NDR und „Berliner Zeitung“ als „russische Desinformateure“? Verfassungsschutz in Bayern zu Klarstellung veranlasst

Der Verfassungsschutz in Bayern hat eine Analyse zu einer „Doppelgänger“-Kampagne veröffentlicht, mithilfe derer die Russische Föderation eine Propaganda-Offensive gestartet haben soll. Dabei fanden auch einige deutsche Medien Erwähnung. Diese gingen dagegen vor.
Ohne die Änderung des Grundgesetzes drohe eine «deutliche Unwucht», sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann.Foto: Arne Dedert/dpa
Von 15. September 2024

Bereits seit einigen Jahren soll die Russische Föderation über soziale Medien eine Kampagne unter dem Arbeitstitel „Doppelgänger“ betreiben. Diese soll dazu beitragen, das eigene Narrativ vor allem im Umfeld des Ukrainekrieges zu verbreiten.

Das Landesamt für Verfassungsschutz in Bayern konnte eigenen Angaben zufolge im Juli 2024 Detailerkenntnisse zu einer dafür genutzten Infrastruktur erheben. In einer ausführlichen Analyse hat der Dienst nun seine Erkenntnisse präsentiert – und damit Irritationen ausgelöst.

Verfassungsschutz sieht Russland „Zweifel an liberalen demokratischen Werten“ säen

Stein des Anstoßes ist die Erwähnung mehrerer deutscher Medien und Onlineportale – und die Art und Weise ihrer Einordnung durch den Verfassungsschutz.

Dieser sieht hinter der russischen Kampagne das Ziel, „durch die Verbreitung bewusster Falschinformation und pro-russischer Narrative in westlichen Gesellschaften Zweifel an liberalen demokratischen Werten zu säen“.

Seit dem Verbot staatlicher russischer Medien unterhält die Russische Föderation zumindest offiziell keine eigenen Publikationen mehr in der EU. Über Umwege sind Portale wie RT zwar weiterhin erreichbar, diese sind jedoch einer breiteren Öffentlichkeit nicht bekannt. Um Gegenöffentlichkeit herzustellen, ist Russland deshalb auf alternative Strategien angewiesen.

Eine davon ist – wie aus der Analyse des Verfassungsschutzes hervorgeht – der originalgetreue Nachbau von Auftritten weit verbreiteter westlicher Medien. Diese werden anschließend mit Inhalten gefüllt, die das eigene Narrativ bedienen.

Für oberflächliche Benutzer kann der Eindruck entstehen, es handele sich um authentische Texte. Erst auf den zweiten Blick ist anhand der Domainendungen erkennbar, dass diese nicht vom suggerierten Urheber stammen. Manchmal deuten auch Rechtschreibfehler im Text darauf hin, dass die Seite ein Fake sein könnte.

„Grenzezank“ und „Der Glaube“ zentral durch „Doppelgänger“-Initiatoren gesteuert

Zusätzlich soll die Russische Föderation auch hinter einigen von westlichen Ländern selbst aus verbreiteten Portalen mit eigenartigen Namen, dubiosen Inhalten und oft fehlendem Impressum stehen. Diese sind offenbar gezielt auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtet.

Neben einer prorussischen Perspektive mit Blick auf den Ukrainekrieg verbreiten die Seiten häufig fremdenfeindliche Inhalte und kritische Artikel gegen die Ampelregierung.

Als Beispiele für solche Seiten nennt Bayerns Verfassungsschutz Medien wie „Grenzezank“, „Wanderfalke“, „Der Glaube“ oder „Arbeitspause“. Bei näherer Analyse werde ein Bezug zu „Doppelgänger“-Webseiten offenbar. Die Portale würden zentral gesteuert und mit Inhalten befüllt. Wie weit die Verbreitung der Seiten ist, bleibt offen. Einige davon sind nicht mehr oder nur noch unter geänderter Domain erreichbar.

Dass prorussische Inhalte auf diesen Wegen verbreitet werden, ist kein Phänomen neuen Datums. Entsprechende Ansätze waren in sozialen Medien spätestens seit dem Staatsstreich in der Ukraine 2014 zu bemerken.

Für böses Blut in Deutschland selbst sorgte nun jedoch die Erwähnung von „Webseiten, deren Inhalte der Akteur [hinter der „Doppelgänger“-Kampagne; d. Red.] in Teilen weiterverbreitet hat“.

„Angriff auf freie und unabhängige Medien“

Der Verfassungsschutz führt dabei einzelne Artikel deutscher Webseiten ohne Bezug zur Russischen Föderation auf. Da der „Doppelgänger“-Initiator diese weiterverbreitet habe, sei es „naheliegend, dass die betreffenden Inhalte das russische Narrativ unterstützen bzw. dass die Verbreitung entsprechender Inhalte anderweitig im Interesse des Akteurs liegt“.

Unter diesen fanden sich Artikel und Seiten, die zumindest als kritisch gegenüber dem westlichen und ukrainischen Narrativ zum Ukrainekonflikt bekannt sind. Darüber hinaus führte Bayerns Verfassungsschutz jedoch auch solche auf, auf die dies explizit nicht zutrifft.

So umfasst die Aufzählung Artikel des NDR, der „Berliner Zeitung“, des „Münchner Merkur“, der „Kieler Nachrichten“ und sogar des Statistischen Bundesamtes.

Aber auch unter den aufgezählten „Alternativmedien“ finden sich solche, die nicht für eine russlandfreundliche Berichterstattung bekannt sind. Viele der erwähnten Medien erblickten in ihrer Erwähnung im gegebenen Kontext eine „Rufschädigung“.

Der Chefredakteur der „Berliner Zeitung“, Tomasz Kurianowicz, spricht von einem „skandalösen Vorgang“. Er warf dem Inlandsgeheimdienst vor, bezüglich der Beobachtung der Tätigkeit fremder Nachrichtendienste seine Kompetenz zu überschreiten:

Leider löst der Verfassungsschutz sich offenbar von diesem Auftrag. Mittlerweile werden auch freie und unabhängige Medien angegriffen und auf Verdachtslisten gesetzt.“

Einige betroffene Medien reagierten mit Abmahnungen und Unterlassungserklärungen auf die Erwähnung im Bericht.

Bayerns Verfassungsschutz nahm mittlerweile „strukturelle Anpassungen“ des Berichts vor

Mittlerweile spricht der Dienst von „inhaltlichen Missverständnissen“ – und ließ die Broschüre überarbeiten. In einer „Klarstellung“ heißt es, die gerade erst von Innenminister Joachim Hermann (CSU) vorgestellte Analyse musste noch einmal überarbeitet werden.

Das teilte der Dienst auf seiner offiziellen Website mit. Man habe „strukturelle Anpassungen“ des Berichts vorgenommen.

Nun heißt es auf der Seite, das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz „unterstellt explizit nicht, dass die Verantwortlichen der hier aufgelisteten Webseiten russische Propaganda verbreiten oder in Kenntnis darüber sind bzw. es gutheißen, dass ihre Inhalte im Rahmen der ‚Doppelgänger‘-Kampagne weiterverbreitet werden“. Ferner nehme das Amt „keinerlei Wertung der Inhalte der betreffenden Webseiten vor“.

Außerdem wurde ergänzt, dass die angesprochenen Inhalte „aus Sicht des Akteurs“ das russische Narrativ unterstützten. Zudem heißt es, hierzu „wurden manche der Artikel gezielt aus ihrem Kontext gerissen“.



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