Neue Corona-Regeln treten in Kraft
Angesichts weiter hoher Zahlen der positiven Corona-Tests gelten ab heute (11. Januar) in allen Bundesländern schärfere Regelungen.
Als letzte Bundesländer setzen Bayern, Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein die am vergangenen Dienstag in einer Bund-Länder-Schalte beschlossenen Regeln um. So gelten etwa strengere Kontaktbeschränkungen: Der eigene Haushalt darf sich nur noch mit einer weiteren Person treffen.
Neu ist auch die Regel für extreme Corona-Hotspots, wonach sich Menschen in Landkreisen mit einer Inzidenz von mehr als 200 positiven Tests auf 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen ohne triftigen Grund nicht mehr als 15 Kilometer vom Wohnort entfernen dürfen. Dabei gehen die Länder unterschiedliche Wege und überlassen das teils den Kommunen oder empfehlen die Maßnahme nur. Baden-Württemberg etwa plant derzeit keine entsprechende Regel.
Abriegelung
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sprach sich mit drastischen Worten gegen Forderungen nach Lockerungen in der Corona-Pandemie aus. „Wir müssen einfach der Tatsache ins Auge sehen, dass das Virus jetzt erst anfängt, richtig Fahrt aufzunehmen“, sagte der Linke-Politiker am Sonntagabend im ZDF-„heute journal“. „Ich merke, dass bei mir in Thüringen gerade die Hütte brennt. Heute ist für mich ein schlimmer Tag. Denn heute haben wir in ganz Thüringen die 300er-Inzidenz überschritten, und alle Landkreise und kreisfreien Städte sind über die 200 gegangen. Es ist kein Platz mehr für Lockerungen und die Debatte von der Lockerung zur Lockerung.“
Der SPD-Politiker Karl Lauterbach hält eine Verschärfung des Lockdowns für möglich. Notfalls müsse das Wirtschaftsleben drastisch heruntergefahren werden. „Wir haben uns bei dem, was wir gemacht haben, sehr stark auf das Private und die Schulen konzentriert. Wenn das nicht reicht, dann müssen wir tatsächlich auch an die Betriebe herangehen“, sagte er dem „Tagesspiegel“. „Das wird schlicht nicht anders gehen.“
Der CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz sprach sich dagegen für ein schnelles Ende des Lockdowns vor allem für kleine und mittlere Unternehmen aus. „Für viele kleine Firmen ist der Punkt jetzt schon erreicht, wo es nicht weitergeht. Mir machen vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen Sorgen. Die müssen möglichst schnell raus aus dem Lockdown, möglichst schnell zurück zu normalem Wirtschaften mit Hygienekonzept“, sagte er der „Bild“-Zeitung (Montag). Für viele Menschen sei die Isolation im Lockdown nur schwer zu verkraften.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte den Partnerzeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft: „Wenn man zu früh lockert, läuft man Gefahr, dass es danach wieder steil nach oben geht. Wir brauchen Geduld und Umsicht.“ Seine Hoffnung sei, dass sich die Lage durch den Lockdown und die fortschreitenden Impfungen entspanne. „Aber wenn sich das in Großbritannien entdeckte, mutierte Virus noch weiter ausbreitet, werden die Zeiten noch ernster.“
Über die weiterhin lückenhaften Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) sagte FDP-Generalsekretär Volker Wissing am Sonntagabend bei „Bild Live“: „Ich finde es schwierig, wenn man einerseits sagt, wir haben keine Datengrundlage um Öffnungen zu diskutieren, aber Verschärfungen gehen immer.“
Mutationen
Viele Politiker sorgen sich wegen eben solcher Virusmutationen. FDP-Chef Christian Lindner kritisierte, dass es zu wenig Laboruntersuchungen auf neue Coronavirus-Varianten gebe. „Die geringe Datenbasis zur Verbreitung von Corona-Mutationen in Deutschland ist eine große Gefahr“, sagte er dem „Tagesspiegel“.
Die Bundesregierung habe die systematische Sequenzierung von Corona-Testproben, also die Untersuchung auf Mutationen, zu lange schleifen lassen. „Eine umfassende Sequenzierung muss schnell Teil der Anti-Corona-Strategie werden.“ Die zuerst in Großbritannien nachgewiesene B.1.1.7-Mutation ist möglicherweise deutlich ansteckender als bisherige Varianten. Sie ist mittlerweile auch in einigen Bundesländern in Deutschland nachgewiesen.
Schulen
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey hat die Bundesländer dazu aufgerufen, sich in der Corona-Pandemie auf möglichst einheitliche Regeln für Schulen und Kitas zu verständigen. „Eltern wünschen sich bei allen Maßnahmen, die wir jetzt treffen, ein möglichst bundesweit einheitliches und verlässliches Vorgehen“, sagte die SPD-Politikerin der „Rheinischen Post“. „Auch ich halte das für sinnvoll und setze mich für einen gemeinsamen Rahmen ein, wie es in den Ländern nach den harten Einschränkungen perspektivisch weitergehen kann.“
Der Deutsche Kinderschutzbund übte unterdessen scharfe Kritik an den Maßnahmen der Länder in Sachen Schulen. „Es ist mir ein Rätsel, warum die Länder den Sommer nicht genutzt haben, klare und verbindliche Regelungen für Präsenzbetrieb, Wechselunterricht und Fernunterricht zu entwickeln und die Schulen entsprechend auszustatten“, sagte Präsident Heinz Hilgers der „Rheinischen Post“. „Das ist ein Versagen, das die Akzeptanz in die notwendigen Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung zu mindern droht.“
Impfung
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht Impfen der einzige Weg aus der Corona-Pandemie ist. „Es gibt den Impfstoff als den Ausweg aus der Krise. Und ansonsten gibt es keine Möglichkeit sicherzustellen, dass wir das Infektionsgeschehen in den Griff bekommen. Was wir jetzt machen können, ist dafür zu sorgen, dass sich das Virus nicht zu schnell verbreitet“, sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“.
Bewegungsradius
Den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz, in Hotspots den Bewegungsradius der Bürger auf einen Umkreis von 15 Kilometer zu beschränken, hält FDP-Generalsekretär Volker Wissing für inakzeptabel: „Die 15-Kilometer-Regelung ist eine Zumutung“, sagte er am Sonntagabend bei „Bild Live“. „Das mag für Menschen in Berlin und Großstädten kein Problem sein, auf dem Land greift das massiv in die Freiheitsrechte ein.“ (dpa/sza)
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