Neuer Streit in der Ampel: FDP will Rotstift an Bürgergeld legen

Mit einem neuerlichen Anlauf, das Bürgergeld zu senken, sorgt die FDP für Unruhe in der Ampelkoalition. Die SPD winkt jetzt schon ab, auch aus den Reihen der Grünen kommt Ablehnung. BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht will lieber an anderer Stelle sparen.
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Werbung für das Bürgergeld (Archiv)Foto: via dts Nachrichtenagentur
Von 20. August 2024

Etwas mehr als ein Jahr vor dem vorgesehenen Termin der Bundestagswahl muss die Ampelkoalition noch einen Haushalt durch das Parlament bringen. Schon dieser ist mit Herausforderungen verbunden – wie sich etwa an der eingeplanten „globalen Minderausgabe“ von 12 Milliarden Euro zeigt. Die FDP möchte sich an der Suche nach Einsparungspotenzialen beteiligen – und bringt erneut ihre Forderung nach einer generellen Absenkung des Bürgergelds ins Spiel.

FDP: Bürgergeld um 14 bis 20 Euro zu hoch

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat am Samstag, 17. August, in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) seine Auffassung wiederholt, dass es keine verfassungsrechtlichen Hürden für eine generelle Absenkung beim Bürgergeld gebe. Dieses würde sich, so heißt es aus der FDP, zu einem „bedingungslosen Grundeinkommen“ entwickeln.

Derzeit sei der geltende Satz zudem, so Buschmann, „zwischen 14 und 20 Euro zu hoch“. Dies gehe aus einer Berechnung von Experten hervor, die den Betrag in Relation zur Inflationsentwicklung setzten. Die FDP akzeptiere das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Regelsatz hoch genug sein müsse, um ein menschenwürdiges Existenzminimum zu garantieren. Dabei gebe es unterschiedliche Methoden, dieses zu ermitteln.

Man stehe auch zum Vorgehen, in Zeiten stark ansteigender Inflation das Bürgergeld zügiger anzupassen. Allerdings sei man bei deren Bekämpfung „zum Glück erfolgreicher“ gewesen, „als die Experten erwartet haben“. Entsprechend sei es ein Akt der Solidarität gegenüber den Erwerbstätigen.

SPD: Absenkung der Regelleistungen möglich – „aber nicht mit unseren Stimmen“

Buschmann räumte ein, dass – wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in der Vorwoche erneut betont hatte – eine Absenkung des Regelsatzes beim Bürgergeld nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich sei. Allerdings wäre es „verfassungsrechtlich zulässig, das entsprechende Gesetz zu ändern“.

SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt bestätigte, dass Buschmanns Aussage über die technische Möglichkeit einer Gesetzesänderung formal korrekt sei. Allerdings „benötigt man hierfür eine Mehrheit im Deutschen Bundestag, und wir stehen dafür nicht zur Verfügung“, fügt die Politikerin gegenüber der „Welt“ hinzu.

Es gebe einen „breiten Konsens“, wonach der Regelsatz „kein politischer Spielball“ sei. Wer in diesem Bereich „andauernd Senkungen fordert, sollte auch endlich klar benennen, was er den Menschen im Bürgergeld streichen möchte“. Die von den Sozialdemokraten angestoßene Reform solle helfen, Menschen „wieder nachhaltig in Arbeit zu bringen und Drehtüreffekte zu beenden“.

Ähnlich sieht es auch Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch. Er verweist auf Aufstockerfamilien, die schon Probleme hätten, für ihre Kinder Schulsachen zu kaufen. Diese planten mit dem Geld – und deshalb werde man sie „nicht der Willkür politischer Debatten der FDP aussetzen“.

Union: „Sanktionen verschärfen“ – AfD: „Aktivierende Grundsicherung nur für Deutsche“

Aus der Union kommt Verständnis für den Vorstoß der Liberalen. Sozialsprecher Stephan Stracke kritisierte „unverhältnismäßige Anpassungen“ beim Bürgergeld durch die Ampel, was dessen Akzeptanz schade. Auch er sieht „zu viel bedingungsloses Grundeinkommen“ in der Sozialleistung. Die Ampel müsse „Arbeitsanreize erhöhen, Sanktionen dort schneller und einfacher ermöglichen, wo sich Menschen einer beruflichen Perspektive verweigern“.

Die AfD-Fraktion im Bundestag fordert sogar die Abschaffung des Bürgergeldes. Stattdessen solle es eine „aktivierende Grundsicherung“ geben, die „grundsätzlich nur noch Deutschen zusteht“, so Sozialsprecher René Springer. Langzeitarbeitslose erwerbsfähige Leistungsbezieher sollten einer gemeinnützigen Arbeitspflicht unterliegen. Verweigerung solle erst zum ausschließlichen Bezug von Sachleistungen, später bis zum vollständigen Leistungsentzug führen.

Wagenknecht: Lieber an „unsinnigen Ausgaben“ als an der Grundsicherung sparen

Gegen Einschränkungen beim Bürgergeld hat sich unterdessen BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht ausgesprochen. Ihre Partei hat stattdessen einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, der vernünftige Sparmaßnahmen im Haushalt beinhalte. Die Bundesregierung, so Wagenknecht, „verschleudert Milliarden für Unsinniges und spart an der falschen Stelle“.

Statt an Bürgergeld und Rente Hand anzulegen, wie es der FDP vorschwebe, könnten durch sinnvollere Maßnahmen rund 50 Milliarden Euro eingespart werden. Wagenknecht nannte in diesem Zusammenhang Militärhilfen an die Ukraine – die 2025 mit mindestens vier Milliarden Euro veranschlagt sind. Ein Waffenstillstand würde darüber hinaus auch eine Rückkehr von Geflüchteten erleichtern.

Außerdem würde eine restriktive Asylpolitik nach dänischem Vorbild erlauben, mindestens die Hälfte der derzeitigen Kosten für Flüchtlingspolitik in Höhe von 29,8 Milliarden Euro einzusparen. Wagenknecht sieht auch in der Abschaffung des Heizungsgesetzes ein Einsparungspotenzial, zumal es dann nicht wie derzeit erforderlich wäre, 16,7 Milliarden Euro für flankierende Maßnahmen auszugeben.

Zudem ließen sich durch ein Ende von Missmanagement bei der Aufrüstung der Bundeswehr 14 Milliarden Euro einsparen – was ein aktueller Bericht über das zentrale Beschaffungswesen nahelege. Zudem plädiert Wagenknecht dafür, die Ökostromförderung zurückzufahren. So solle es insbesondere ein Ende der Entschädigung von Ökostromanbietern für negative Strompreise geben.

Daten und Fakten zum Bürgergeld

Anfang 2024 war das Bürgergeld um insgesamt zwölf Prozent erhöht worden. Alleinstehende bekommen seither 563 Euro im Monat, 61 Euro mehr als im Vorjahr. Im Vorjahr betrug die Gesamtsumme der Haushaltsmittel für die Grundsicherung bei Arbeitssuchenden 40,59 Milliarden Euro. Von diesen entfielen 21,33 Milliarden Euro auf Bürgergeld.

Die Zahl der zuletzt erfolgten Leistungskürzungen wegen Nichtannahme von Arbeit oder Nichtinanspruchnahme von Weiterbildungsoptionen lag im März 2024 bundesweit lediglich bei rund 1.700 Fällen. Im Vorjahr waren etwa 14.000 Menschen davon betroffen.



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