„Nötig und richtig“: Scholz verteidigt Ampelhaushalt – Merz spricht Kanzler die Eignung ab
Am Montagabend, 27. November, hat das Bundeskabinett den Entwurf zu einem Nachtragshaushalt für 2023 beschlossen. Darin wird unter anderem für ein weiteres Jahr die Schuldenbremse ausgesetzt. Am Dienstag gab Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag dazu eine Regierungserklärung ab. Diese trat an die Stelle der eigentlich geplanten Schlussberatung zum Etatentwurf für 2024. Dessen geplante Verabschiedung am kommenden Freitag ist auf vorerst nicht bestimmte Zeit vertagt.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur eine „Konturierung“?
Im Mittelpunkt der Regierungserklärung des Kanzlers stand erwartungsgemäß die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023, die den Nachtragshaushalt erst erforderlich gemacht hatte. Das Höchstgericht hatte das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 als verfassungswidrigen Versuch der Umgehung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse gewertet.
Damit war unter anderem die Grundlage für 60 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen für den „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) weggefallen. Aufgrund des Urteilstenors war jedoch davon auszugehen, dass auch weitere Sondervermögen betroffen sein könnten – was eine haushaltspolitische Reaktion erforderlich machte.
Der Bundeskanzler sieht im Urteil der Höchstrichter lediglich eine „Konturierung“ eines zuvor „noch nicht eindeutig“ bestimmten Umgangs mit der Schuldenbremse. Man habe „Einschätzungen getroffen“, das Gericht jedoch das letzte Wort. In Kenntnis der Entscheidungserwägungen „hätten wir im Winter 2021 einen anderen Weg gewählt“, erklärte Scholz.
Scholz: „Sorgfalt vor Schnelligkeit“ bei Haushaltsverhandlungen
Dennoch schaffe das Urteil „eine neue Realität“, äußerte der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung weiter. Die dadurch geschaffene Lage mache es „schwieriger, Entscheidungen zu treffen und auf Herausforderungen zu reagieren“. Es betreffe nicht nur den Bund, sondern auch frühere Regierungen sowie die Bundesländer. Nun wolle man über den Haushalt 2024 nach dem Motto „Sorgfalt vor Schnelligkeit“ beraten.
Scholz verteidigte das Vorgehen der Ampel vor dem Hintergrund zu deren Regierungsantritt noch bestehender und späterer Krisen. Am Tag seines Amtseides habe es noch eine dreistellige Anzahl an Corona-Toten und Zehntausende Infizierte gegeben.
In weiterer Folge kamen der Ukraine-Krieg und die Gaskrise dazu. Auf die dadurch bewirkte veränderte sicherheitspolitische Lage sei Deutschland nicht vorbereitet gewesen. Außerdem seien die Folgen der Ahrtal-Flutkatastrophe noch nicht bewältigt gewesen. Es sei „nötig und richtig“ gewesen, in diesen Situationen zu helfen, so Scholz. Für den Bürger in dessen Alltag ändere sich durch das Karlsruher Urteil nichts, laufende Ausgaben wie Rente oder Kindergeld seien gesichert:
„Bürgerinnen und Bürger können darauf vertrauen, dass der Staat Zusagen einhält.“
Die Opposition quittierte die Äußerungen des Kanzlers im Plenum stellenweise mit Hohngelächter. Sie warf ihm in der anschließenden Debatte vor, klare Positionierungen zu vermeiden – etwa in der Frage, ob der Etat 2024 wieder die Regeln der Schuldenbremse einhält, oder in der Frage, welche Haushaltsprioritäten die Koalition angesichts der enger werdenden Finanzspielräume setzt.
Merz über Scholz: „Sie können es nicht“
Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) sprach Scholz die Eignung für das Kanzleramt ab. „Die Schuhe, in denen Sie stehen als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, sind Ihnen mindestens zwei Schuhnummern zu groß“, sagte der CDU-Chef an Scholz gewandt.
Scholz sei allenfalls ein „Klempner der Macht“, dem eine Vision für die Zukunft des Landes fehle, sagte Merz. „Verglichen mit den Kanzlern, die Ihre einstmals so stolze Partei, die SPD, in diesem Land hier gestellt hat, muss man doch spätesten seit dieser Regierungserklärung zu dem Schluss kommen: Sie können es nicht.“
Merz warf der Ampel vor, diese habe „in dreister Weise versucht, die Schuldengrenzen zu umgehen“. Die Union habe deshalb gegen diesen Versuch zur Manipulation der Verfassung geklagt – und das Urteil sei „wichtig und notwendig“ gewesen.
Das Gebaren der Ampel habe die FDP durch die vermeintliche Einhaltung der Schuldenbremse beruhigen sollen. Gleichzeitig hätten die Grünen daran gearbeitet, alle denkbaren Klimaschutzausgaben durchzubringen, und die SPD habe den Sozialstaat weiter aufgebläht.
Scholz habe als Bundesfinanzminister bereits in der Übergangszeit diese Konstruktionen vorbereitet. Er hätte es „wissen können, was das Bundesverfassungsgericht entscheidet“. Nun, da „das Kartenhaus zusammengebrochen“ sei, hätte man sich „zumindest Bedauern oder eine Entschuldigung erwartet“.
Merz bot dem Kanzler eine Zusammenarbeit an – allerdings unter der Voraussetzung, dass die SPD sich wieder auf die Marktwirtschaft besinne und das Prinzip „Fördern und Fordern“ zurück in den Arbeitsmarkt bringe.
Dröge an die Adresse der Union: „Hören Sie auf, mit Bürgergeld zu zündeln“
Für die Grünen warf die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge der Union im Bundestag vor, zu Unrecht in Triumphgeschrei über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auszubrechen. Nicht nur in Ländern wie den USA würden umfassende Haushaltsmittel für die Förderung von Investitionen bereitgestellt.
Auch in der Union selbst mehrten sich die Stimmen in den Bundesländern, die Finanzierung von Zukunftsprojekten abzusichern. Für diese sei das Urteil „keine gute Nachricht“, so Dröge. Die Schuldenbremse führe nicht zu weniger Schulden, sondern nur zu deren trickreicher Verschleierung.
Zudem solle die Union aufhören, „mit dem Bürgergeld zu zündeln“. Das Bundesverfassungsgericht habe eindeutige Vorgaben zur Sicherung des Existenzminimums für Bedürftige gemacht. An jenen komme auch Friedrich Merz nicht vorbei.
Weidel: „Längst eine Krise der Institutionen“
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel wiederum sprach von einem „Verfassungsbruch, wie er beispiellos in der deutschen Geschichte“ sei. Die Bürger hätten nicht auf eine Regierungserklärung, sondern auf eine Rücktrittserklärung von Scholz gewartet.
„Wer arbeitet, ist der Dumme“, bewertete Weidel die Politik der Ampel. Das Bürgergeld sei zum „Migrantengeld“ geworden. Für Migration gebe die Bundesregierung „jährlich 50 Milliarden Euro“ aus – wobei diese vor allem Unsicherheit und Einwanderung in die Sozialsysteme bewirke.
Aus der Krise sei „längst eine Vertrauenskrise“ geworden, die Bürger verlören das Vertrauen in die Institutionen. Zu wenig Geld habe die Regierung nicht zur Verfügung, es gebe „Rekordsteuereinnahmen, mit denen Sie – wie alle Sozialisten – nicht umgehen können“. Weidel forderte Ausgabenkürzungen in Bereichen wie Migration, Ukraine, EU, Energiewende und Entwicklungspolitik. Die Ampel solle „den Weg für Neuwahlen öffnen“.
Dürr: „Union blockiert mit Wachstumsförderungsgesetz private Initiative“
Namens der FDP erklärte Fraktionschef Christian Dürr, das Urteil aus Karlsruhe habe „die Praxis von allen politischen Akteuren beendet, nicht nur von der Ampel-Regierung“. Die Union habe in den Jahren ihrer Regierungszeit selbst 15 Sondervermögen geschaffen. Man hätte freilich die Frage der Jährlichkeit in der Haushaltspolitik besser beachten sollen.
Immerhin, so Dürr, komme der Nachtragshaushalt für 2023 ohne zusätzliche Schulden aus. Die Nettokreditaufnahme werde gegenüber der Urfassung um 40 Prozent sinken. Die Schuldenbremse werde nun unter Druck geraten, auch vonseiten der Ministerpräsidenten der Union, aber sie sei in der Bevölkerung beliebt. An die Union appellierte Dürr, das „Wachstumsförderungsgesetz“ nicht länger zu blockieren.
Bartsch: „Sie werden Schuldenbremse auch 2024 aussetzen müssen“
Für die Linke trat Noch-Fraktionschef Dietmar Bartsch ans Rednerpult. Er habe sich „etwas mehr Demut“ vonseiten der Ampel erwartet. Es gehe nicht nur um „Konturierungen“ – „sonst wäre man auf diese vorbereitet gewesen“. Es gebe ein „Fachkräfteproblem bei Finanzministern“, die durch „Tricksereien“ und Bilanzfälschung“ eine Regierungskrise geschaffen hätten. Bartsch sagte der Regierung voraus:
„Sie werden auch 2024 die Schuldenbremse aussetzen müssen.“
Diese sei eine „Investitionsbremse“, erklärte Bartsch weiter, und ein „Anschlag auf die Zukunft“. Man brauche „Investitionen nicht als Ausnahme, sondern als Regel“. Dazu bedürfe es höherer Steuern für die größten Vermögensbesitzer und weniger Belastungen für die Normalverdiener.
Für die SPD sprach Fraktionschef Rolf Mützenich von einem „deutlichen Rückschlag und Ernüchterung“ durch das Urteil. Es gebe allerdings keinen Staatsnotstand – Gehälter würden trotzdem noch fließen. Mit Blick auf die Gesamtlage sei jedoch eine politische Reaktion erforderlich:
„Wenn die Zeiten keine normalen Zeiten sind, kann es auch keinen normalen Haushalt geben.“
(Mit Material von afp)
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