Nervosität in Thüringen: Hält der Deal für Ramelows Wahl? Vier-Parteien-Allianz gegen die AfD
Fast auf den Tag genau einen Monat nach der Ministerpräsidentenwahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich, bei der erstmals in Deutschland AfD-Stimmen den Ausschlag gaben, wird in Thüringen ein neuer Versuch gestartet, zu einer Regierung zu kommen.
Nach dem Desaster vom 5. Februar geht es allerdings nur noch um eine Übergangsregierung: Der Termin für Neuwahlen am 25. April 2021 liegt bereits fest. Eines ist für Hennig-Wellsow aber jetzt schon sicher: „Die Landtagssitzung am Mittwoch kriegt, egal was passiert, das Prädikat historisch.“
Hitzig diskutiert wird nicht nur in Thüringen die Frage, wie es Ramelow anstellen will, überhaupt ins Amt zu kommen.
Sein Dreierbündnis aus Linke, SPD und Grünen, das nach dem politischen Beben weiter eng zusammensteht, kommt nur auf 42 Stimmen im Landtag. Für die Wahl des 64-Jährigen im ersten Durchgang – und nur den soll es nach Meinung der Linken geben – sind jedoch mindestens 46 Stimmen nötig.
Wenn Ramelow erkennbar mit Stimmen der AfD ins Amt kommt, will er die Wahl nicht annehmen
Was bleibt, ist die Angst vor erneuten Scharmützeln der AfD mit ihrem Fraktionschef Björn Höcke. Am Montag werde bis Fristende 14.00 Uhr entschieden, ob die AfD erneut einen eigenen Ministerpräsidentenkandidaten ins Rennen schicke, kündigte Höcke an. Ihren letzten hatte die AfD am 5. Februar im dritten Wahlgang fallengelassen und stattdessen Kemmerich gewählt.
Die Linke treibt auch um, dass die AfD tricksen und Ramelow möglicherweise einen Teil ihrer Stimmen geben könnte. Ramelow hat angekündigt, die Wahl nicht anzunehmen, wenn er erkennbar mit AfD-Stimmen ins Amt käme.
Und dann? Neuwahl, schnell, heißt es von Linken, SPD und Grünen. „Dass sich die CDU dem verweigern könnte, dafür fehlt mir die Fantasie“, so SPD-Fraktionschef Matthias Hey. Auch bei der Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Neuwahl braucht Rot-Rot-Grün die CDU – dann aber alle ihrer 21 Stimmen.
Thüringen: Vier-Parteien-Allianz gegen die AfD
Dass die AfD auf die CDU zielt, hat einen Grund: Vier Monate nach der Landtagswahl und ihrem wilden Zickzackkurs hat sich die Thüringer CDU Verhandlungen mit Ramelow und seiner Linken gestellt, um Thüringens Regierungskrise zu beenden. Herausgekommen ist ein Kompromiss – eine Art Vier-Parteien-Allianz gegen die AfD, die im Landtag in Erfurt die zweitstärkste Fraktion nach der Linken und knapp vor der CDU stellt.
„Es ist eine Ausnahmesituation“, sagte der CDU-Chefverhandler Mario Voigt zu der Stabilitätsvereinbarung, die vor gut einer Woche mit dem Ramelow-Lager und gegen den Willen der Bundes-CDU geschlossen wurde.
Sie beinhaltet eine befristete, projektbezogene Unterstützung einer möglichen rot-rot-grünen Minderheitsregierung – vor allem beim Haushalt 2021. Im Februar 2021 soll der Landtag aufgelöst und eine Neuwahl eingeleitet werden. Ramelow sagte nach dem Kompromiss mit der CDU: „Wir werden neue demokratische Wege gehen.“
Keine Garantie für die Wahl des Linke-Politikers in Thüringen
Doch eine Garantie, dass er die fehlenden vier Stimmen von der CDU bekommt, hat Ramelow nicht. Brauche er auch nicht, sagt der Linke-Politiker, den nach Umfragen eine Mehrheit der Thüringer als Ministerpräsidenten haben will.
Die Christdemokraten erklärten demonstrativ: Die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag wähle Ramelow nicht aktiv als Ministerpräsidenten mit. Ramelow sagt, er sei nach Gesprächen mit vielen Abgeordneten der demokratischen Landtagsfraktionen der Überzeugung, dass er bei der Wahl im ersten Durchgang eine Mehrheit bekomme – und AfD-Stimmen keine Rolle spielen.
„Deshalb bedurfte es keiner vertraglichen Regelung mit der CDU-Fraktion“ – die ja auch gegen CDU-Parteitagsbeschlüsse verstoßen würde.
Rot-Rot-Grün schaut auf Personalentscheidung der CDU
In den Landtagsgängen wird spekuliert, wer bei der CDU und möglicherweise auch bei der FDP Ramelow seine Stimme geben könnte – obwohl beide Parteien mit der Ansage, Rot-Rot-Grün ablösen zu wollen, in die Landtagswahl gezogen waren. Definitiv kann das wohl niemand sagen – entschieden wird ganz allein in der Wahlkabine. „Wir haben noch alle den 5. Februar im Kopf. Wir wollen jetzt endlich wieder einigermaßen normal arbeiten“, sagt einer von der CDU.
Argwöhnisch schaut Rot-Rot-Grün auf diesen Montag – da dreht sich das Personalkarussell bei den Christdemokraten. Partei- und Fraktionschef Mike Mohring tritt ab – viele kreiden ihm politische Fehler an, nicht nur beim Debakel der CDU bei der Landtagswahl mit dem Verlust von einem Drittel der Stimmen. Die Wahl seines Nachfolgers an der Fraktionsspitze könnte ein Signal sein, ob die CDU weiter zum Kompromiss mit Rot-Rot-Grün steht. (dpa)
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