Notfalls klagt die ARD: ARD-Chef Ulrich Wilhelm schließt sich Forderung nach höheren Rundfunkgebühren an
Nicht nur ZDF-Intendant Thomas Bellut, der bereits am gestrigen Donnerstag (27.12.18) eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags gefordert hatte, um „das Qualitätsniveau halten“ zu können, macht sich Sorgen um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Medienschaffens. Dies berichtet „FOCUS online“. In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur legte sein Kollege, der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm, nach und droht sogar mit einer Verfassungsklage, sollten nicht alle Landtage einer Beitragsanpassung zustimmen.
In diesem Fall, so Wilhelm, bliebe „als Ultima Ratio die Klärung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe“. Dies würde freilich „eine jahrelange Hängepartie bedeuten. In dieser Zeit könnte nicht ordnungsgemäß gearbeitet werden.“
Die derzeitige Höhe der Pflichtabgabe ist auf 17,50 Euro pro Monat festgelegt und gilt bis 2020. Im Frühjahr 2019 müssen die öffentlich-rechtlichen Sender gegenüber der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) ihren Bedarf für die Jahre 2021 bis 2024 anmelden. Auf dieser Basis erarbeitet die KEF einen Vorschlag bezüglich der künftigen Beitragshöhe. Dieser wird den Ministerpräsidenten vorgelegt. Sind diese einverstanden, müssen die Landtage deren Entscheidung ratifizieren.
Betrag müsste jetzt schon bei 18,35 Euro liegen
Wilhelm klagt, die derzeitige Höhe von 17,50 Euro decke längst den realen Aufwand nicht mehr ab. Die Sender seien gezwungen, an ihre Rücklagen zu gehen. Tatsächlich müsste der Rundfunkbeitrag bereits jetzt bei 18,35 Euro liegen, um dies zu vermeiden:
„Denn wir verwenden heute zusätzlich die Gelder der Beitragsrücklage, die zwischen 2013 und 2016 angespart wurde. Rechnet man diese angesparten Mittel auf die Höhe des monatlichen Beitrags um, dann liegen wir heute schon real bei 18,35 Euro.“
Die Rücklage, so Wilhelm, werde bis 2020 aufgebraucht sein. Zwar erklärt der ARD-Vorsitzende, aus seiner Sicht wäre auch ein Indexmodell, das die Gebührenhöhe entsprechend der Inflationsrate anpassen würde, „am Ende ein gangbarerer Weg“. Aber auch dies würde die tatsächlichen Kostensteigerungen nicht abdecken.
Die rundfunkspezifische Teuerung, die beispielsweise die Entwicklung der Kosten für Musik-, Film- oder Sportrechte berücksichtige, lag laut Wilhelm zwischen 2009 und 2017 bei rund 17 Prozent, während die Verbraucherpreise in diesem Zeitraum um 10,6 Prozent gestiegen seien.
Bauchschmerzen in einigen Bundesländern
In den politischen Führungsetagen einiger Länder scheint es unterdessen Bauchschmerzen beim Gedanken an eine weitere Erhöhung der Rundfunkgebühren zu geben. Eine Erhöhung des Pflichtbeitrages gilt – insbesondere in einer Zeit gewachsenen Misstrauens in der Bevölkerung gegenüber den Medien – nicht als Wahlkampfschlager. Daher waren aus den Ländern Stimmen laut geworden, den Beitrag stabil zu halten. Die größten Widerstände kommen dabei aus Bayern und den ostdeutschen Bundesländern.
Für Wilhelm ist dies keine Option: In diesem Fall müsste deutlich im Programm gekürzt werden. Es sei jedoch nicht möglich, ganze Bereiche wie Unterhaltung oder Sport aus dem Programmauftrag zu nehmen. Darüber hinaus seien diese nicht trennscharf abgrenzbar.
TV-Serien wie „Charité“ oder „Babylon Berlin“ seien nicht nur Unterhaltung, sondern auch „Bildung und Information“. Auch im Sport müsse ein breites Spektrum abgedeckt werden, das neben dem Spitzenfußball – den in zunehmendem Maße private Anbieter übernehmen – auch Paralympics, „junge Sportarten“ und die Breite des Wintersports umfasse.
In der Bevölkerung ist in den letzten Jahren die Kritik an der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mittels Pflichtbeiträge breiter und lauter geworden. Unterschiedliche Initiativen und politische Kräfte haben mehrere Petitionen zur Abschaffung des Rundfunkbeitrages aufgesetzt. Eine davon ist die Gruppe „AusGEZahlt-Berlin“, die „das von vielen von uns als ungerecht und nicht mehr nachvollziehbar empfundene System der Rundfunkbeiträge“ durch ein Volksbegehren beseitigen will.
Sender sehen sich durch Gerichtsurteile gestärkt
Auch politische Parteien wie die AfD oder die „Partei der Vernunft“ wollen den Pflichtbeitrag abschaffen, der für jeden Haushalt berechnet wird – unabhängig davon, ob dieser ARD und ZDF tatsächlich nutzt oder überhaupt ein Fernsehgerät besitzt. Zu den regelmäßig angeführten Kritikpunkten von Gegnern der Rundfunkgebühr gehören neben der grundsätzlichen Gegnerschaft zu einer Zwangsgebühr unter anderem Vorwürfe politischer Einseitigkeit, manipulativer Berichterstattung oder qualitativer Mängel.
Auch die Höhe der Gehälter von Spitzenmanagern und Redakteuren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder die Aufwendungen für Eigenproduktionen oder Expertenhonorare stoßen nicht überall auf ungeteilte Zustimmung. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sieht man sich jedoch nicht zuletzt durch das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs, der den Rundfunkbeitrag als europarechtskonform bewertet hatte, in seinen Begehrlichkeiten bestätigt.
Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht hatten bereits zuvor innerstaatlich grünes Licht für die Praxis gegeben, den Betrieb öffentlich-rechtlicher Medien durch eine allgemeine Haushaltsabgabe zu finanzieren.
(Mit Material der dpa)
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