Nürnberg: Schüler wollen Abschiebung eines Mitschülers verhindern – Großeinsatz der Polizei eskaliert

Ein 20-Jähriger sollte nach Afghanistan abgeschoben werden. Die Polizei holte ihn aus der Berufsschule – seine Mitschüler protestierten. Es kam zu einem Großeinsatz der Polizei mit Verletzten.
Titelbild
Die Polizei versucht am 31.05.2017 eine Sitzblockade vor einer Berufsschule in Nürnberg zu lösen.Foto: TV Bayern Media/YouTube/Screenshot
Von 1. Juni 2017

Rund 300 Berufsschüler demonstrierten am Mittwoch in Nürnberg gegen die Abschiebung eines Mitschülers nach Afghanistan. Dabei kam es zu einem Großeinsatz der Polizei.

Der 20-Jährige lebt seit vier Jahren in Deutschland, nun wurde sein Asylantrag abgelehnt und er sollte nach Afghanistan abgeschoben werden.

Gegen 8 Uhr morgens kam eine Polizeistreife zur Berufsschule des jungen Mannes, um ihn abzuholen und nach Frankfurt zu bringen, wo er in ein Flugzeug nach Afghanistan gesetzt werden sollte. Die Beamten holten ihn direkt aus dem Unterricht.

Der Afghane befindet sich seit vier Jahren in Deutschland, habe einen Sprachkurs abgeschlossen und soll eine Ausbildungsplatz zum Schreiner ergattert haben. Lehrer sprechen davon, dass er gut integriert sei, berichtet der Bayrische Rundfunk (BR).

Der junge Mann verhielt sich laut Polizeiangaben zuerst kooperativ und ging zum Streifenwagen. Die Mitschüler des 20-Jährigen protestierten dagegen, bildeten eine Sitzblockade, sodass der Polizeiwagen nicht abfahren konnte.

Aktion auf Twitter und Facebook verbreitet: 300 Personen protestieren mit

Die Schüler verbreiteten die Aktion auf Twitter und Facebook, bis zum Schluss 300 Personen an der Aktion teilnahmen, berichtet BR. Einige der Teilnehmer sollen aggressiv, sogar handgreiflich gewesen sein.

Die Polizei konnte die erste Sitzblockade nicht auflösen und versuchte den 20-Jährigen in ein anderes Fahrzeug zu bringen. Der bis dahin friedliche Schüler soll zunehmend aggressiv geworden sein und musste mit Zwang zum anderen Dienstwagen geführt werden, so die Polizei.

Eskalation: 9 Beamte verletzt – 5 Personen festgenommen

Die Demonstranten wollten das verhindern. Die Polizei setzte Pfefferspray, Schlagstöcke und zwei Hunde mit Maulkorb ein, nahm fünf Personen fest und stellte Personalien sicher. „Es wurde mit den Schlagstöcken aber nicht geschlagen“, meint ein Polizeisprecher laut BR später.

Die Demonstranten warfen Flaschen und ein Fahrrad auf die Polizisten. Neun Beamte wurden verletzt, einem Beamten wurde ein Zahn ausgeschlagen.

Nach Angaben der Versammlungsleitung gab es bei den Demonstranten keine Verletzten. Zeugen sprachen aber davon, dass sie während des Polizeieinsatzes Prellungen und Abschürfungen davongetragen hätten.

Protestzug in Nürnberger Innenstadt

Nach mehreren Stunden wurde der Afghane doch noch abtransportiert. Die Demonstranten setzten gegen 11 Uhr ihren Protest vor dem Ausländeramt Nürnberg fort. Rund 100 Personen sollen laut BR an dem friedlichen Protestzug teilgenommen haben.

Später sprach eine Delegation der Demonstranten mit den Verantwortlichen des Nürnberger Ausländeramtes. Etwa 20 Minuten soll das Gespräch gedauert haben, so die Polizei. Danach löste sich die Kundgebung in wenigen Minuten von selbst auf.

Abschiebung nach Anschlag in Kabul ausgesetzt

Wegen des gestrigen Bombenanschlags im Diplomatenviertel von Kabul, bei dem mindestens 80 Menschen getötet wurden, wurde die ursprünglich geplante Massenabschiebung nach Afghanistan verschoben.

Heute soll die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) bei der Regierung von Mittelfranken entscheiden, ob der junge Mann in Abschiebehaft kommt. Gegen den 20-Jährigen werden derzeit strafrechtliche Verstöße geprüft, so die Polizei in einer Pressemitteilung.

Hier ein Video zu den Protesten:

https://youtu.be/wlBFYuv_Jr4

Nach Kritik: Polizei gibt Statement ab

Nach dem Polizeieinsatz hagelte es massive Kritik von der SPD, den Grünen, Linken und vom Flüchtlingsrat. Das Polizeipräsidium Mittelfranken gab in diesem Zusammenhang ein Statement ab:

„Behörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entscheiden über Hierbleiben oder Abschieben. Die Polizei kann dabei in keinster Weise mitreden oder gar Einfluss nehmen. Diese Entscheidung muss allein das BAMF treffen. Wir haben überhaupt nicht die Kenntnisse, die dazu erforderlich sind.

[…]

Die Zentrale Ausländerbehörde überträgt uns den Vollzug. Uns deshalb, weil diese Verwaltungsbehörde vom Gesetzgeber her keinerlei Möglichkeit hat, ihren eigenen Beschluss zu vollziehen. Es bleibt eben nur die Polizei.

So ein Beschluss mit Rechtskraft lag heute vor. So ein Vollzug ist in vielen Fällen schon ohne Probleme abgelaufen, meistens gibt es auch mit den Betroffenen keinerlei Schwierigkeiten. Sie werden nämlich schon lange vorher darüber informiert, dass sie abgeschoben werden müssen. Das war auch heute so. Und deshalb war es auch für den 20-jährigen Schüler der Berufsschule keine Überraschung mehr„.

(HIER die Pressemeldung in voller Länge)



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