Neubewertung der Kernenergie
Es ist Zeit für eine Neubewertung der Atomenergie“, sagte Gerd Rosenkranz, Leiter für Politik und Presse von der Deutschen Umwelthilfe am 27. Mai in Hamburg bei einer Pressekonferenz im RAS-Hotel – in unmittelbarer Nähe zum Congress Centrum Hamburg (CCH), wo am gleichen Tag die dreitägige Jahrestagung Kerntechnik 2008 begann. Auch von dort drang die Forderung nach einer Neubewertung der Kernenergie nach draußen. Sie meinen damit jedoch Grundverschiedenes.
Drei bis fünf Kraftwerke produzieren nur für den Stromexport
Die Meinung der Umweltorganisationen ist, dass die Atomenergie keine Zukunftstechnologie sein kann. Atomenergie helfe nicht beim Klimaschutz und könne aufgrund ihrer enormen Risiken keinen Beitrag für eine ökologische und zukunftsweisende Energiepolitik liefern. Während im CCH über 1.000 Atomwissenschaftler sich über Themen wie die kerntechnischen Entwicklungen in Asien und die Errichtung des Endlagers Konrad austauschen, protestieren vor dem Gebäude die Umweltschützer und spannen ihre Transparente auf:
„Abschalten statt Atome spalten!“
Der Präsident des Deutschen Atomforums, Walter Hohlefelder, sagte, dass es angesichts der gewachsenen Herausforderungen im Bereich der Energiepolitik keine Alternative zur Neubewertung der Kernenergie gibt als Laufzeitverlängerung der bestehenden Kernkraftwerke. Dies sei auch notwendig, um eine drohende Stromlücke abzuwenden.
Laut Hanna Poddig (Robin Wood, Fachgruppe Energie) wird es jedoch keine Stromlücken geben. Auch das Umweltbundesamt hat im April deutlich aufgezeigt, dass Versorgungslücken durch den Atomausstieg nicht zu erwarten sind. Allein in den vergangenen beiden Jahren haben die Stromkonzerne jeweils rund 19 Terawattstunden mehr exportiert als importiert. Das entspricht der Leistung von drei bis fünf großen Kraftwerken, die ausschließlich für den Stromexport betrieben werden. Poddig ergänzte: „Von den Gewinnen, die die Konzerne damit erlösen, geht jedoch kaum etwas in den Ausbau der erneuerbaren Energie. Aber Milliardenbeträge werden derzeit in den Neubau von klimaschädlichen Kohlekraftwerken gesteckt.“
Obwohl diese Zahlen für Stromimport und -export bei der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen nachzulesen sind, behauptete Hohlefelder in Hamburg, dass der deutsche Sonderweg in der Frage der Kernenergienutzung geradewegs auf das energiepolitische Abstellgleis führt: „Das Ergebnis ist absehbar: Die ehrgeizigen deutschen CO2-Reduktionsziele werden verfehlt, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes gefährdet, die Abhängigkeit von Energieimporten aus dem Ausland steigt.“ Dass trotz der Stillstände von zeitweise bis zu sieben Kernkraftwerken im letzten Jahr in Deutschland nicht das Licht ausgegangen ist, erklärte Hohlefelder auf der Tagung damit, dass Deutschland in den Monaten Juni, Juli und August Stromimporteur war: „1.805 Gigawattstunden fehlten und mussten aus dem Ausland beschafft werden – zu den entsprechend hohen Preisen versteht sich.“ (Die Zahlen, ob und wie viel Strom in diesen drei Monaten von Deutschland exportiert wurde, lagen der Redaktion bis zum Redaktionsschluss nicht vor.)
Auf das Klimaschutzargument für Atomenergie konterte Poddig: „Für den Klimaschutz spielen die Atommeiler keine Rolle. Werden die energiepolitischen Vorgaben bei der Stromeinsparung, dem Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung und der erneuerbaren Energie eingehalten, werden die CO2-Reduzierungen um 40 Prozent im Jahr 2020 erreicht.“
Die Umweltverbände Robbin Wood, ausgestrahlt und urgewald warnten davor, angesichts der Bedrohungen durch den Klimawandel die Gefahren der Atomkraft als das „kleinere Übel“ anzusehen. Atomkraft sei und bleibe die gefährlichste Art, Strom zu erzeugen. Die Katastrophen von Windcale, Harrisburg und Tschernobyl hätten auf dramatische Weise gezeigt, welche Gefahren von dieser Technologie ausgehen. Gerd Rosenkranz erinnerte zudem daran, dass das AKW Indian Point in der Zielplanung der Attentäter des 11. September 2001 war. „Atommeiler sind zum Ziel terroristischer Aktivitäten geworden. Die Ausweitung der Atomenergie in weitere Länder würde sie zum Ziel innerstaatlicher Konflikte und kriegerischer Auseinandersetzungen machen und die Weiterverbreitung von Atomwaffen anheizen“, sagt Rosenkranz.
Für Peter Dickel (Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad e.V. und Koordination Endlagerstandorte) ist die schöne bunte Bilderbuchwelt der Atomenergie immer dann zu Ende, wenn die Realität anfängt; er wies auf Brunsbüttel, Krümmel, die Kinderkrebsstudie und nicht zuletzt die ASSE II hin: „Wir haben uns an den Endlagerstandorten viel zu lange darauf eingelassen, über zukünftige Sicherheit zu spekulieren. Aber wer heute in der Diskussion um Atommüll noch ernst genommen werden will, muss sich mit den Fakten aus der Vergangenheit auseinandersetzen. In der ASSE II kann der Einschluss der Radioaktivität nicht mal für 150 Jahre sichergestellt werden, gemessen an den geforderten 1.000.000 Jahren, also überhaupt nicht.“
Mahnungen widersprochen
Im südlichen Niedersachen bei Wolfenbüttel sickert seit 20 Jahren salzhaltiges Wasser in das Endlager Asse II ein. Die eindringende Salzlösung kann die eingelagerten Fässer angreifen und Radionuklide herauslösen. Es ist zu befürchten, dass dann radioaktiv verseuchtes Wasser in das Grundwasser gelangt. Dickel mahnte: „Alle Faktoren, die zum Scheitern der ASSE II geführt haben, sind von Anfang an von Anwohnern und unabhängigen Wissenschaftlern dargelegt worden. Politik und Betreiber haben dieser Kritik widersprochen und sie geleugnet.“
Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 23 (4.Juni – 10.Juni 2008)
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