„Nicht immer einer Meinung“: Deutsch-französische Differenz bei Kernenergie
Bei der 9. Arbeitssitzung der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung am Montag, 22. Mai, trafen sich unter anderem die Wirtschaftsminister von Frankreich und Deutschland. Im Plenarsaal des Europäischen Parlaments in Straßburg ging es um die Bedeutung Europas in der Welt und als Hauptthema um strittige Standpunkte bei der Energiefrage.
Nur gemeinsam könne sich Europa als dritter starker Akteur auf der Weltbühne neben China und den USA behaupten. In diesem Punkt waren sich auch der Wirtschaftsminister Frankreichs, Bruno Le Maire (Renaissance), und sein deutscher Amtskollege Robert Habeck (Grüne) einig.
Dissens bei der Energiepolitik
Anders sieht es jedoch bei der Energiepolitik der benachbarten EU-Staaten aus. „Frankreich und Deutschland sind nicht immer einer Meinung“, erörterte Le Maire die unterschiedlichen Ansichten.
Frankreich, so Le Maire, halte die Kernenergie für ein gutes und probates Mittel, um die Energieunabhängigkeit zu erreichen und eine CO₂-freie Energieerzeugung zu gewährleisten. Das sei eine „rote Linie“ für sein Land, die es zu respektieren gelte, berichtete die Website des Bundestags. Die Atomkraft stehe für Frankreichs wirtschaftliche Souveränität und Unabhängigkeit.
Für den deutschen Wirtschaftsminister ist das „in Ordnung“. Alle Länder in Europa hätten einen unterschiedlichen Energiemix und gehen „ihren eigenen Weg“, sagte Habeck. Europa beruhe im Binnenmarkt auf Wettbewerb. „Wir treffen uns 2030 und werden schauen, wie sich die Energiepreise entwickelt haben“, sagte der Minister. Derzeit kostet die Kilowattstunde in Deutschland für Neukunden rund 31 Cent brutto laut Verivox. In Frankreich zahlen die Verbraucher laut „Puerto Santo“ im Schnitt 17 Cent für eine Kilowattstunde Strom.
Im April ist Deutschland endgültig aus der Kernenergie ausgestiegen, indem die letzten drei Meiler auf null fuhren. Frankreich setzt hingegen weiter auf die Kernenergie und will neben den bestehenden 56 KKW in den nächsten Jahren weitere Reaktoren errichten.
Habeck: Kernenergie nicht mit Erneuerbaren gleichsetzen
Eine klare Linie zog auch Habeck, die aus seiner Sicht nicht übertreten werden darf. So dürften erneuerbare Energien und die Kernenergie bei der Dekarbonisierung nicht gleichgesetzt werden.
Habeck erklärte im Verlauf der Plenarsitzung, dass die Länder sich nicht in allem einig sein können. „Es wäre ein völliges Missverständnis, wenn wir annehmen würden, dass, weil wir intensiv und selbstbewusst zusammenarbeiten, dies automatisch bedeutet, dass es immer einen Konsens gäbe. Ich würde sagen, es ist genau das Gegenteil der Fall.“
Erst letzte Woche, am 17. Mai, hatte die französische Regierung die Verabschiedung der EU-Richtlinie über erneuerbare Energien blockiert. Diese legt die Mindestwerte für die Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen fest.
Stein des Anstoßes war der Text von Artikel 22b. Darin geht es um die Ziele im Bereich des sauberen Wasserstoffs bei der Dekarbonisierung der Industrie. Frankreich beharrt auf der Anrechnung von kohlenstoffarmem Wasserstoff aus Kernenergie auf die Ausbauziele bei erneuerbaren Energien.
Ob sich die neue EU-Richtlinie für erneuerbare Energien durchsetzen kann, bleibt vorerst ungewiss. Nötig ist eine allgemeine Einigung der EU-Staaten. Frankreich nimmt hierbei eine entscheidende Rolle ein.
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Kein gemeinsames Projekt
Einige Abgeordnete, die an der Parlamentarischen Versammlung teilnahmen, kritisierten die fehlende Kooperationsbereitschaft der Minister. Das stellte unter anderem der Abgeordnete der französischen Sozialisten, Valérie Rabault, fest, wie „Euractiv“ berichtet.
„Ich habe jetzt eine Weile zugehört und Sie haben die Haltung Deutschlands beziehungsweise Frankreichs klargestellt. Aber Sie haben nicht ein einziges Mal ein gemeinsames deutsch-französisches Projekt genannt“, formulierte Rabault.
Reise nach Peking wäre „starkes Signal“
Für die kommenden Monate haben die Wirtschaftsminister eine gemeinsame Reise nach China ins Auge gefasst. „Eine gemeinsame Reise nach Peking wäre ein starkes Signal“, sagte der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire. „Ich freue mich sehr, wenn wir den Gedanken weiterverfolgen und vielleicht auch umsetzen“, so Habeck.
„China und die USA nutzen Instrumente des Protektionismus und setzen ihre Interessen beinhart durch“, erklärte Le Maire. Europa müsse daher seine Unabhängigkeit stärken, ein „dritter Player“ zu werden. Ziel sei es, „die Industrie vor Verzerrungen des Wettbewerbs zu schützen“. Dem stimmte Habeck zu, da „Wirtschaftspolitik als Wirtschaftssicherheitspolitik zu begreifen“ sei. Dies „ist das Gebot der Stunde.“
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