NRW verbietet „Palästina Solidarität Duisburg“ – Druck auf Gleichgesinnte dürfte sich erhöhen

Mit dem Verbot des Hamas-verherrlichenden Vereins Palästina Solidarität Duisburg sieht NRW-Innenminister Reul „das richtige Zeichen zur richtigen Zeit“ gesetzt. Damit dürfte auch der Druck auf Gruppierungen wie Muslim Interaktiv steigen. Allerdings könnte das linksextreme Netzwerk Kufiya zum Auffangnetz werden.
Teilnehmer einer pro-Palästina Demonstration stehen auf dem Potsdamer Platz in Berlin.
Teilnehmer einer pro-Palästina Demonstration stehen auf dem Potsdamer Platz in Berlin.Foto: Christophe Gateau/dpa
Von 17. Mai 2024

Am Donnerstagmorgen, 16. Mai, fanden in vier Gebäuden in Duisburg gleichzeitig Razzien von Polizei und Ermittlern des Staatsschutzes statt. Hintergrund ist die Verbotsverfügung des Innenministeriums NRW gegen die Vereinigung Palästina Solidarität Duisburg. Minister Herbert Reul hatte zeitgleich mit den Hausdurchsuchungen die behördliche Auflösung des Vereins verkündet.

Palästina Solidarität Duisburg hieß „alle Formen“ des „Widerstandes“ gut – auch Terror

Unterlagen, Datenträger und Vereinsvermögen wurden beschlagnahmt. Dieses soll nun offiziell eingezogen werden, die Bildung von Nachfolgeorganisationen ist untersagt. Minister Reul spricht von einem Verbot „zur richtigen Zeit“, welches das „richtige Zeichen“ setzt.

Der Staat, so Reul, habe „klare Kante gegen Extremismus“ gezeigt. In vielen Fällen verberge sich hinter der vermeintlichen Solidarität mit Palästina „nichts Anderes als Judenhass, so wie bei der heute verbotenen Organisation“. Es ist das zweite größere Vereinsverbot seit der Auflösung des Samidoun-Netzwerks am 2. November des Vorjahres.

Zu diesem habe es, so Reul, auch Querverbindungen gegeben. Palästina Solidarität Duisburg fordere ebenfalls die „Befreiung Palästinas in den Grenzen von 1947“. Diese Forderung ist nicht auf die Wiederherstellung des britischen Mandatsgebiets gerichtet, das es damals dort gegeben hatte, sondern auf die Vernichtung Israels. Die Vereinigung solidarisierte sich ausdrücklich mit dem „palästinensischen Widerstand“ – und zwar „in allen Formen“, was auch den Terror der Hamas einschließe.

Muslim Interaktiv auf dem Weg zur „Montagsdemo“?

Das Vereinsverbot vom Mittwoch hatte einen gewissen Vorlauf. Seit dem Überfall der terroristischen Hamas auf Grenzgebiete in Israel mit mindestens 1.200 Toten und 250 verschleppten Geiseln hatte die Gruppierung mehrfach Aufmärsche durchgeführt. Dabei war es unter anderem zur Verwendung volksverhetzender Parolen gekommen.

Wie das Blog „Ruhrbarone“ dokumentierte, hatten Anhänger der Gruppierung Israel-solidarische Gegendemonstranten sogar als potenzielle Terrorziele „markiert“. Dass nun, einige Monate später, das Verbot des Vereins folgt, könnte ein Warnschuss für den „Hizb ut-Tahrir“-Ableger Muslim Interaktiv sein.

Dieser Verein hatte in den vergangenen Wochen wiederholt in Hamburg Aufmärsche abgehalten. Regelmäßig geht es auch hier um die Dämonisierung Israels – zuletzt erhoben einige der bis zu 2.000 Teilnehmer jedoch auch die Forderung nach einem „Kalifat“. Auf „t-online“ argwöhnt Politikchef Christoph Schwennicke, aus den Aufmärschen könnte sich eine Dauereinrichtung wie im Fall der „Montagsdemonstrationen“ ergeben.

„Nakba“-Gedenktag endet mit Festnahmen

Zwar hatte sich die Gruppierung bislang penibel bemüht, gegen keine Gesetze zu verstoßen und den Rahmen des Rechtsstaats bis an dessen Grenzen auszureizen. Dennoch ist es durchaus denkbar, dass das Bundesinnenministerium bereits mit Hochdruck Erkenntnisse sammelt, die schon in einigen Wochen zu einem ähnlichen Ergebnis führen könnten wie im Fall der Palästina Solidarität Duisburg.

In Berlin kam es am Mittwoch unterdessen zu Ausschreitungen im Anschluss an eine Demonstration zum sogenannten Nakba-Tag im Stadtteil Charlottenburg. Demonstranten haben demnach Mülleimer angezündet, Pyrotechnik und Bengalos in gefährlicher Weise zum Einsatz gebracht und Barrikaden errichtet. Die Zahl der Festnahmen habe sich der Polizei zufolge im zweistelligen Bereich bewegt.

Am sogenannten Nakba-Tag gedenken Anhänger der Palästinenserorganisationen der Flucht und teilweisen Vertreibung mehrerer hunderttausend arabischer Bewohner aus Gebieten, die nach dem ersten Nahostkrieg 1948 unter der Kontrolle Israels standen. Zuvor hatten Armeen mehrerer arabischer Staaten im Anschluss an die Gründung des Staates Israel diesen angegriffen. Parallel zur sogenannten Nakba wurde eine insgesamt ähnlich große Zahl jüdischer Bewohner aus den arabischen Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas vertrieben.

Palästina-Narrativ stellt Konsens unter Linksextremisten her

Auch wenn der Verfolgungsdruck gegen Vereinigungen mit hohem Sympathiepotenzial für palästinensischen Terrorismus in Deutschland steigt, könnten diese in linksextremen Netzwerken Unterschlupf finden. In einem ausführlichen Beitrag hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz auf seiner Seite die zunehmende Bedeutung der „Palästina-Solidarität“ zur Konsensstiftung im Linksextremismus aufgezeigt.

Die nunmehr verbotene Palästina Solidarität Duisburg fand dabei Erwähnung. Der Verfassungsschutz bezeichnete die Gruppierung dabei als Beispiel für das „gemeinsame Engagement dogmatischer Linksextremisten mit pro-palästinensischen Strukturen“. Die Gruppierung, die das Massaker der Hamas vom 7. Oktober des Vorjahres billigte, sei dabei von Anfang an „ein wesentlicher Mobilisierungstreiber“ gewesen.

Für die sonst notorisch zerstrittene linksextreme Szene sei die Aktionseinheit mit pro-palästinensischen Gruppierungen ein Anlass, Grabenkämpfe zurückzustellen. Stattdessen schmiede man gemeinsame Bündnisse mit Bezug zum Nahost-Konflikt. Insbesondere komme es dabei zu Vernetzungen zwischen dogmatischen deutschen und türkischen Linksextremisten.

MLPD hält Hamas für „faschistisch“ – „Kommunistische Organisation“ übt „volle Solidarität“

Reibungspunkte blieben dennoch. Autonome Linksextremisten ebenso wie sogenannte Antideutsche sind überwiegend israelfreundlich ausgerichtet. Demgegenüber fügt sich für Anti-Imps, die meist dem dogmatischen Linksextremismus zuzuordnen seien, die Palästina-Solidarität in das Antikolonialismus-Narrativ. Obwohl Israel weder Kolonien hat noch im engeren Sinne zum Westen gehört, ordnen die Linksextremisten es dem Kolonialismus und Kapitalismus zu.

Bei den sogenannten Antideutschen handelt es sich um eine Strömung innerhalb der extremen Linken, die einen spezifisch deutschen Sonderweg, der auf einem vermeintlich dafür prädestinierten Nationalcharakter beruhe, für die totalitären Gräuel im Europa des 20. Jahrhunderts verantwortlich macht. Ihre Begründung dafür fußt auf einer eigenwilligen Interpretation der Thesen der Frankfurter Schule. Sie stehen deshalb auf dem Standpunkt, dass es falsch gewesen wäre, Deutschland nach 1945 wieder Souveränität zuzugestehen. Anti-Imps hingegen sehen vor allem die USA als Träger eines neuen globalen Imperialismus und ergreifen in internationalen Konflikten automatisch für deren geopolitische Rivalen Partei.

Linksextremisten geht es darum, so der Verfassungsschutz, Kampagnen zu infiltrieren, um eine „Massenbasis“ für den angestrebten gesellschaftlichen Umsturz zu erlangen. Der Nahost-Konflikt biete dabei ein dankbares Thema. Dennoch bleiben Unstimmigkeiten bezüglich des Umgangs mit religiös-fundamentalistisch geprägten Gruppierungen wie der Hamas.

So bezeichnet die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) diese als „faschistisch“, „antisemitisch“ und „antikommunistisch“. Demgegenüber erklärt die Kommunistische Organisation (KO) „allen Fraktionen des Widerstands“ ihre „volle Solidarität“. Ein Mitglied bezeichnete das Massaker vom 7. Oktober 2023 gegenüber Medien als „gelungene Widerstandsaktion“.

Kufiya-Netzwerk kennt unterschiedliche Qualitäten von Gewalt

Eine Schlüsselrolle in der „Palästina-Solidarität“ dürfte perspektivisch dem sogenannten Kufiya-Netzwerk zukommen. Dort organisierten sich, so der Verfassungsschutz, derzeit „verschiedene linksextremistische Organisationen mit Gruppen aus dem Bereich des auslandsbezogenen Extremismus und des nicht extremistischen Spektrums“.

In einem Statement framt man den Nahost-Konflikt als Krieg zwischen „Besatzern und Besetzten“ und erklärt, dass der „gewaltsame Widerstand der Besetzten“ nicht mit der „Gewalt der Besatzer“ gleichgesetzt werden könne. Zum Verbot der Palästina Solidarität Duisburg hat das Kufiya-Netzwerk umgehend „unsere Solidarität gegen ihre Repression“ zum Ausdruck gebracht.

Der Vorwurf des Judenhasses sei „haltlos“, hieß es in einer Erklärung. Er diene nur dazu, „die Palästina-Solidarität zu kriminalisieren und die Bevölkerung gegen Palästinenser:innen aufzuhetzen“.

 



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