Oberverwaltungsgericht: Windräder haben automatischen Vorrang vor Denkmalschutz

Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat entschieden, dass Windräder keiner denkmalschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen. Sie gehen dem Denkmalschutz vor.
Titelbild
Windräder auf einem Feld bei Crüchern, Salzlandkreis, Sachsen-Anhalt.
Von 16. Februar 2023

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Deutschland hinkt deutlich hinter den selbstgesteckten Zielen im Bereich der erneuerbaren Energien hinterher. Ein Faktor dafür ist die lange Dauer von Verfahren zur Genehmigung von Windkraftanlagen. Nun könnte ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern eine neue Dynamik schaffen – auf der Strecke bleiben könnte dabei allerdings der Denkmalschutz. Windräder haben nach Auffassung des Gerichts künftig automatisch Vorrang.

Windenergieunternehmen wollte Entscheidung in Genehmigungsverfahren erzwingen

Am Mittwoch der Vorwoche, dem 8.2.2023, hat das Oberverwaltungsgericht in Greifswald im Verfahren mit dem Az. 5 K 171/22 OVG geurteilt. Ein Windenergieunternehmen hatte eine Untätigkeitsklage gegen das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg (StALU) eingebracht. Es wollte damit eine Entscheidung über seinen Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage erzwingen. Diese soll im Gebiet der Gemeinde Mühlen Eichsen entstehen.

Das StALU hatte innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist noch keine Entscheidung getroffen. Dies begründete das Amt mit einer ablehnenden Stellungnahme des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern (LAKD). Dieses wollte die Behörde überprüfen und sich eine eigene Meinung bilden.

OVG: Windräder beeinträchtigen Ensemble nicht in erheblichem Maße

Das OVG entschied nun, dies sei nicht erforderlich, und gab der Untätigkeitsklage statt. Das Erscheinungsbild eines Ensembles aus Gutshaus, Park und Kirche werde durch das Vorhaben der Windparkbetreiber „nicht erheblich beeinträchtigt“. Deshalb sei eine Genehmigung nach dem Denkmalschutzgesetz nicht erforderlich.

Die eigentliche Brisanz des Urteils offenbart sich jedoch im nachfolgenden Satz der Pressemitteilung zur Entscheidung. Dort heißt es:

 

Aber selbst wenn man eine erhebliche Beeinträchtigung unterstellte, wäre das Vorhaben zu genehmigen, weil ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangte.“

Der Paragraf 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bestimme nämlich ex lege ein „überragendes öffentliches Interesse an der Errichtung und dem Betrieb von Windkraftanlagen“. Aus diesem Grund habe das Denkmalschutzinteresse im vorliegenden Einzelfall deshalb zurückzustehen.

Gerichte hatten vielschichtige Abwägungen beim Denkmalschutz vorgeschrieben

Bis dato hatte die deutsche Rechtsprechung verschiedene Kriterien entwickelt, um zu beurteilen, ob ein Bauwerk oder eine Anlage eine „erhebliche Beeinträchtigung“ im Sinne des Denkmalschutzes darstellen. Diese Kriterien sind nicht abschließend und können von Fall zu Fall unterschiedlich ausgelegt werden. Im Allgemeinen werden jedoch mehrere Faktoren berücksichtigt.

Einer ist die historische Bedeutung des Bauwerks: Je bedeutsamer das Bauwerk für die Geschichte und Kultur ist, desto höher ist der Schutzstatus und desto weniger Veränderungen sind zulässig. Dann kommt es auf die architektonische Gestaltung und künstlerische Ausgestaltung an: Hier wird insbesondere auf die Originalität und künstlerische Qualität des Bauwerks geachtet.

Zu den weiteren Faktoren gehört die Einbindung in die Umgebung. Das Bauwerk sollte sich in das städtebauliche Gesamtbild einfügen und die Umgebung nicht dominieren oder verfremden. Die Veränderung des Denkmals oder Ensembles darf zudem nicht zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands führen. Im Grunde gilt: Je größer die Veränderung, desto stärker wird der Eingriff in den Denkmalschutz gewertet.

Rückenwind für Habeck und seine Ausbaupläne für Windräder

Nun legt die zitierte Norm des EEG fest, dass erneuerbare Energien „als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden“. Dies gelte zumindest, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral sei.

Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen „liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit“. Die Vorrangstellung gelte lediglich dann nicht, wenn „Belange der Landes- und Bündnisverteidigung“ betroffen seien.

Für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dürfte das Urteil Rückenwind bedeuten. Er will den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bis zum Jahr 2030 auf 80 Prozent steigern. Eine jüngst publizierte Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) im Auftrag des „Handelsblatts“ hält dies für unrealistisch.

Die derzeitige Gesamtleistung der Onshore-Windkraft liege bei 56 Gigawatt. Bis zum Jahr 2030 sollen es nach dem Willen der Bundesregierung 115 Gigawatt werden. Ab sofort bis Ende des Jahrs 2029 wären, um das Ziel zu erreichen, täglich 5,8 Windräder zu errichten – mit einer Leistung von mindestens 4,2 Megawatt.

Windenergie-Verband zufrieden: „Untätigkeitsklagen kein stumpfes Schwert“

Der Bundesverband WindEnergie (BWE) äußert Genugtuung über das Urteil und zeigt sich zuversichtlich, dass dieses „Maßstäbe setzen“ könnte. In einer Erklärung heißt es von BWE-Präsident Hermann Albers, man begrüße es, dass das OVG „hier die Hierarchie der Belange deutlich herausgestellt hat“.

Gerade der Umgang mit Belangen des Denkmalschutzes habe sich seit einiger Zeit zu einem der größten Hindernisse beim Ausbau der Windenergie an Land entwickelt:

 

Trotzdem bedarf es nach unserer Auffassung auch einer gesetzgeberischen Entscheidung in diesem Zusammenhang.“

Im konkreten Fall sei der Antrag des Unternehmens seit dem Jahr 2020 bei der Behörde vollständig eingereicht gewesen. Die Gesetzeslage setze Fristen von sieben oder im Falle vereinfachter Verfahren drei Monaten für die Genehmigungsbehörde. Diese müsse Einwände prüfen und zu einer eigenen Überzeugung kommen. Das Urteil, so Albers, zeige deutlich, „dass Untätigkeitsklagen kein stumpfes Schwert sind“. Es könne mehr Dynamik in Genehmigungsprozesse bringen und dazu beitragen, die politischen Ziele für den Ausbau der Windenergie zu erreichen.



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