Obstbauern in Aufruhr: Stadt Werder (Havel) sagt Baumblütenfest für die nächsten beiden Jahre ab

"Das ist eine bodenlose Frechheit, die Leute hier so vor vollendete Tatsachen zu stellen. Sie können auch Olympia nicht einfach absagen“, schimpft Obstbauer Michael Schultz. Aus dem Autoradio hatte erfahren, dass das beliebte Baumblütenfest in den kommenden zwei Jahre gestrichen wurde.
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Beim Baumblütenfest in Werder (Brandenburg, Deutschland). Obstwein ist ein typisches Produkt, das auf dem Fest verkostet wird.Foto: iStock
Epoch Times12. September 2019

Gewalt, Alkohol- und Drogenkonsum, Sexszenen vor Hauseingängen. Die Anwohner rund um die Festmeile des Werder Baumblütenfestes können ein Lied davon singen. Aus diesem Grund wollte die Stadt ihr Konzept für das Fest ändern. „Weniger Rummel und Bambule, mehr Tradition, Festumzug und Nachhaltigkeit“, heißt es im „Berliner Kurier“. Doch ganz so einfach wie es sich anhört, ist der Plan nicht umsetzbar.

Die Ausschreibung der Stadt für die Suche eines neuen Partners, der „das Baumblütenfest nach unseren Vorstellungen entsprechend neu ausrichten könnte“, verlief im Sande. Zuvor war der Vertrag mit dem bisherigen Dienstleister ausgelaufen. Die Stadt im Landkreis Potsdam-Mittelmark machte daraufhin ihre Suche nach einem neuen Dienstleister deutschlandweit bekannt.

Es hat sich gezeigt, dass wir für einen echten und nachhaltigen Richtungswechsel eine andere Herangehensweise und mehr Zeit benötigen“, sagte Bürgermeisterin Manuela Saß.

Letztendlich scheiterte ein neuer Vertrag an den Fragen zur Sicherheit und wie mit einem sich verändernden Publikum künftig umgegangen würde.

„Unterm Strich wird es darum gehen, unter neuen Vorzeichen eine gemeinsame Basis für ein zeitgemäßes Baumblütenfest zu finden, das zugleich an dessen Ursprünge anknüpft“, betonte die Bürgermeisterin. Laut „RBB“ wird eine Neuausschreibung zur Veranstaltung erst im Sommer 2021 stattfinden – für Mai 2022.

Bauern fürchten Einbußen

Die Bauern fürchten nun finanzielle Einbrüche. Der Obstbauer Michael Schultz bewirtschaftet mit Frau, Vater und sechs Mitarbeitern 75 Hektar. Er hörte von der Absage des Festes im Autoradio und wollte es erst gar nicht glauben.

Das ist eine bodenlose Frechheit, die Leute hier so vor vollendete Tatsachen zu stellen. Sie können auch Olympia nicht einfach absagen“, schimpfte er.

Dass nun gerade am Sicherheitsproblem alles festgemacht wird, kann Schultz nicht verstehen, denn die Thematik bestehe schon seit Jahren. „Man hätte vor zehn Jahren schon anfangen können, etwas zu verändern, aber da hat keiner einen Ton gesagt.“

Probleme mit betrunkenen Personen habe es gegeben. Laut „RBB“ zählte die Polizei zuletzt über 100 Körperverletzungen. Gleichzeitig gibt Schultz zu bedenken, dass es die auch beim Oktoberfest und beim Kölner Karneval geben würde. Er schließt daraus: „Dann muss man das Konzept verändern.“

Der Obstbauer vergleicht: „Wenn man in Köln den Karneval absagen würde – ich möchte nicht wissen, was da wohl los wäre. So geht es nicht.“

Demonstration für 140-jährige Tradition

Das Baumblütenfest ist mit Hunderttausenden Besuchern Ostdeutschlands größtes Volksfest und blickt auf eine Tradition von 140 Jahren zurück. Viele Familienbetriebe in und um Werder sind fester Bestandteil des Festes: Bäcker, Fleischer, Hoteliers, Reiseunternehmer und viele mehr.

Heute Abend soll vor dem Rathaus eine Demonstration veranstaltet werden, während die Stadtverordneten sich versammeln. Es könne nicht sein, dass die Obstbauregion, die es so schwer hat, jetzt „mit Füßen getreten wird“, so Schultz.

Seit 30 Jahren wirkt er schon am Fest mit. Selbst zu DDR-Zeiten gab es das Fest, wenn auch in kleinerem Rahmen. Vater Günter Schultz befürchtet, dass es das Fest bald für immer unter den Tisch fällt. Er sagte. „Wenn es einmal weg ist, dann wird das nichts mehr.“

Der Wein gärt schon

Dass das Obstblütenfest abgesagt wurde, war auch für Stefan Lindecke neu. Der Obstbauer, der neben seiner 20 Hektar großen Obstplantage auch einen Hofladen betreibt, sagte: „Das Problem von vielen wird sein, dass sie ihre Weine schon vorbereitet haben. Die gären, die Bauern investieren. Jetzt stehen sie vor der Frage: Was passiert im nächsten Jahr?“

Weniger Gäste auf dem Hof, weniger Einnahmen. Der wirtschaftliche Schaden sei noch gar nicht abschätzbar. Aus diesem Grund haben Schultz und Lindicke schon einen Plan B im Ärmel. Selbst wenn es kein Obstblütenfest geben sollte, wollen sie ihre Höfe im kommenden Mai für Besucher öffnen.

Kritik, dass die Stadtverwaltung die Einwohner und Bauern zu spät über die Absage des Festes informiert habe, weist die Stadt  zurück. Die Stadtverordneten seien bereits am 23. August darüber in Kenntnis gesetzt worden – eine Woche vor den Landtagswahlen. Nur wollte offenbar kein Abgeordnet die schlechte Nachricht verbreiten, heißt es von „RBB“. (sua)



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