Neue Straßennamen im Afrikanischen Viertel von Berlin-Mitte

Nach jahrelangem Streit lässt erneut ein Berliner Bezirk Namen deutscher Kolonialisten von Straßenschildern entfernen. Im Afrikanischen Viertel gibt es nun eine Cornelius-Fredericks-Straße, den Manga-Bell-Platz sowie die Anna-Mungunda- und Maji-Maji-Allee.
Titelbild
Ein Foto zeigt ein überklebtes Straßenschild „Lüderitzstraße“ neben einem Schild der Kameruner Straße im Berliner Bezirk Mitte.Foto: John MacDougall/AFP über Getty Images
Von 9. Dezember 2022

Im Afrikanischen Viertel in Berlin wurden am Freitag, 2. Dezember, zwei Straßen und ein Platz nach afrikanischen Widerstandskämpfern umbenannt. Sie kämpften gegen deutsche Kolonialkräfte in Afrika. Vorher trugen die Straßen Namen von Vertretern des deutschen Kolonialismus.

Dem ging eine jahrelange Auseinandersetzung von Befürwortern und Gegnern voraus. Auch gab es bei der Auswahl der neuen Namen kontroverse Diskussionen.

Bereits im Frühjahr 2016 hatte die zuständige Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte die Umbenennung der Lüderitzstraße, der Petersallee und des Nachtigalplatz in Berlin-Wedding beschlossen. Zwei Jahre dauerte es dann, bis die neuen Namen feststanden.

Cornelius-Fredericks-Straße, Manga-Bell-Platz, Anna- Mungunda- und Maji-Maji-Allee

Seit Freitag heißt die Lüderitzstraße nun Cornelius-Fredericks-Straße. Fredericks gilt als einer der Anführer des Aufstandes der Nama gegen die deutsche Kolonialbesatzung.

Der Nachtigalplatz heißt ab sofort Manga-Bell-Platz. Benannt nach Emily und Rudolf Duala Manga Bell, die eine zentrale Rolle im Widerstand der Duala gegen die deutsche Kolonialherrschaft spielten.

Die Petersallee wurde am ehemaligen Nachtigalplatz geteilt und trägt jetzt zwei unterschiedliche Namen. Der nordöstliche Abschnitt wurde nach Anna Mungunda (1932-1959) benannt.

Sie war eine namibische Anti-Apartheid-Aktivistin, die bei einer Demonstration gegen die Zwangsumsiedlung der Schwarzen Bevölkerung von Windhoek starb. Sie goss damals Benzin über das Auto eines hochrangigen Beamten, um es anzuzünden. Polizeikräfte erschossen sie dabei. Sie gilt in Namibia als Nationalheldin.

Der südwestliche Abschnitt heißt jetzt Maji-Maji-Allee und soll damit an den Maji-Maji-Aufstand erinnern. Bei dieser Art Befreiungskrieg gegen die deutschen Kolonialbesatzer schlossen sich 20 südtansanischen Gemeinschaften zusammen. Das deutsche Kolonialregime schlug den Aufstand blutig nieder.

Zu den Straßennamen vorher: Franz Adolf Lüderitz (1834–1886) hatte 1883 die Lüderitzbucht erworben. Sie war Ausgangspunkt für die spätere Kolonie Deutsch-Südwestafrika (1884-1915). Sie lag größtenteils im heutigen Namibia. Hier töteten die deutschen Kolonialkräfte von 1904 bis 1908 zwischen 50.000 und 70.000 Menschen der Herero und Nama, nachdem Krieger der beiden verdrängten Volksstämme immer wieder deutsche Siedlungen angriffen und Siedler töteten. Die Bundesregierung erkannte 2021 die Ermordung von Angehörigen beider Volksstämme durch deutsche Kolonialkräfte als Völkermord an.

Gustav Hermann Nachtigal (1834 – 1885) war Arzt und Afrikaforscher. Er überführte als Reichskommissar für Deutsch-Westafrika ab 1884 die durch hanseatische Kaufleute erworbenen Territorien und Handelsstützpunkte von Togoland, Kamerun und Namibia in Deutsche Kolonien.

Carl Peters (1856–1918) war Gründer der „Gesellschaft für Deutsche Kolonisation“ (GfdK) und ab 1891 Reichskommissar für das Kilimandscharo-Gebiet in Ostafrika. Er wurde 1896 wegen mehrerer gewalttätigen Vorfälle gegen die einheimische Bevölkerung aus dem kaiserlichen Staatsdienst entlassen.

König Eboumbou in Berlin: „Diese Symbolik ist wie ein Schlüssel“

Neben Nachfahren der namensgebenden Afrikaner nahm auch König Eboumbou vom Volksstamm der Douala an der Umbenennungsveranstaltung am Freitag teil. Zusammen mit Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grünen), die erst seit Ende Oktober im Amt ist, enthüllte er die neuen Straßenschilder.

Dabei erklärte Eboumbou, dass man hier einen großen feierlichen Moment erlebe. Man gedenke jetzt schon seit 108 Jahren des ungerechten Todes des afrikanischen Großvaters durch deutsche Kolonialisten. „Diese Symbolik hier ist wie ein Schlüssel, der ein Schloss öffnet.“

Jean-Pierre Felix-Eyoum, Großneffe von Rudolf Duala Manga Bell, einem der neuen Namensgeber, ist die Freude über die Umbenennung deutlich anzumerken. Gegenüber rbb äußert der Kameruner, der seit den 80ern in Deutschland lebt: „Dass es endlich so weit ist, dass Straßen in Deutschland umbenannt werden, ist mir eine enorme, eine sehr große Freude.“ Seit 1996 setzt sich der Sonderschullehrer für die Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit ein.

Mittlerweile lebt im Afrikanischen Viertel auch eine afrikanische Gemeinschaft. In den späten 1990er-Jahren zogen laut „Tagesspiegel“ die ersten rund 1.000 afrikanischen Staatsbürger in das Viertel. Sie kamen überwiegend aus Ghana, Kamerun und Nigeria. 2009 sollen es dann insgesamt rund 2.500 Afrikaner gewesen sein, die offiziell in dem Quartier gemeldet waren.

Unmutsbekundungen und Zwischenrufe bei Veranstaltung

Für Bezirksbürgermeisterin Remlinger sind Straßennamen „Ehrungen und Teil der Erinnerungskultur“. Daher sei es eine wichtige Aufgabe, Namen aus dem Berliner Straßenbild zu „tilgen“, die mit Verbrechen des deutschen Kolonialismus im Zusammenhang stehen.

Neben vielen Medienvertretern nahmen nur wenige Menschen an der Einweihungsveranstaltung der neuen Straßenschilder teil. Unter ihnen waren auch Anwohner und Gewerbetreibende, die die vom Bezirksamt vorangetriebene Umbenennung ablehnen. Daher gab es nach Polizeiangaben bei der Umbenennungsveranstaltung „vereinzelte Unmutsbekundungen und Zwischenrufe“, berichtet rbb.

Damals, nachdem die Umbenennung mit den Stimmen der Grünen, SPD und Linken beschlossenen wurde, schlossen sie sich als Gewerbetreibende und Privatpersonen für einen Sammelwiderspruch gegen den Bezirk und die neuen Straßennamen zusammen. Darunter waren Friseure, Cafés, Gaststätten, ein Kleingartenverein, Kitas, Arztpraxen und andere.

„Geschichte macht man nicht dadurch besser, indem man Straßennamen ändert“, hieß es laut „Tagesspiegel“ unter anderem in dem damaligen Einspruchsschreiben.

Aktuell ist gegen die Umbenennung der Petersallee noch eine Klage beim Verwaltungsgericht Berlin anhängig. Die 1939 nach dem Kolonialisten Carl Peters benannte Straße wurde bereits 1986 umgewidmet. Seitdem ehrt sie den NS-Widerstandskämpfer, CDU-Politiker und Mitautor der Berliner Verfassung Hans Peters. Daher stößt die Umbenennung bei Anwohnern auf Unverständnis. Nach Ansicht des Berliner Senats ist die Umwidmung jedoch nie rechtskräftig geworden.

Kritische Stimmen aus Opposition

Doch nicht nur aus der Anwohnerschaft gibt es kritische Stimmen zur Umbenennung. Auch aus der Opposition gibt es Unmut. „Über 100 Jahre nach der Abwicklung des deutschen Kolonialreiches wird dieser Teil der deutschen Geschichte vom herrschenden Wokeismus einem weiteren Selbsthass überantwortet“, erklärt Antonin Brousek, stellvertretender AfD-Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus.

Egal, wie man zu Nachtigal, Peters oder Lüderitz stehe, solange es in Namibia noch die große Hafenstadt Lüderitz gebe, müsse man in Deutschland seinen Namen auch nicht von Straßenschildern tilgen, so Brousek gegenüber Epoch Times.

Geht es nach ihm, sollte Cornelius Fredericks [ein afrikanischer Anfüher im Kampf gegen deutsche Kolonialisten] „eher in Namibia eine eigene Straße bekommen“. „Warum bei uns? Warum gerade jetzt? Warum überhaupt?“, fragt sich der kulturpolitische Sprecher seiner Fraktion. „Abgesehen von Förderern der Afrodiaspora, die dieses Thema wichtig finden, haben die meisten Menschen in Deutschland ohnehin ernsthaftere Probleme!“

Für Dr. Robbin Juhnke, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus, bleibt bei dem in seinen Augen „Umbenennungsfuror“ fraglich, ob die Aktivisten, die hinter der Aktion stehen, tatsächlich die Interessen- und Problemlage von Menschen mit afrikanischen Wurzeln in Deutschland repräsentativ verkörpern. „Auch hier wird schnell und gerne von einer ‚Zivilgesellschaft‘ gesprochen, die in Wahrheit hauptsächlich staatlich alimentiert ist“, so der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion.

„Ein Land ohne Geschichte und Identität“

Für den kulturpolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Marc Jongen, sind Straßenumbenennungen ein Mittel der „Cancel Culture“, die auf die „Ausradierung der eigenen Geschichte und Kultur“ hinausläuft. Es ginge um die „damnatio memoriae“ [Tilgung des Andenkens an eine Person durch die Nachwelt] von Protagonisten der deutschen Kolonialgeschichte wie Gustav Nachtigal.

Die anhaltenden Klagen der Anwohner gegen diese totalitäre Praxis zeige für Jongen jedoch, dass sich viele bewusst sind, wohin das führe. „Die Namen vieler historischer, für deutsche Geschichte bedeutsamer Personen müssten dann von den Straßenschildern verschwinden.“ Mit der Folge, dass man zunehmend zu einem Land ohne Geschichte und Identität werde, so das Mitglied im Kuratorium der Desiderius-Erasmus-Stiftung.

Wer das nicht will, ist in den Augen von Jongen aufgerufen, „Widerstand gegen die fortlaufenden Versuche des linken Zeitgeistes zu leisten, unsere kulturelle und historische Identität Stück für Stück abzuräumen“, erklärt der Bundespolitiker gegenüber Epoch Times.

Weitere Informations- und Gedenktafeln im Bezirk Mitte

Neben Erläuterungsschildern an den neu installierten Straßenschildern sollen 2023 noch weitere Informations- und Gedenktafeln im Bezirk Mitte errichtet werden. Sie sollen über die neuen und alten Namensgeber informieren.

Zu den Initiativen, die hinter der Umbenennung sowie der Aufstellung weiterer Informationstafeln stehen, gehören die „Initiative schwarze Menschen in Deutschland“ (ISD), „Each One Teach One“ (EOTO), „Berlin Postkolonial“ sowie Träger des Projekts „Dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt“ und „Decolonize Berlin e.V.“. Auch der Genozid-Verband der Herero (OGF) ist mit dabei.

Zuvor wurde im Februar in Berlin-Grunewald die Wissmannstraße, benannt nach einem Befehlshaber der deutschen Kolonialtruppen in Ostafrika, umbenannt. Die Straße trägt jetzt den Nachnamen der jüdischen Eheleute Irene und Arthur Barasch. Der Berliner Kaufmann Barasch wurde 1942 in Auschwitz ermordet, seine Frau floh ins Ausland.

Im April 2021 war bereits die Wissmannstraße in Berlin-Neukölln umbenannt worden. Sie wurde nach der tansanischen Politikerin Lucy Lameck benannt.



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