Neue Netzentgelte: Wo Strom bald günstiger wird – und wo teurer
Wegen einer neuen Kostenverteilung des Stromnetz-Ausbaus können nächstes Jahr schätzungsweise zehn Millionen Haushalte in vielen ländlichen Regionen Deutschlands mit niedrigeren Energiepreisen rechnen, während es anderswo etwas teurer wird. Bei der Reduzierung der Netzentgelte, die circa ein Viertel des Strompreises ausmachen, geht es um den Norden und Osten Deutschlands sowie um Bayern, und zwar um das Land und eher nicht um die dortigen Großstädte.
Der Energiekonzern Eon teilte auf Anfrage mit, dass seine Verteilnetz-Töchter die Netzentgelte teilweise deutlich absenken. Diese Firmen decken etwa 700.000 Kilometer Stromleitungen ab und damit circa ein Drittel des gesamten deutschen Verteilnetzes. Netzentgelte werden von Gas- und Stromlieferanten als eine Art Gebühr an die Netzbetreiber gezahlt und an die Verbraucher weitergeleitet. Auch die Kosten für den Stromnetz-Ausbau werden auf die Netzentgelte umgelegt.
Bei Schleswig-Holstein Netz sinken die Netzentgelte im kommenden Jahr um 27 Prozent – sie ist für große Teile des nördlichsten deutschen Bundeslandes zuständig, allerdings nicht für die Großstädte Kiel und Lübeck. Die in Brandenburg tätige E.DIS Netz GmbH reduziert die Entgelte um 20 Prozent. Bei der ebenfalls in Ostdeutschland aktiven Mitnetz mbH aus Cottbus wird es 10 Prozent günstiger. In Bayern geht es beim Bayernwerk Netz GmbH um 11 Prozent runter und bei den Lechwerken um 27 Prozent. Bei anderen Firmen sinken die Entgelte ebenfalls zweistellig, etwa beim kommunale Netzbetreiber Wemag aus Mecklenburg-Vorpommern. Es gibt rund 800 Stromnetzbetreiber in Deutschland.
Das hessische Unternehmen Syna hebt die Entgelte hingegen um fünf Prozent an und Westnetz aus NRW um ein Prozent, beide Firmen gehören zu Eon: Energiekunden, die in deren Netzgebieten wohnen, müssen sich also auf eine leichte Preiserhöhung einstellen.
Fairere Kostenverteilung durch neues System
Hintergrund der geänderten Entgelte ist eine Vorschrift der Bundesnetzagentur, die die finanziellen Lasten des milliardenschweren Umbaus der Energienetze auf andere Art verteilt als zuvor: Die Netze müssen vor allem dort stark ausgebaut werden, wo viel Ökostrom-Erzeugung entsteht – etwa Windräder im Norden. Allerdings wird nur ein Teil des Stroms vor Ort gebraucht, der andere Teil fließt gen Süden, um Großstädte oder Industriezentren zu versorgen. Dass der ländliche Teil von Bayern entlastet wird, liegt daran, dass dort viele Photovoltaik-Anlagen neu installiert wurden und die Netze deswegen aufwendig ausgebaut werden mussten.
Für den Ausbau der Netze müssen dünn besiedelte Regionen mit viel Windrädern und Photovoltaik-Anlagen bislang mehr zahlen als Regionen mit relativ wenigen Windrädern und wenig Solaranlagen – obwohl diese Regionen von dem Stromzufluss profitierten.
Entlastungsvolumen von zwei Milliarden Euro
Der Energieanbieter Wemag, der sowohl als Netzbetreiber als auch als Lieferant tätig ist, hat bereits angekündigt, die Entgeltsenkung seiner Netzbetreiber-Sparte in Mecklenburg-Vorpommern an die Kunden weiterzureichen. Die Firma veröffentlicht eine Beispielrechnung: Ein durchschnittlicher Haushalt zahle bei einem Verbrauch von 3.500 Kilowattstunden im kommenden Jahr 9,47 Cent pro Kilowattstunde statt zuvor 15,5 Cent – das wäre eine jährliche Reduzierung um rund 40 Prozent oder 211 Euro.
Andere Energiefirmen wollen ihre Kunden ebenfalls entlasten. Sie müssen die Netzentgelt-Senkung zwar nicht unbedingt als niedrigeren Preis an den Endkunden weiterreichen, aufgrund des Wettbewerbs am Markt wird die Entlastung aber über kurz oder lang beim Stromkunden ankommen. Würden die Energiefirmen den Preis nicht entsprechend senken, würden sie wohl Kunden verlieren.
Nach den ersten Meldungen von Netzbetreibern geht die Behörde davon aus, dass das Entlastungsvolumen bei mehr als zwei Milliarden Euro liegen wird. „Die Entlastung führt auf der anderen Seite zu überschaubaren zusätzlichen Kosten für alle Stromverbraucher in Deutschland“, sagt Netzagentur-Chef Klaus Müller und fordert die Stromlieferanten auf, diese Vorteile zügig an den Endkunden weiterzugeben. „Kundinnen und Kunden sollten darauf achten, dass die Vergünstigungen bei ihnen ankommen oder ihren Lieferanten wechseln.“ (dpa/red)
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