswahlleiterin warnt unterdessen vor einer möglichen Überforderung der Verantwortlichen für die Organisation, sollte der Zeitplan zu eng gesteckt sein.

Vertrauensfrage als Instrument und Risiko des Kanzlers

Am vergangenen Mittwoch hatte Scholz erklärt, die Vertrauensfrage am 15. Januar stellen zu wollen. Nach starkem öffentlichen Druck zeigte er sich am Sonntag in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ aber bereit, die Vertrauensfrage noch vor Weihnachten zu stellen – wenn die Fraktionschefs von SPD und CDU/CSU, Rolf Mützenich und Friedrich Merz, dazu eine Übereinkunft erzielen.

Genau genommen handelt es sich dabei um eine unechte Vertrauensfrage: Ziel des Kanzlers ist es dabei schließlich nicht, eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich zu versammeln.

Würde der Kanzler – entgegen seinem Willen – das Vertrauen der Mehrheit der Abgeordneten erhalten, hätte der Bundespräsident keine Handhabe, den Bundestag aufzulösen. Scholz bliebe, um ein fruchtloses Weiterregieren zu vermeiden, nur noch der Rücktritt, um diese heikle Situation abzuwenden.

Steinmeier wird Wunsch nach Auflösung des Bundestags entsprechen

Sobald ein Kanzler die Vertrauensfrage verloren hat, dauert es immer noch mehr als zwei Monate, bis der Bundestag neu gewählt werden kann. Der Bundespräsident kann innerhalb von 21 Tagen das Parlament auflösen. Eine Verpflichtung dazu gibt es nicht. Er könnte demnach auch dem Kanzler auftragen, die Bildung einer neuen Regierungsmehrheit in Angriff zu nehmen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Frank-Walter Steinmeier dies tun wird, gilt allerdings als gering. Zum einen würde ein solcher Schritt nicht zur Stabilität des Landes beitragen. Zum anderen würde eine solche Regierung im besten Fall für wenige Monate im Amt bleiben können, da im September ohnehin die Legislaturperiode endet.

Zeitpunkt der Vertrauensfrage entscheidet über Zeitpunkt der Wahlen

Stellt Scholz am 15. Januar die Vertrauensfrage, könnte er den Bundespräsidenten um die Auflösung des Bundestags bitten. Dieser hätte 21 Tage Zeit, sich zu erklären. Der Kanzler muss die Abstimmung über die Vertrauensfrage mindestens 48 Stunden zuvor beantragen. Verliert er sie und löst der Bundespräsident den Bundestag auf, was als wahrscheinlich gilt, würde dies wohl noch vor Ende Januar erfolgen.

Die nächste Frist, die zu beachten ist, sind 60 Tage. Innerhalb dieses Zeitraums nach erfolgter Auflösung des Bundestags durch den Bundespräsidenten muss eine Neuwahl erfolgen. Sollte die Vertrauensabstimmung Mitte Januar stattfinden, wäre dies wohl erst Ende März oder Anfang April 2025 der Fall.

Die Union hatte hingegen den Kanzler dazu aufgefordert, bereits am kommenden Mittwoch, 13. November, die Vertrauensfrage zu stellen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit äußerte dazu am Montag:

„Ich kann Sie schon beruhigen, dass der Bundeskanzler am Mittwoch nicht die Vertrauensfrage stellen wird.“

In einem solchen Fall wäre mit einer Neuwahl bereits Ende Januar zu rechnen gewesen – und mit einem Wahlkampf zwischen Glühwein und Feuerwerk zum Jahreswechsel.

Union würde von kurzfristigem Wahltermin profitieren

Allerdings stellte Scholz in Aussicht, die nun mit Spannung erwartete Abstimmung schon vor dem Jahreswechsel anzusetzen. Er sei bereit, dabei auf einen Konsens der Fraktionsvorsitzenden Rücksicht zu nehmen. Findet sie Mitte Dezember statt, erscheint ein Wahltermin Ende Februar oder Anfang März als realistisch. Möglicherweise könnte der Termin auch mit den geplanten Bürgerschaftswahlen in Hamburg zusammengelegt werden – oder mit Neuwahlen in Sachsen oder Thüringen, sollten diese erforderlich werden.

Das größte Interesse an möglichst schnellen Neuwahlen haben die CDU und CSU. Sie zählen darauf, dass viele Wähler das Scheitern der Ampel zum Anlass nehmen würden, für die Union zu stimmen, um dieser einen klaren Auftrag für einen Regierungswechsel zu erteilen. Je länger es dauert, bis gewählt wird, umso geringer könnte dieser Bonus wegfallen: Im Jahr 2005 sahen Umfragen die damalige Merkel-Union bei deutlich über 40 Prozent. Am Wahlabend lag sie nur knapp vor der SPD.

Scholz hingegen profitiert eher von einem längeren Zeitraum zwischen Bruch der Ampel und Neuwahlen. Demgegenüber hätten sich erst die FDP in der Regierung und dann die Union in der Übergangszeit aus parteitaktischen Gründen verweigert.

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz vermutet, dass Scholz den Wahlkampf in Hamburg noch mitgestalten wolle. Die Wahlen finden am 2. März statt. Der Kanzler wolle offenkundig die verbleibende Zeit nutzen, um die Union mit Gesetzentwürfen vorzuführen, so der CDU-Chef.

Neben der SPD würde ein längerer Zeitraum bis zu den Wahlen möglicherweise auch der FDP nutzen. Sie hätte Zeit, sich zu regenerieren, die Erinnerung an ihre Jahre in der Ampel würde in der Bevölkerung in den Hintergrund treten, stattdessen könnte sie sich im Themenwahlkampf versuchen. Anders als 2005 hätte sie jedoch keinen Oppositionsbonus mehr.

„Quittung für Ampel“ als Wahlmotiv verliert mit Fortdauer der Zeit an Bedeutung

Tendenziell gilt: Je länger der Wahlkampf dauert, umso stärker stehen mögliche künftige Weichenstellungen im Mittelpunkt. Unzufriedenheit mit der Arbeit der Ampelparteien könnte mit der Zeit weiter in den Hintergrund geraten. Außerdem können neue, unvorhergesehene Entwicklungen – von Terroranschlägen über Friedensinitiativen für die Ukraine bis hin zu Preisschocks – neue Dynamiken auslösen.

Die Stimmzetteldruckereien warnen unterdessen vor einem zu knappen Wahltermin. Bastian Beeck von der „Köllen Druck und Verlag“ äußerte gegenüber dem „Stern“, man würde auch einen Termin im Januar noch bewältigen können. Es bliebe dann jedoch kaum noch Zeit für mögliche Fehlerkorrekturen, und bei der Briefwahl bliebe den Stimmberechtigten nur etwa eine Woche Zeit, die Unterlagen auszufüllen.

Mit einer Anlieferung vor Neujahr sei nicht zu rechnen. Auch deshalb solle man sich bezüglich der Terminsetzung „zwei oder drei Wochen mehr Zeit nehmen“. Die Bundeswahlleiterin hatte bereits in der vergangenen Woche vor „unabwägbaren Risiken“ im Fall eines zu frühen Neuwahltermins gewarnt.

Am Dienstag tagen die Bundestagsfraktionen, am Mittwoch gibt Scholz (SPD) eine Regierungserklärung zur aktuellen innenpolitischen Lage ab. Bis dann sollte es eigentlich Klarheit geben.



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