Nord Stream 2: USA kündigen Sanktionen gegen Fährhafen Sassnitz an – MV-Regierung ist empört
Mit Empörung reagierte Mecklenburg-Vorpommerns sozialdemokratische Ministerpräsidentin Manuela Schwesig gegenüber dem Berliner „Tagesspiegel“ am Freitag, 21. August, angesichts der von den USA angekündigte Sanktionen gegen den Sassnitzer Hafen auf Rügen. Dieser spielt eine spezielle Rolle beim Bau der russischen Gaspipeline Nord Stream 2, die faktisch dem Energiekonzern Gazprom gehört, an dem der russische Staat mehrheitlich beteiligt ist.
Diese Drohungen sind absolut inakzeptabel. Deutschland kann selbst entscheiden, woher und auf welchem Weg es seine Energie bezieht. (…) Mecklenburg-Vorpommern hält am Bau der Pipeline fest.“
(Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin MV, SPD)
Schwesig erwarte von der Bundesregierung, „dass sie diesen Erpressungsversuchen entschieden entgegentritt“. Der Hafen Mukran bei Sassnitz gehört zu 90 Prozent der Stadt Sassnitz und zu zehn Prozent dem Land Mecklenburg-Vorpommern.
Gleiche Reaktion, unterschiedliche Ansätze
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, bestätigte seine Parteikollegin angesichts der Sanktionsandrohung durch die US-Senatoren: „Der Brief trägt eine neo-imperialistische Handschrift und ist eine schwere Belastung für das transatlantische Verhältnis.“ Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland kritisierte Schneider, der früher Mitglied im Landesvorstand der thüringer Jungsozialisten war: „Die ultimative Drohung einer befreundeten Nation gegenüber einem Hafen auf Rügen mit der wirtschaftlichen Zerstörung hat eine ganz neue, nicht akzeptable politische Qualität.“
Laut Schneider sei die Pipeline notwendig, „um unsere Energieversorgung zu diversifizieren und den Ausstieg aus der Energieversorgung mit Atom- und Kohlestrom abzusichern“.
Auch AfD-Fraktionsvize Leif-Erik Holm wies die Drohungen zurück. Diese seien „eine unglaubliche Ungehobeltheit und brauchen sofort eine scharfe Antwort der Bundesregierung“, erklärte er in Berlin. Die USA führten sich auf „wie eine Besatzungsmacht“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse jetzt „der übergriffigen US-Administration offensiv die Grenzen aufzeigen“ und als Reaktion beispielsweise die geltenden Sanktionen gegen Russland aufheben.
Warum drohen USA mit Sanktionen?
Nord Stream 2 soll Gas von Russland nach Deutschland transportieren und ist besonders auch in Osteuropa umstritten. Befürchtet wird vor allem eine Schwächung alternativer Pipelines und traditioneller Transitländer, etwa der Ukraine.
Auch Polen hat Deutschland für das Vorantreiben der umstrittenen russischen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 scharf kritisiert. „Nord Stream 2 ist das wirtschaftliche Instrument der Kreml-Politik und nicht, wie uns von der Bundesregierung präsentiert wird, ein rein wirtschaftliches Projekt“, sagte Polens Wirtschaftsministerin Jadwiga Emilewicz dem „Handelsblatt“.
Die Pipeline widerspreche der gemeinsamen europäischen Energiepolitik und die beteiligten russischen Partner seien nicht einfach freie unternehmerische Spieler, vielmehr „sind sie tief verstrickt in die Kreml-Politik“. Russland gehe es „nicht um Marktwirtschaft und faire Konkurrenz“.
Auch die USA kritisiert das Projekt. Die US-Regierung argumentiert, Europa begebe sich in eine Energie-Abhängigkeit von Russland.
Mitte Juli verkündete US-Außenminister Mike Pompeo, dass die umstrittene Ostsee-Pipeline, die Gas von Russland nach Deutschland transportieren soll, fortan unter ein Gesetz falle, das Strafmaßnahmen unter anderem gegen Unternehmen ermöglicht, die Geschäfte mit Russland oder Staaten wie dem Iran und Nordkorea machen.
Deutschland bevorzugt „wirtschaftliche“ Sichtweise
Wie auch schon im Umgang mit China versucht Deutschland unter Anmeldung wirtschaftlicher Überlegungen politische, bündnispolitische oder auch menschenrechtliche Fragen auszublenden. Die Bundesregierung erklärte angesichts der Sanktionsandrohungen der USA, sie lehne extraterritoriale Sanktionen ab, da diese „völkerrechtswidrig“ seien.
Laut einem Bericht der „Welt“ hatten drei US-Kongressmitglieder dem Management der staatlichen Fährhafen Sassnitz GmbH auf Rügen „vernichtende rechtliche und wirtschaftliche Sanktionen angedroht, sollte die Firma den Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 weiter unterstützen. In dem Brief der Senatoren heißt es unter anderem, dass es „eine breite Palette von US-Sanktionen und Richtlinien“ gebe, die auf das Nord Stream 2-Projekt abzielen würden. Die Maßnahmen würden den Hafen Sassnitz von den USA „kommerziell und finanziell abschneiden“.
Der Hafen Mukran bei Sassnitz dient als Röhren-Lagerstätte für die noch zu bauende Pipeline-Strecke von 160 Kilometern. Im Hafen liegen derzeit zwei Verlegeschiffe aus Russland vor Anker.
Fragen der nationalen Sicherheit
Die Senatoren machen in ihrem Schreiben die unmissverständliche Haltung der US-Regierung deutlich:
Die US-Regierung weiß, dass die Nord Stream 2-Pipeline kurz vor der Fertigstellung steht und betrachtet es als
eine ernste Bedrohung für die europäische Energiesicherheit und die nationale Sicherheit der USA. (…) Die Verwaltung und der Kongress sowie beide Parteien sind sich in ihrem Engagement einig, um sicherzustellen, dass die Pipeline unvollendet bleibt und diese Bedrohungen niemals realisiert werden.“
Wie die „Welt“ zitiert, seien die Sanktionen obligatorisch und ohne Ermessensspielraum bei ihrer Verhängung: „Wenn Sie weiterhin Waren, Dienstleistungen und Unterstützung für das Nord-Stream-2-Projekt bereitstellen, (..) würden Sie das zukünftige finanzielle Überleben Ihres Unternehmens zerstören.“
Die angedrohten Sanktionen sind laut Bericht weitreichend. „Den Vorstandsmitgliedern, Geschäftsführern und Aktionären der Fährhafen Sassnitz GmbH wird die Einreise in die Vereinigten Staaten untersagt, und jegliches Eigentum oder Anteile an Eigentum, das sich in unserem Zuständigkeitsbereich befindet, wird eingefroren“, zitierte die Zeitung weiter aus dem Schreiben.
Das Auswärtige Amt reagiert mit ungewöhnlich scharfen Worten auf die angedrohten Sanktionen: „Die US-Politik der extraterritorialen Sanktionen gegen enge Partner und Verbündete ist ein schwerwiegender Eingriff in unsere nationale Souveränität“, sagte Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt, dem „Handelsblatt“ (Freitagausgabe). Das Vorgehen der Amerikaner sei „völlig unangebracht“.
Das Auswärtige Amt verurteilt die Einmischung der Amerikaner in europäische Angelegenheiten. „Tonfall und Inhalt der jüngst von Senatoren verschickten Drohbriefen an deutsche Unternehmen sind völlig unangebracht“, stellte Annen klar. „Wir haben gegenüber unseren amerikanischen Partnern klargestellt, dass wir uns gegen die Ausübung von Druck auf unsere Unternehmen verwehren.“ Deutsche und europäische Energiepolitik werde „ausschließlich in Berlin und Brüssel und nicht in Washington D.C. entschieden“.
Der SPD-Politiker kündigte an, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft zu nutzen, um „die europäische Souveränität zu stärken und Instrumente wie die Blocking-Verordnung weiterzuentwickeln“. Europa dürfe sich nicht erpressbar machen.
(afp/er/sua/sm)
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