Neue Enthüllungen: Nord-Stream-Anschlag schon vor über zehn Jahren geplant

Die Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee wirft nach zwei Jahren immer noch Fragen auf. Täter und Motiv sind nach wie vor unklar. Jetzt tauchen neue Anhaltspunkte auf: So könnten ukrainische Gruppierungen bereits 2014 vor der Krimkrise den Anschlag geplant haben.
Titelbild
Eine Gasanlage der Nord-Stream-1-Pipeline bei Lubmin, nahe Greifswald. Foto: Lubmin.Foto: John Macdougall/AFP/Getty Images
Von 7. Juli 2024

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Vor zwei Jahren wurden die Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 durch heftige Explosionen zerstört. Bei der Suche nach dem Motiv und den Tätern tappen die Behörden bis heute im Dunklen. Umso spektakulärer ist das, was die „Welt am Sonntag“ in ihrer jüngsten Ausgabe berichtet: Der Anschlag soll 2014 schon vor der Besetzung der Krim durch Russland von einer ukrainischen Gruppierung geplant worden sein.

Die „Welt am Sonntag“ beruft sich hier auf entsprechende Informationen aus Ermittlerkreisen, die nicht näher benannt werden. Auf die These, dass Überlegungen, die Pipelines zu sprengen, nicht erst mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine entstanden sind, deuten demnach Ermittlungsergebnisse deutscher und ausländischer Behörden hin, in die laut „Welt“ auch geheimdienstliche Informationen eingeflossen sein sollen. 

Am 26. September 2022 wurden die Gasleitungen nahe der dänischen Insel Bornholm durch Explosionen weitgehend zerstört. Nach wie vor sind die Verantwortlichen noch nicht ermittelt. Dänemark und Schweden haben gerade erst die Ermittlungen eingestellt. In Deutschland ermitteln im Moment noch die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt im Auftrag der Generalbundesanwaltschaft, um die Hintergründe des Sabotageaktes aufzuklären. Auf Anfrage der „Welt“ teilte die Bundesanwaltschaft mit, dass die Ermittlungen noch laufen. 

Solidarität mit der Ukraine könnte belastet werden

Sollten die Informationen der „Welt am Sonntag“ zutreffen, wäre das mit Sicherheit eine Belastung der deutsch-ukrainischen Beziehungen. Im Rahmen einer Umfrage des „ZDF-Politbarometers“ gaben gerade erst im Juni 2024 rund 27 Prozent der Befragten an, dass der Westen wie bisher die Ukraine militärisch unterstützen sollte. Rund 41 Prozent der Befragten plädierten hingegen für eine Steigerung der militärischen Unterstützung durch den Westen. Diese Unterstützung in der Bevölkerung könnte dann bröckeln. 2014 war Nord Stream 1 schon mehr als zwei Jahre im Betrieb, für Nord Stream 2 liefen damals bereits entsprechende Planungen. 

Immer wieder hatte die Ukraine gegen das Pipeline-Projekt Nord Stream in der Vergangenheit Stimmung gemacht. „Dieses Projekt wird unser Land 2 Milliarden Dollar jährlich an entgangenen Transiteinnahmen kosten“, zitierte 2015 die taz den damaligen ukrainischen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk. Und der Ministerpräsident damals weiter: „Der EU wird es einen Großteil ihrer Energieunabhängigkeit kosten.“ Jazenjuk sah damals keine wirtschaftlichen, sondern allein politische Gründe hinter dem Pipelinebau: „Anti-ukrainisch und anti-europäisch“ sei das Projekt. 

Im Zentrum der deutschen Ermittlungen steht die während des fraglichen Zeitraums in Mecklenburg-Vorpommern gecharterte Segeljacht „Andromeda“. Es wird vermutet, dass die sechsköpfige Besatzung sich vor und nach dem Vorfall in der Ukraine aufhielt. Ein Ermittlungsbeamter berichtete der „Welt am Sonntag“ nun von neuen Beweisen, die die Annahme stärken, die Crew könnte für den Anschlag auf die Pipelines verantwortlich sein.

Anzeichen für russische False-Flag-Operation

Seitens der deutschen Geheimdienste gibt es aber Vorbehalte zur These, dass eine ukrainische Gruppe für den Anschlag verantwortlich sei. Gerhard Schindler, ehemaliger Präsident des Bundesnachrichtendienstes von 2011 bis 2016, äußerte gegenüber der „Welt am Sonntag“ Zweifel an der direkten Beteiligung der Ukraine.

„Obwohl die Ermittlungen auf eine ukrainische Gruppe hindeuten, muss dies nicht bedeuten, dass die Ukraine als Auftraggeber fungierte. Aus geheimdienstlicher Perspektive gibt es viele Anzeichen für eine russische False-Flag-Operation. Die Russen sind durchaus fähig dazu.“ Zudem könnten die von der Schiffscrew hinterlassenen Spuren bewusst irreführend sein, so Schindler. 

Polnische Politiker und Sicherheitsexperten hatten sich in der Vergangenheit immer wieder ähnlich geäußert. Die „Welt am Sonntag“ hatte schon im Oktober des letzten Jahres darüber berichtet, dass der polnische Geheimdienst im Sommer 2023 dem BND eine Liste überreicht hatte, die Personen enthält, die mutmaßlich mit einem Terroranschlag auf die Pipelines in Verbindung stehen und Verbindungen nach Moskau haben sollen.

Laut der Liste sollen Crewmitglieder, die ein Boot mit gefälschten Pässen gemietet hatten, russische Staatsbürger sein. In Kreisen des polnischen Geheimdienstes wird Russland verdächtigt, den Anschlag in Auftrag gegeben zu haben. Es wird angenommen, dass Moskau anschließend versucht hat, eine falsche Spur zu legen, um die Ukraine zu diskreditieren.

Eine Woche vor den Explosionen wurde das Schiff „Andromeda“ im polnischen Kolberg von Grenzschützern kontrolliert, wie die „Welt“ weiter berichtet. Laut Informationen aus Sicherheitskreisen in Warschau handelte es sich dabei nicht um eine Routinekontrolle; vielmehr hatte man kurz zuvor einen Hinweis aus nicht näher genannten Geheimdienstkreisen erhalten. Weiter wurde damals berichtet, dass auch Agenten aus den USA vor Ort gewesen sein sollen.

Versanden Ermittlungen?

Weiter sollen Videoaufnahmen existieren, die das Schiff und seine Besatzung zeigen. In Warschau überlegte man anfangs, diese Aufnahmen den deutschen Behörden zur Verfügung zu stellen. Zu einer Übergabe kam es jedoch nicht. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass die Aufnahmen nicht nur die Besatzung der „Andromeda“, sondern auch polnische und US-amerikanische Agenten zeigen könnten.

Angesichts der recht verwirrenden Informationslage befürchtet der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter gegenüber der „Welt am Sonntag“, dass die Ermittlungen im Sande verlaufen könnten und es am Ende keine Ergebnisse gibt oder diese aus Gründen des Staatsschutzes nicht veröffentlicht werden. „Ein tatsächliches Aufklärungsinteresse sehe ich im Kanzleramt, das die Ermittlungsergebnisse der Dienste und des Generalbundesanwalts als einziges vollständig überblickt, nicht“, so Kiesewetter. Er vermutet Russland als Drahtzieher des Anschlags.



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