Neues Staatsangehörigkeitsgesetz startet am 27. Juni – Doppelpass und kürzere Wartezeit
Das neue Staatsangehörigkeitsgesetz mit verkürzten Wartezeiten und dem Doppelpass für alle tritt am 27. Juni in Kraft. Bei den Einbürgerungsbehörden gibt es zu diesem zentralen Baustein der neuen Migrationspolitik der Ampel-Koalition schon seit Wochen viele Anfragen.
Das zeigt eine Umfrage von dpa bei Landesregierungen und Stadtverwaltungen. Um den erwarteten Anstieg der Zahl der Einbürgerungsanträge bewältigen zu können, setzen sie vor allem auf eine Digitalisierung des Verfahrens.
Die Union will die Reform rückabwickeln, sollten die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nach der nächsten Wahl dies möglich machen.
Viele Einbürgerungswillige fragen nach dem Doppelpass
„Mit Inkrafttreten des neuen Staatsangehörigkeitsrechts des Bundes in diesem Frühjahr erwarten wir in 2024 erneut erheblich steigende Zahlen bei den Einbürgerungsanträgen und den Einbürgerungen“, sagt Annette Kindel, Leiterin des Hamburger Amts für Migration. In der Hansestadt waren im vergangenen Jahr 7.537 Menschen Deutsche geworden. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres gab es in Hamburg 3.128 Einbürgerungen.
Das Bremer Migrationsamt erreicht nach Angaben einer Sprecherin des Innensenators eine Vielzahl von Nachfragen zu den neuen Regelungen, vor allem zur Frage der Mehrstaatigkeit. Deshalb geht man auch dort von einer deutlichen Zunahme der Anträge im zweiten Halbjahr aus.
In Bayern wurden 2023 mehr als 36.000 Menschen eingebürgert, nach rund 28.000 Einbürgerungen im Jahr zuvor. In den ersten vier Monaten dieses Jahres gab es im Freistaat rund 14.500 Einbürgerungen. Eine Ursache für die gestiegene Nachfrage sei insbesondere die hohe Zahl von Flüchtlingen seit 2015, sagt eine Sprecherin des bayerischen Innenministeriums. Da aufgrund der neuen Rechtslage ein weiter Anstieg zu erwarten sei, seien die Mitarbeiter der Einbürgerungsbehörden angehalten, alle Möglichkeiten zur Verfahrensvereinfachung zu nutzen.
„Aufgrund der steigenden Einbürgerungszahlen wurde das Personal in den letzten Jahren erheblich aufgestockt“, berichtet eine Sprecherin der Stadt Magdeburg. Aktuell wird in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts daran gearbeitet, Prozesse zu digitalisieren, um damit das vorhandene Personal zu entlasten.
Einbürgerungsanspruch schon nach fünf oder drei Jahren
Das von der Ampel-Koalition formulierte Gesetz sieht vor, dass ein Anspruch auf Einbürgerung nach fünf statt bisher acht Jahren besteht – vorausgesetzt der Antragsteller erfüllt alle Bedingungen. Bei besonderen Integrationsleistungen sollen Ausländer bereits nach drei Jahren Deutsche werden können. Voraussetzungen für die schnellere Einbürgerung sind etwa gute Leistungen in Schule oder Job, gute Sprachkenntnisse oder ehrenamtliches Engagement. Mehrstaatigkeit wird generell zugelassen.
Das Gesetz sei ein wichtiges Signal an Menschen mit Migrationsgeschichte, „dass wir sie sehen, sie anerkennen und dass wir sie demokratisch teilhaben lassen“, sagt die Bundestagsabgeordnete Filiz Polat von den Grünen.
Die FDP-Innenpolitikerin Ann-Veruschka Jurisch betont, dass mit der Reform zwar Fristen verkürzt, aber nicht die Anforderungen gesenkt würden. Sie sagt: „Es gibt keine Einbürgerung mehr für Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst verdienen“.
Außerdem müsse die Einbürgerungsbehörde künftig auch bei Bagatelldelikten nachfragen, ob es womöglich ein rassistisches beziehungsweise antisemitisches Tatmotiv gab. Da die Hürden für die Einbürgerung schon nach drei Jahren sehr hoch seien, gehe sie davon aus, dass deutlich über 90 Prozent der Menschen erst nach mindestens fünf Jahren eingebürgert werden. Schon vor der Reform hatten Ehegatten von Deutschen nach drei Jahren in Deutschland und zwei Jahren Ehe einen Anspruch auf Einbürgerung.
Union würde Reform rückgängig machen
Die Union hält die Reform insgesamt für falsch und würde das Gesetz im Falle eines Wahlsiegs in der nächsten Legislaturperiode ändern.
„CDU und CSU werden diese misslungene Reform rückgängig machen“, sagt der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU). „Die doppelte Staatsbürgerschaft muss die Ausnahme bleiben und beschränkt auf Staaten, die unsere Werte teilen“, begründet er die Ablehnung seiner Fraktion.
Auch seien die neuen Fristen viel zu kurz. Nach fünf oder gar drei Jahren könne noch nicht sicher festgestellt werden, ob die Integration nachhaltig gelungen sei. Throm sagt: „Die jüngsten Kalifat-Demos und der ausufernde islamistische Extremismus, vielfach auch von Personen mit deutschem Passen, müssen ein Weckruf für uns alle sein.“
Die Union verbreite ein falsches Narrativ mit der Stoßrichtung „Wir verschleudern die deutsche Staatsbürgerschaft“, sagt FDP-Politikerin Jurisch. Damit schürten CDU und CSU Ressentiments gegen Zuwanderer.
Für die Einbürgerung muss der Lebensunterhalt grundsätzlich ohne Sozialleistungen gesichert sein. Bislang konnte von dieser Voraussetzung abgewichen werden, wenn jemand glaubhaft belegen konnte, dass er oder sie die Inanspruchnahme solcher Leistungen nicht selbst zu vertreten hatte. Das wird künftig nur noch in sehr wenigen, klar definierten Fällen möglich sein. Darauf hatte die FDP in ihren Verhandlungen mit SPD und Grünen bestanden.
Das Sprachniveau B1 als Anforderung bleibt unverändert und gilt für alle. Hier gibt es allerdings eine Ausnahme für Menschen, die einst als sogenannte Gastarbeiter in die Bundesrepublik beziehungsweise als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen waren. Bei ihnen und ihren Ehegatten soll es ausreichen, dass sie sich auf Deutsch verständigen können. Damit soll die Lebensleistung dieser Generation, für die es anfangs kaum Integrationsangebote gab, gewürdigt werden. (dpa/red)
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