Nahostkonflikt an der FU: Proisraelische und propalästinensische Demonstrationen vor Mensa
Nur wenige Tage nach einem gewalttätigen Angriff auf einen jüdischen Studenten der Freien Universität Berlin (FU) in einer Berliner Bar durch einen offenbar propalästinensischen Kommilitonen am vergangenen Wochenende hielten Studenten einen Pro-Palästina-Protest vor der Mensa der FU ab. Daraufhin formierte sich auch eine proisraelische Gegenveranstaltung in der Nähe.
Das Motto des propalästinensischen Protestes, der laut „Tagesspiegel“ schon vor drei Wochen angemeldet worden war, lautete „Solidarität mit Palästina, gegen die selektive Solidarität der Universitätsleitung und Einschränkung demokratischer Rechte.“
Student berichtet von verbalen Anfeindungen
„Ich kenne den FU-Studenten Lahav Shapira, der mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen ist, auch erst seit dem 7. Oktober [dem Tag des terroristischen Überfalls der Hamas auf Israel]“, sagte Finn (23). Er ist FU-Student und will aus Sicherheitsgründen seinen Nachnamen nicht nennen.
Er ist überzeugt, dass Shapira, weil er an der Uni Plakate von israelischen Entführungsopfern aufgehängt hat, Opfer des Angriffs wurde. Damit richtete er sich gegen die Besetzung eines Hörsaals durch propalästinensische Studenten.
Shapira (30) war am Wochenende mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen. Ein 23-jähriger Kommilitone mit deutscher Staatsangehörigkeit soll ihn in Berlin-Mitte geschlagen und getreten haben. Die Polizei hatte berichtet, dass beide zunächst in Streit geraten waren, bevor der 23-Jährige plötzlich zugeschlagen habe. Die Berliner Staatsanwaltschaft stuft den Fall nach derzeitigem Stand als antisemitisch ein.
„Nach dem Angriff haben einige Leute auf Twitter angefangen, ihn als rechtsradikal zu diffamieren,“ so Finn.
Das habe ihn erschrocken und erstaunt, denn deutsche Rechtsradikale würden häufig die Nähe zur Hamas, zum Iran und zu Moskau suchen. In seinen Augen fände hier eine Täter-Opfer-Umkehr statt.
Er ginge seit dem 7. Oktober ungern zur Universität. „Denn man kann sich nicht sicher sein, nicht verbal angefeindet zu werden, wenn man offen über die politische Situation im Nahen Osten spricht und für die Existenz Israels ist, auch wenn man genauso die Existenz eines palästinensischen Staates befürworte.“
Dass es jetzt außerhalb der Uni auch noch zu körperlichen Angriffen gekommen sei, sei ein neues Niveau. „Das habe ich nicht für möglich gehalten.“
Für Finn hat Universitätspräsident Günter Ziegler in seiner kürzlichen Videobotschaft eine Selbstverständlichkeit ausgesprochen, die schon lange fällig gewesen sei. Das Klima sei an der Universität seit dem 7. Oktober angespannt. Er trage mit die Verantwortung für das, was unter Kommilitonen auch außerhalb der Universität passierte.
Wenn man sich an der FU antisemitisch auch unter dem Deckmantel des Antizionismus äußerte, war nicht klar, dass man dafür an der FU zur Rechenschaft gezogen werde.
„Ideologisierte Randgruppen“
Hier an der FU wäre es eine sehr kleine, sehr lautstarke Gruppe mit merkwürdiger Querverbindung von einerseits postkolonialen Linken und auf der anderen Seite Rechtsextremen, die schon immer antisemitische Ressentiments geschürt haben und dazu noch radikale Islamisten, die antiisraelische Stimmung verbreiten würden.
Linke Meinungen würden an der Uni vorherrschen, jedoch gebe es viele bekennende Linke, die eine sehr positive Haltung zu Israel haben und sich für das Existenzrecht Israels einsetzen würden. Es seien eher extrem ideologisierte, radikale kleine Randgruppen, die sich gegen Israel stellen.
Die propalästinensischen Demonstranten hielten Transparente und Schilder hoch mit Aufschriften wie „Freiheit für Palästina!“ und „Stoppt die Heuchelei!“. Manche trugen Palästinensertücher, später wurden „Free Palestine“ und „FU shame on you“-Sprechchöre angestimmt.
In sozialen Medien kursierte vorab ein Demoaufruf von einem „Palästinakomitee FU Berlin“. Eine Sprecherin der Gruppe sagte, man richte sich „gegen Lügen und Heuchelei“ im Umgang mit dem Krieg Israels in Gaza.
Unter der propalästinensischen Demo waren mehrere Schilder der radikal-marxistischen Organisation „Der Funke“ zu sehen. Gegenüber der Presse verhielt sich ein Redner aggressiv, als diese offenbar nicht schnell genug seiner Aufforderung nachkamen, mehr Abstand zum Rednerpodium zu halten. Er begann in die Richtung der Kamerateams Flüssigkeit aus einer Bierflasche in ihre Richtung zu spritzen.
Student beklagt zu einseitige Position für Israel
Ein 22-jähriger Student sagte, er sei absichtlich von der Humboldt-Universität gekommen, um „gegen den Genozid“ zu protestieren. Teilnehmer warfen den Uni-Leitungen vor, zu einseitig Position für Israel zu beziehen, propalästinensische Solidarität und Kritik an der israelischen Regierung würden mit dem Vorwurf des Antisemitismus unterdrückt.
Gegenüber Epoch Times wollten sich die Pressebetreuer der propalästinensischen Demo nicht äußern. Auch haben sie ihre Entscheidung nicht begründet.
Einer der propalästinensischen Demoteilnehmer beschimpfte Epoch Times als „ultra-rechtsextrem, homophob und antisemitisch“ und hielt andere Teilnehmer davon ab, uns Interviews zu geben. Epoch Times erscheint in 36 Ländern und 22 Sprachen, darunter auch auf Hebräisch in einer israelischen Ausgabe.
Eine Sprecherin der propalästinensischen Kundgebung sagte gefragt nach dem Angriff auf Shapira: „Wir stehen natürlich gegen jede Form von Diskriminierung, sei es Antisemitismus, sei es Islamophobie, sei es Rassismus.“ Konkret gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas wollte man sich nicht aussprechen. Auf der Demo seien auch teils jüdische und israelische Redner.
Anwohner nimmt an proisraelischer Demo teil
Mit unter den proisraelischen Demonstranten ist Bernd Steinhoff (54), ein Anwohner aus Zehlendorf. In seinen Händen hält er eine israelische Staatsflagge. Er sei hier, weil bei dem propalästinensischen Demoaufruf für heute ein Staatengebilde gezeigt worden sei, auf dem der israelische Staat nicht mehr existierte, erklärt er uns. „Das hat mich bewegt, heute hier herzukommen.“
Er vermisst auf der proisraelischen Seite die Wissenschaftssenatorin und auch den Universitätspräsidenten, die er beide persönlich bereits kennengelernt hat.
„Denn wenn Gruppierungen die Existenz des jüdischen Staates, des israelischen Staates negieren und diesen Staat auslöschen wollen und den Israelis damit jedes Existenzrecht absprechen, dann müsste eigentlich jeder Mensch auf die Straße gehen“, findet der Berliner.
Ein 18-Jähriger jüdischen Glaubens, der eine Kippa trug und nach eigenen Angaben nicht studiert, sagte, er sehe jüdische Studenten in Berlin in Gefahr und wolle sich deshalb solidarisch zeigen.
Ein anderer jüdischer FU-Student sagte: „Anfeindungen gibt es fast tagtäglich“, vor allem in sozialen Medien, aber auch durch verbale Drohungen. Das Unsicherheitsgefühl habe seit dem 7. Oktober stark zugenommen. „Generell würde ich sagen, kein Jude fühlt sich wirklich sicher.“
FU distanziert sich von der Veranstaltung
Die FU distanzierte sich vorab von der propalästinensischen Veranstaltung, diese finde auf der Straße statt und sei daher weder von ihr genehmigt noch unterstützt. Die Uni stellte nach eigenen Angaben Strafanzeige aufgrund von Inhalten der Plakate mit dem Aufruf zur Demo. Ein Polizeisprecher konnte zum Inhalt bisher keine Auskunft geben.
„Wir wollen mit der Politik darüber beraten, ob Exmatrikulationen in besonders extremen Fällen in Berlin ermöglicht werden sollten“, sagte FU-Präsident Ziegler dem „Tagesspiegel“. Wenn Straftäter eine Bedrohung für andere Studenten darstellen, sei es „eine wünschenswerte und notwendige Maßnahme, die Personen am Studieren zu hindern“. Seine Meinungsbildung dazu sei aber noch nicht abgeschlossen.
Rot-rot-grüne Koalition änderte das Hochschulgesetz
Zwei Tage vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2021 änderte die damals rot-rot-grüne Koalition das Hochschulgesetz. Damit wurde auch das Ordnungsrecht gekippt. Damit sind nun auch die Möglichkeiten der Exmatrikulation beschnitten. Nach jetziger Rechtslage besteht lediglich die Möglichkeit, „bei Störungen“ ein dreimonatiges Hausverbot auszusprechen.
FU-Präsident Ziegler meldete sich kurz nach dem Übergriff mit einer Videobotschaft zu Wort. Das Präsidium sei „zutiefst entsetzt über den brutalen, mutmaßlich antisemitisch motivierten Angriff auf einen jüdischen Studenten unserer Universität“. Die FU habe volles Vertrauen in die zuständigen Ermittlungsbehörden, so Ziegler weiter.
Universitätspräsident steht in der Kritik
Die FU, insbesondere ihre Leitung Universitätspräsident Ziegler, steht wegen ihres Umgangs mit dem Vorfall und weiteren mutmaßlich antisemitischen Vorfällen in der Kritik. Er habe zu zögernd gehandelt, so der Vorwurf. Auch die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) steht nach ihrer Äußerung zu dem Vorfall in der Kritik und es gibt erste Rücktrittsforderungen gegen sie.
Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle warf der SPD-Politikerin am Mittwoch Verharmlosung und „Schönfärberei“ vor. „Es bleibt nur der Rücktritt“, zitiert ihn die „Welt“.
Im Dezember hatte eine Gruppe Studenten einen zum Zeitpunkt des Geschehens unbenutzten Hörsaal besetzt und eine Veranstaltung mit propalästinensischen Inhalten abgehalten. Laut der Berliner Polizei hatte die Leitung der Universität Strafantrag wegen Hausfriedensbruch gestellt. Einsatzkräfte der Polizei hatten den Hörsaal während der Veranstaltung geräumt.
Die propalästinensischen Studenten sahen sich durch die damalige Polizeiaktion der Räumung in ihren demokratischen Rechten beschnitten. Auf proisraelischer Seite lautet die Kritik, dass sich die Universitätsleitung viel zu spät positioniert und sich gegen Antisemitismus an der FU gestellt hat. Es habe bereits vorher Vorfälle gegeben.
Polizei leitet vier Verfahren ein
Laut Polizeiangaben fanden sich in der Spitze 85 Teilnehmer auf der propalästinensischen Seite und 25 Teilnehmer auf der proisraelischen Seite ein. Die Berliner Polizei war mit 45 Polizisten vor Ort und musste beide Gruppen trennen und Auseinandersetzungen verhindern.
Vier Strafermittlungsverfahren wegen Beleidigung wurden eingeleitet und es gab sechs vorübergehende Freiheitsbeschränkungen gegen Versammlungsteilnehmer. Dabei konnte die Polizei auf Nachfrage nicht genau zuordnen, welcher Demo die betreffenden Teilnehmer angehörten.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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