NZZ: „Zentrum für politische Schönheit“ betreibt nicht Kunst, sondern Stalinismus

Scharfe Kritik an politischen Aktionskunstkollektiven wie „Peng“ oder dem „Zentrum für politische Schönheit" übt Daniel Haas in der NZZ. Die dahinterstehende Selbstgerechtigkeit greife keine Missstände auf, sondern profitiere von deren Eskalation.
Titelbild
Philipp Ruch, Leiter des ZPS.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 12. Dezember 2018

In einem Kommentar für die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) befasst sich Daniel Haas mit dem, wie er es nennt, „Comeback politischer Aktionskunst“ in Form von Kollektiven wie „Zentrum für politische Schönheit“ oder „Peng“. Diese nehmen für sich in Anspruch, auf provokative Weise politische Missstände aufzugreifen und das Publikum auf diese aufmerksam zu machen – wie man es eigentlich landläufig auch von Aktionisten erwarten würde.

Entgegen ihrer Selbstdarstellung würden sie jedoch diesem Anspruch nicht gerecht, meint Haas. Vielmehr seien es Narzissmus und Selbstgerechtigkeit, die beim Wirken der Künstlergruppen im Vordergrund stünden. Effekthascherei und Denunziation werfen einen Schatten des Zweifels auf die vermeintliche Gerechtigkeit und Authentizität des Anliegens. Vor allem aber fühlt Haas sich durch die vollständige Zweifelsfreiheit bezüglich des eigenen „Premiumgewissens“ und des absolut Guten der eigenen gerechten Sache weniger an Rebellen erinnert denn an Tyrannen:

„Die Künstler von heute lernen von Stalin“, schreibt Haas. „Unterdrückung, Überwachung, Verleumdung, das sind die Stilmittel der neuen Kreativität. Wer heute hip und erfolgreich sein will, macht es wie der Despot: Er drangsaliert ein ausgesuchtes Opfer so lange, bis genügend Gaffer und Mitwisser versammelt sind und die Stimmung reif ist für einen Schauprozess. Das ist dann der Höhepunkt der künstlerischen Leistung: die öffentlich vermarktete, medial befeuerte Bloßstellung.“

Selbstjustiz im Dienst der Moral

Allen gemein sei eine tiefe Entrüstung gegenüber staatlichen Institutionen und die noch tiefere Überzeugung, die diagnostizierten Missstände selbst beheben zu müssen. Rechtsstaatlichkeit und Legalität würden angesichts der eigenen Gewissheit, für das allem übergeordnete Gute zu stehen, zur unverbindlichen Empfehlung, wenn nicht zur Geschmackssache. Der Applaus der 200 000 Fans auf Facebook und der 120 000 Follower auf Twitter reiche zur Bestätigung aus.

Haas teilt diese Gewissheit nicht und urteilt recht unpathetisch:

Die entscheidende Frage lautet: Wird die Gesellschaft durch diese Kunst besser, humaner, offener? Die Antwort: Nein.“

Die Gesellschaft werde von den, wie er sie nennt, Kunststalinisten überwacht und eingeschüchtert. Brisante politische Themen würden mit genau jenen populistischen Mitteln zugespitzt, gegen die man angeblich zu Felde zieht.

Im Kern vermittle der Aktionismus der Künstlerkollektive eine Botschaft, die auf die Beseitigung von Demokratie und Rechtsstaat hinauslaufe. Die damit verbundenen Institutionen wären demnach zu schwach, um mit den vermeintlichen oder tatsächlichen Missständen und Bedrohungen fertigzuwerden. Die Krawallkünstler und ihre Anhänger müssten die Dinge selbst in die Hand nehmen – wie etwa im Fall der Überwachung des Privathauses von Thüringens AfD-Fraktionschef Björn Höcke oder des jüngst bekannt gewordenen Denunziationsaufrufs unter dem Titel „Soko Chemnitz“. Die gleiche Argumentationslinie kennt man allerdings auch von rechten Apokalyptikern.

Erregungszirkus aus narzisstischen Beweggründen

Bei „Peng“ waren es Aktionen wie der Tortenwurf gegen die Abgeordnete Beatrix von Storch oder eine interaktive Karte von Berlin, auf welcher vor gerade stattfindenden oder unmittelbar bevorstehenden Polizeieinsätzen gewarnt wurde.

Daniel Haas ist davon überzeugt, dass diese Form von Kunst der Gesellschaft schadet. Die Aufmerksamkeit lande nicht mehr beim eigentlichen Konfliktstoff, die wirklichen Probleme seien zweitrangig. Was zähle, sei nur der maximale Aufmerksamkeitszuwachs. Am Ende bleibe der narzisstische Gewinn für eine Gruppe Volkspädagogen, die mit ihrem Erregungszirkus zum nächsten Thema weiterziehe. Diese würden sich und die Unredlichkeit ihres Anliegens im Grunde selbst entlarven:

Wären die rechtsstaatlichen Institutionen tatsächlich so hilflos und geschwächt, wie es uns Stalins neue Kunstschüler verkaufen wollen, müsste man sich dann nicht fragen: Wie kann ich diese Institutionen stärken? Und nicht, wie schwäche ich sie noch weiter?“

Eskalation als Verkaufshilfe in eigener Sache

Stattdessen würden die Aktivitäten des „Zentrums für politische Schönheit“ oder ähnlicher Vereinigungen den Rechtsstaat abservieren, während diejenigen, denen sie schaden sollten, davon profitieren würden. Björn Höcke etwa vom dadurch bewirkten Märtyrer-Image, und denunzierte Rechte von der Soko-Chemnitz-Seite, die ihren Arbeitsplatz verlören, würden ihre zusätzliche Freizeit sicher nicht nutzen, um Marx zu lesen.

Philipp Ruch, der Anführer des „Zentrums für politische Schönheit“, gibt selbst zu, dass er die Eskalation anstrebt – und die Gewissheit, auf der richtigen Seite zu stehen, verleiht seinem Sendungsbewusstsein Flügel:

„Wir machen kein Verständigungsprojekt, dann würden wir von der Zentrale für politische Bildung bezahlt werden.“

Aus Sicht von Haas verständlich: „Den Kunstdespoten geh es nicht um die Klärung von Konflikten, sondern um ihre Verschärfung. Wer dabei das Sagen hat, versteht sich für sie von selbst.“



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