Niedergang der Kreativbranche durch KI?
KI ist das Trendthema 2023: Mit ChatGPT und Co. einhergehend wird die Einflussnahme von Künstlicher Intelligenz (KI) auf Alltagsleben und Beruf zunehmend thematisiert; ebenso, was der Einsatz von KI für die Kreativbranche bedeuten kann. Denn ChatGPT kann nicht nur Sätze formulieren, die von denen eines Menschen nicht zu unterscheiden sind – die Software kann auch Fragen beantworten, Texte zusammenfassen und komplette Drehbücher schreiben.
Ganze Branchen, in denen mit Texten gearbeitet wird, befürchten jetzt, dass die Künstliche Intelligenz übernimmt, und zwar ihre Jobs. Neben Journalisten betrifft das Werbetexter, Drehbuchautoren, Synchronsprecher und auch Schauspieler – viele bangen inzwischen darum, zugunsten der maschinellen Billigkonkurrenz ihren Job bald an den Nagel hängen zu müssen.
Angst vor Robokalypse in Hollywood
In den USA streiken seit Anfang Mai deshalb Tausende Mitglieder der Writers Guild of America (WGA) für mehr Gehalt und eine Beschränkung des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz bei Kreativprojekten. Die Drehbuchautoren befürchten, dass sie ihre Jobs an KI-Systeme verlieren, wenn künftig Drehbücher von Computern geschrieben werden. 11.000 Mitglieder der WGA sind seit Mitte Mai im Streik. Dazugesellt haben sich seit 13. Juli Zehntausende Hollywood-Schauspieler, nachdem die Verhandlungen der Gewerkschaft Screen Actors Guild (SAG-AFTRA) mit den großen Filmstudios gescheitert waren. Die Gewerkschaft vertritt insgesamt 160.000 Schauspieler und fordert von Studios und Streaminganbietern wie Disney, Paramount und Netflix höhere Gagen sowie Zusicherungen zum künftigen Umgang mit KI. Die Befürchtung der Schauspieler ist, dass ihre Schauspielauftritte und Stimmen als KI-Datenfutter genutzt werden, ohne dass sie dafür vergütet werden.
Mit diesem ersten gemeinsamen Streik seit 63 Jahren legen die Schauspieler und Drehbuchautoren den Hollywood-Betrieb auf unbestimmte Zeit lahm. Viele Film- und Serienproduktionen stehen aktuell still. Inzwischen ist die Welle nach Europa übergeschwappt: Britische Schauspieler solidarisieren sich mit den streikenden US-Kollegen, Hunderte haben sich dem Protest in Hollywood angeschlossen.
Zur Filmbranche gehören nicht nur Schauspieler und Drehbuchautoren, auch das Synchronbusiness steht durch geklonte KI-Stimmen vor einem Umbruch. Mit Stimmgeneratoren, die ebenso für Nichtprofis im Netz zu finden sind, lassen sich Texte mit der gewünschten Stimme vertonen. Mittlerweile benötigt man dazu nur noch ein Skript – das lässt sich im Zweifelsfall mit ChatGPT generieren – und innerhalb kürzester Zeit wird der Text von einem Avatar dann in dieser Sprache eingesprochen.
Keine Science-Fiction: KI übernimmt in Zukunft ganze Branchen
Dabei ist die Kreativbranche Teil eines Gesamtphänomens: Laut einer Studie der Investmentbank Goldman Sachs sind durch generative KI weltweit 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätze gefährdet. Demnach sei ein Viertel aller US- und EU-Arbeitsplätze durch KI-Automatisierungen bedroht. Bis zu 50 Prozent der aktuell noch von Menschen verrichteten Arbeiten werden durch Maschinen ersetzt werden. Der Goldmann-Sachs-Bericht hebt aber auch hervor, dass die meisten Arbeitsplätze und Branchen nur teilweise automatisiert und somit durch die KI eher ergänzt als ersetzt würden. Die am stärksten gefährdeten Arbeitsplätze sind laut der Studie Büro- und Verwaltungsjobs (46 Prozent), gefolgt von Rechtsberufen (44 Prozent) und Architektur- und Ingenieurberufen (37 Prozent). Jobs mit dem geringsten Risiko für Automatisierung durch KI umfassen Reinigungs- und Wartungsarbeiten, Installations- und Reparaturarbeiten sowie Bauarbeiten.
Nobelpreisträger warnt: Umwälzung der Kreativbranche
Dabei birgt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Forschung und in Berufsgruppen wie beispielsweise bei Ärzten auch offensichtliche und große Vorteile, was eine Effizienz bei Routinearbeiten wie dem Protokollieren der Visite dann automatisiert werden kann. Das Wichtigste und zugleich der Unterschied zur Kreativbranche: Die elementare Qualifikation des Arztes wird dabei nicht angetastet. In der Kreativbranche ist es genau andersherum: Das, was einen Kreativen ausmacht und was elementar ist, wird durch KI ersetzt – und das wahrscheinlich in absehbarer Zeit.
So sei in der Branche bereits in fünf bis zehn Jahren eine weitestgehende Übernahme digitaler Inhalte durch ChatGPT und Nachfolgeprogramme zu erwarten, erklärt Michael Spence, Nobelpreisträger für Ökonomie und ehemaliger Dekan der Stanford Graduate School of Business. In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ geht er auf die drastischen Veränderungen durch KI im Kreativarbeitsmarkt näher ein.
Um Kreativschaffende zu schützen, seien deshalb grundlegende KI-einschränkende Regularien und juristische Anpassungen notwendig. So auch die Kenntlichmachung der Inhalte und Texte, welche mithilfe Künstlicher Intelligenz kreiert wurden. Qualifikationen, die jetzt gefragt sind, könnten in Zukunft nicht mehr nötig sein. „Wir können davon ausgehen, dass ChatGPT eine Herausforderung darstellen wird für alle, die Inhalte kreieren.“ Besonders denke der Nobelpreisträger dabei an Film und Musik.
Zukunftsmusik: KI gibt Ton an
Der chinesische Streamingdienst Tencent Music ließ 1.000 Songs von einer KI einsingen. Quasi Massenware von der Stange, die aber beim Publikum gut ankam: Ein Track wurde mehr als 100 Millionen Mal gestreamt. Das alles ohne Studio, ohne Tontechnik oder gar Musiker. Als prominente Stimme warnt der Rockstar Sting vor den Folgen für die Musik durch Künstliche Intelligenz und Software-Tools wie ChatGPT: „Die Bausteine der Musik gehören uns, den Menschen“, sagte der 71-Jährige in einem BBC-Interview. „Das wird ein Kampf sein, den wir alle in den nächsten Jahren ausfechten müssen: die Verteidigung unseres menschlichen Kapitals gegen KI.“
Auch da, wo Musik noch „richtig“ produziert wird, kommt bereits jetzt schon Software zum Einsatz, die zumindest Teile von Songs automatisiert generieren kann. Sie wird bisher vor allem als Werkzeug zum Unterstützen der Komponisten gesehen. ABBA-Musiker Björn Ulvaeus glaubt, so sagte er Anfang des Jahres auf der Innovationskonferenz DLD in München, dass Künstliche Intelligenz mit der Zeit bessere Musik als viele Menschen schreiben kann.
Im Mai 2022 feierten die digitalen Stellvertreter von ABBA mit „Abba Voyage“ ein virtuelles Comeback nach 40 Jahren. Das Programm war eine Hologramm-Show, bei der die sogenannten „ABBAtare“ nach den Vorbildern von 1979 natürlich auch nicht altern.
Künstliche Intelligenz groß in Mode
Auch Models und Influencer der virtuellen Zukunftswelten altern nicht. Sie zu generieren kostet kaum etwas und sie haben keine kapriziösen Launen oder sonstigen Allüren. Einen Fotografen braucht man dann auch nicht mehr fürs Fotoshooting. Für die Kreativen der Mode- und Werbebranche wird sich einiges ändern. Es drohen erhebliche Berufsverluste.
Traumjob Model oder Influencer war also gestern – die Zukunft gehört den Avataren: Mit Lil Miquela gibt es bereits ein erfolgreiches Computermodel. Der Avatar – von seinen Entwicklern als brasilianisch-spanisches Model mit Sommersprossen und frecher Zahnlücke designt – wurde schon für Kampagnen von Modelabels wie Dior und Calvin Klein gebucht. Auf dem Instagram-Account mit 2,7 Millionen Followern wird Lil Miquela als „🤖 19-year-old Robot living in LA 💖“ vorgestellt und zeigt sogar „Haltung“: Die glattgepixelte Lil Miquela hat vor #BlackLivesMatter zu stehen.
KI übernimmt nach chinesischem Modell
Wie schnell der Niedergang einer ganzen Kreativbranche durch den Aufstieg der Künstlichen Intelligenz gehen kann, zeigt sich aktuell in China bei der boomenden chinesischen Videospielindustrie. Programme wie DALL-E 2, Midjourney und Stable Diffusion machen es möglich, nahezu perfekte Zeichnungen zu erstellen. Das haben auch chinesische Videospielunternehmen von Tech-Giganten wie Tencent bis zu Indie-Entwicklern erkannt.
Wo früher Künstler Charaktere konzeptionierten und Hintergrundelemente wie Stadtlandschaften zeichneten, lassen die Unternehmen nun ihre Videospielcharaktere, Umgebungen und Werbematerialien einfach von einer KI erstellen. Das geht in Sekundenschnelle – ganz ohne Personal und die Kosten für deren Kreativarbeit.
KI das Ende der Menschheit?
Das Ende der ganzen Menschheit sieht gar Eliezer Yudkowsky, ein führender KI-Forscher und Entscheidungstheoretiker, in einem Kommentar im „Time Magazine“ vom 29. März. „Wenn jemand eine zu mächtige KI baut, gehe ich unter den derzeitigen Bedingungen davon aus, dass jeder Einzelne der menschlichen Spezies und alles biologische Leben auf der Erde kurz darauf stirbt“.
Mit diesen Worten reagierte Yudkowsky auf einen offenen Brief mehrerer Wirtschaftsführer und Wissenschaftler, die einen sechsmonatigen Aufschub der KI-Forschung forderten. Yudkowsky zufolge wüssten viele Forscher, dass „wir auf eine Katastrophe zusteuern“, aber sie würden es nicht laut aussprechen. Yudkowsky plädiert dafür, KI nur auf die Lösung von Problemen in Biologie und Biotechnologie zu beschränken. Keinesfalls sollte sie darauf trainiert werden, „Texte aus dem Internet“ zu lesen oder „ein Level zu erreichen, auf dem sie spricht oder plant“. Aus seiner Sicht werde „der Ernst der Lage unterschätzt“.
KI-Befürworter Bill Gates hingegen lobte die Entwicklung: „Ganze Branchen werden sich danach ausrichten. Unternehmen werden sich dadurch auszeichnen, wie gut sie sie nutzen“, sagte Gates. Seiner Ansicht nach könne KI auch dabei helfen, globale Probleme wie den Klimawandel und soziale Ungerechtigkeit zu lösen.
Deutsche Kreativbranche optimistisch
Wenn man die deutsche Kreativbranche zu den Auswirkungen von KI befragt, findet man erstaunlich viele optimistische Statements über Effizienz, Transformation oder nützliche Tools:
So glaubt Holger Reuss, Director CX der Digitalagentur oddity, fest daran, dass die ersten Impulse für großartige Ideen und einzigartige Konzepte auch weiterhin von kreativ denkenden Menschen kommen werden und müssen: „Mit kreativ meine ich, Dinge einzigartig und in einer nie zuvor gesehenen Weise zu kombinieren, um dadurch Probleme zu lösen. KI wird schnell zu einem aus dem (Arbeits)-Alltag nicht weg zu denkenden Tool in diesem Prozess sein. Aber niemals der Funke, der eine Idee zum Brennen bringt.“
KI steigere die Produktivität wie nichts zuvor und beschleunige die Arbeitsabläufe. Auch wenn ChatGPT in vielerlei Hinsicht übermenschlich ist, ist es immer noch KI und als solcher fehlt ihr die emotionale Intelligenz und das originelle Denkvermögen, die Kreative mitbringen, sagt Guillaume D. Champeau, Chief Creative Officer der Münchener Agentur Tres Bien: Das Ziel sei, ein Gleichgewicht zwischen der Nutzung der Stärken von ChatGPT und dem Einsatz menschlicher Kreativität zu finden.
Das letzte Wort hat die KI
Und was sagt die Künstliche Intelligenz selbst dazu? Epoch Times hat ChatGPT gefragt: „Bitte schreibe ein Statement in drei Sätzen, wie die Auswirkungen des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz auf die Kreativbranche sind!“
Hier die Antwort: „Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz wie ChatGPT revolutioniert die Kreativbranche durch automatisierte Inhaltsproduktion und Effizienzsteigerung. Kreative Assistenzen inspirieren und unterstützen Künstler, Designer und Schriftsteller. Zugleich entstehen neue ethische Herausforderungen im Umgang mit KI-generierten Werken und Urheberrechten.“
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