Neustart für die Gesetzliche Krankenversicherung: BKK-Verbandschef stellt Forderungen an die kommende Bundesregierung
Angesichts der prekären Situation mit milliardenschweren Defiziten muss ein kompletter Neustart für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) her. Das fordert der Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK) von der nächsten Regierung und hat dazu eine ganze Reihe an Forderungen in einem „gesundheitspolitischen Aufgabenheft“ formuliert.
Misere im Gesundheitswesen ist hausgemacht
Die jüngste Beitragssatzexplosion sei nur die Spitze des Eisbergs. Es brodele nicht nur bei der Versorgung, bei der Deutschland im internationalen Vergleich bestenfalls Mittelmaß sei, heißt es in einer Mitteilung des Verbandes. Auch in den Bereichen Pflege, Prävention, Nachhaltigkeit und Digitalisierung bleibe man weit hinter den Möglichkeiten.
„Die Misere der gesetzlichen Krankenversicherung und unserer Gesundheitsversorgung ist nicht schicksalhaft, sondern hausgemacht. Der Weg zur Gesundung führt nur über diese bittere Einsicht“, sagt Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes. Daher erwarteten die Betriebskrankenkassen von der nächsten Regierung: „Neu machen, anders machen, besser machen“.
Das Sozialgesetzbuch (SGB) sei ein „Buch voller Fehlanreize, Beschränkungen und Absurditäten“, wettert Knieps. Das mittlerweile mehr als 100 Jahre alte SGB nennt er ein „bürokratisches Hindernis für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem“. Es müsse daher neu geschrieben werden: „Transparenter, prägnanter, offen für Neues und vor allem für eine bessere Versorgung der Patientinnen und Patienten.“
Bundesregierungen haben ihre Hausaufgaben nicht erledigt
Ein Neustart sei zwar eine Mammutaufgabe, von der aber die Menschen profitieren würden. „Gute Versorgung bedeutet Offenheit für die Einbeziehung und verbindliche Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe.“ Man müsse wegkommen vom „Kästchendenken“. In den Vordergrund müssten das Bemühen um „echten Handlungserfolg“ und medizinische und digitale Vernetzung rücken, „wo immer sinnvoll und möglich“. Auch müsse man die Krankenkassen mit ihrem Wissen „einfach mal machen lassen“, so Knieps. Und weiter: „Wir Betriebskrankenkassen wissen, was unsere Versicherten brauchen und wie wir sie durch das Gesundheitssystem lotsen können“, betont er.
Die Politik müsse aufhören, den Bürgerinnen und Bürgern „Sand in die Augen zu streuen“. Der Beitragsschock in der GKV zu Jahresbeginn wäre nach Knieps Ansicht vermeidbar gewesen, wenn die vorangegangenen Bundesregierungen „ihre Hausaufgaben gemacht und sich an Recht und Gesetz gehalten hätten“. Dann, so sagt Knieps, „wäre die GKV auf einen Schlag um bis zu 21 Milliarden Euro jährlich entlastet und die Beitragssätze um gute 1,1 Prozentpunkte niedriger. „Eine faire, verfassungstreue GKV-Finanzierung muss von Tag eins der neuen Legislatur umgesetzt werden“, sagt Anne-Kathrin Klemm, Vorstandsmitglied des BKK-Dachverbandes.
Mangelhafte Vorsorge kostet jährlich 124.000 Menschen das Leben
Ähnlich sehe es bei der Pflege aus. Viel zu lange sei dort „auf Sicht“ gefahren worden – frei nach dem Motto „So schlimm wird’s schon nicht.“ Das räche sich nun. Man benötige einen Perspektivwechsel in der Pflege mit langfristiger finanzieller Stabilität und effizienten Strukturen, mehr Prävention zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit und mehr finanzielle und rentenrechtliche Unterstützung für die Millionen pflegenden Angehörigen, die den Großteil der Pflege am Laufen halten, führt Klemm aus.
Besser müsse es bei der Prävention laufen. Mangelhafte Vorsorge koste rund 124.000 Menschen jährlich das Leben. Mit 157 vermeidbaren Todesfällen pro 100.000 Einwohner liege Deutschland deutlich hinter anderen westeuropäischen Ländern, sagt sie. Das liege daran, dass es die Prävention schwer habe in einem Gesundheitssystem, das auf die Verwaltung und Behandlung von Krankheiten ausgerichtet sei.
Die Erhaltung der Gesundheit müsse oberste Priorität bei der Versorgung haben. „Darüber hinaus sollten Präventionspotenziale durch KI-gestützte Datenanalysen, mehr Freiraum für die Krankenkassen bei der individuellen Präventionsberatung und den Einsatz von Betriebs- und Werksärzten erschlossen werden“, fordert Klemm. Jede Krankheit, die verhindert werden könne, schone die Ressourcen.
Verfassungswidrige Beteiligung der Beitragszahler ist bereits beschlossen
Der nächste Griff in die Taschen der Beitragszahler sei ebenfalls bereits beschlossene Sache. So ließ der Bundesrat die Klinikreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Herbst 2024 passieren. Damit solle eine mehr als über zehn Jahre andauernde Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft umgesetzt werden. Eine 50 Milliarden Euro teure Maßnahme, die der Dachverband grundsätzlich für „durchaus sinnvoll“ erachtet.
Laut Grundgesetz und Krankenhausfinanzierungsgesetz sind dafür die Länder zuständig. Der Bund könne sich zwar beteiligen, habe aber kein Geld. „Also bürdet Gesundheitsminister Lauterbach die Hälfte der Kosten den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenversicherung auf. Das bedeutet 2,5 Milliarden Euro jährlich von 2026 bis 2035. Obwohl es verfassungswidrig ist, wie Rechtsgutachten belegen“, heißt es auf der Internetseite des Dachverbandes weiter.
Eine Ansicht, die die Privaten Krankenkassen (PKV) ebenso sehen. Den für den Umbau der Krankenhauslandschaft geplanten Transformationsfonds auf Kosten der Beitragszahler der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung „halten wir für verfassungswidrig“, sagte der PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther im Herbst 2024. Daher lehnt er eine Beteiligung aus Beitragsmitteln der Versicherten an dem sogenannten Transformationsfonds zur Finanzierung des Umbaus der Krankenhauslandschaft ab.
Der BKK-Dachverband ist die politische Interessenvertretung von 64 Betriebskrankenkassen und vier Landesverbänden mit rund 9,6 Millionen Versicherten.
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