Oberlandesgericht Karlsruhe stützt „Sensationsurteil“ aus Weimar

Keine Masken, kein Abstand, keine Tests. So hatte ein Weimarer Richter für zwei Schulkinder entschieden. In einem ähnlich gelagerten Fall wies ein Familienrichter aus Pforzheim das Begehren einer Mutter zurück und verwies an die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts – zu Unrecht, wie das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied.
Von 4. Mai 2021

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe stellt sich hinter den Weimarer Richter, der mit seiner als „Sensationsurteil“ in den Medien bezeichneten Entscheidung für Schlagzeilen sorgte. In seiner Entscheidung teilte das OLG Karlsruhe mit, dass das Familiengericht bei Verfahren betreffend das Kindeswohl gemäß Paragraf 1666 BGB verpflichtet ist, nach pflichtgemäßem Ermessen Vorermittlungen einzuleiten. Das berichtete die Stiftung Corona-Ausschuss.

Im betroffenen Fall hatte sich eine Mutter mit ihrem Schreiben an das Familiengericht Pforzheim gewandt. Sie vertrat die Ansicht, dass das körperliche, seelische und geistige Wohl ihrer Kinder durch schulinterne Anordnungen des Pandemieschutzes gefährdet sei.

Das Familiengericht erklärte sich jedoch für unzuständig und verwies den Fall an das Verwaltungsgericht. Dagegen legte die Mutter Beschwerde ein mit der Begründung, dass es sich um eine Angelegenheit der Personenfürsorge handele. Dafür sei das Familiengericht zuständig. Das OLG Karlsruhe gab ihr recht.

Zweifel von „Rechtsbeugung“ ausgeräumt

Mit dieser Entscheidung werden parallel Zweifel an der Rechtsauffassung des Weimarer Richters Christian D. ausgeräumt, bei dem am 27. April eine Hausdurchsuchung der Wohn- und Arbeitsräume stattgefunden hatte.

Aufgrund seiner Entscheidung, mit der er das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen, die Einhaltung von Mindestabständen sowie Corona-Selbsttests als Kindeswohlgefährdung einstufte, hatten Kritiker Strafanzeigen eingereicht und dem Richter „Rechtsbeugung“ vorgeworfen. Nicht das Familiengericht, sondern die Verwaltungsgerichte seien für derartige Entscheidungen zuständig. Das sah der Richter anders.

Vor seiner Entscheidung hatte er drei Gutachten eingeholt, um zu entscheiden, ob die politisch verordneten Infektionsschutzmaßnahmen eine Kindeswohlgefährdung darstellen könnten. Die vorgelegten Gutachten der Hygieneärztin Prof. Dr. Ines Kappstein, des Psychologen Prof. Dr. Christof Kuhbandner und der Biologin Prof. Dr. Ulrike Kämmerer veranlassten den Richter in seiner 177 Seiten umfassenden Entscheidung zu folgendem Fazit:

Der den Schulkindern auferlegte Zwang, Masken zu tragen und Abstände untereinander und zu dritten Personen zu halten, schädigt die Kinder physisch, psychisch, pädagogisch und in ihrer psychosozialen Entwicklung, ohne dass dem mehr als ein allenfalls marginaler Nutzen für die Kinder selbst oder Dritte gegenübersteht. Schulen spielen keine wesentliche Rolle im ‚Pandemie-Geschehen‘.“

Beschwerdewelle zu erwarten

Die Entscheidung aus Karlsruhe dürfte weitreichende Folgen nach sich ziehen. Etliche Gerichte waren in der Vergangenheit mit Anträgen gemäß Paragraf 1666 BGB überhäuft worden, hatten aber ihre Unzuständigkeit erklärt. Nun steht zu erwarten, dass ihre Entscheidungen mit Beschwerden angefochten werden, soweit die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen ist.

Von Richtern und Richterinnen des Familiengerichts Hannover hieß es beispielsweise am 15. April:

„Nachdem das Familiengericht des Amtsgerichts in Weimar eine Entscheidung zum sogenannten Maskenzwang in Schulen bzw. sonstiger infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen an Schulen getroffen und dieses eine breite mediale Aufmerksamkeit nach sich gezogen hat, sind inzwischen mehr als 100 nahezu gleichlautende Anträge bzw. Anregungen beim Familiengericht des Amtsgerichts Hannover unter Berufung auf die dortige Entscheidung eingegangen.“

Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung wurden aufgrund dieser Anregungen durch das Familiengericht jedoch nicht eingeleitet. Nach Auffassung der Familienrichter aus Hannover sei eine konkrete Kindeswohlgefährdung im Sinne des Paragrafen 1666 BGB nicht ersichtlich, sodass das Gericht eine Notwendigkeit für familiengerichtliche Maßnahmen nicht zu erkennen vermochte.

Unabhängig von der Frage, ob eine Zuständigkeit des Familiengerichts überhaupt gegeben ist, seien jedenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine konkrete Kindeswohlgefährdung ersichtlich, welche familiengerichtliche Maßnahmen erforderlich machen könnten.  Zudem sei für die Überprüfung von infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen das Familiengericht nicht zuständig.

Kultusministerium M-V ignoriert Weimarer Entscheidung

Auf eine Anfrage der Epoch Times beim Kultusministerium Mecklenburg-Vorpommern, die nach Veröffentlichung des Weimarer Urteils gestellt wurde, hieß es am 12. April:

„Wenn wir weiterhin Präsenzunterricht an den Schulen anbieten wollen, müssen alle bestehenden Sicherheits- und Hygienemaßnahmen umgesetzt werden. Das dient der Sicherheit von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften. Dies ist auch die Auffassung der führenden Medizinerinnen und Mediziner in Mecklenburg-Vorpommern.“

Obwohl bei Anfrage der Epoch Times die Entscheidung aus Weimar mitgeschickt wurde, teilte das Ministerium mit, dass Details zu dem Urteil aus Thüringen und eine Urteilsbegründung nicht vorlägen. Außerdem würde man davon absehen, „ein Urteil eines ordentlichen Gerichtes zu kommentieren, das keine Auswirkungen auf die Situation in Mecklenburg-Vorpommern hat.“

Eine Anfrage beim Amtsgericht Waren (Müritz), gelegen in Mecklenburg-Vorpommern, ergab, dass bis zum 3. Mai fünf Anregungen beziehungsweise Anträge hinsichtlich des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung von Kindern während der Schulzeit eingegangen sind.

„Das Amtsgericht hat keine dementsprechenden Entscheidungen  getroffen, da eine Zuständigkeit der Familiengerichte nicht gegeben ist und/oder keine konkreten Kinder benannt wurden, die gefährdet sein könnten“, teilte Pressesprecher und Richter am Amtsgericht Dieter Hoppe mit.

Eine entsprechende Mitteilung sei den Betroffenen übersandt worden. „Insoweit wird auf die mittlerweile wohl herrschende Rechtsprechung zu dieser Thematik verwiesen“, so Hoppe weiter. Ob ihm zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung aus Karlsruhe bereits vorgelegen hat, ist nicht bekannt. In jedem Fall dürfte der Beschluss aus Karlsruhe deutschlandweit Eltern ermutigen, eine Kindeswohlgefährdung aufgrund der Maßnahmen durch die zuständigen Familienrichter prüfen zu lassen.

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